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       # taz.de -- Bündnis zwischen Venezuela und Türkei: Der Feind meines Feindes
       
       > Die USA und die EU ergreifen im Machtspiel um Venezuela für Guadió
       > Partei. Währenddessen pflegen Maduro und Erdoğan eine unbeachtete
       > Allianz.
       
   IMG Bild: It's a man's world … Cilia Flores (l.), die Gattin Maduros, mit Emine Erdoğan am 6. Oktober 2017
       
       Berlin taz | Die Welt der Autokraten kennt kein links und kein rechts, sie
       macht keinen Unterscheid zwischen Christen und Muslimen. So scheint es sich
       derzeit mit Venezuela und der Türkei zu verhalten. Außer dem schönen Wetter
       und den türkisblauen Küsten haben die beiden Länder weder kulturell noch
       politisch irgendwas gemeinsam. Doch ganz nach dem Motto „der Feind meines
       Feindes“ ist hier eine besondere Beziehung quer über den Atlantik
       entstanden, ohne dass sich die Öffentlichkeit – zumindest nicht die
       deutsche – sonderlich dafür interessiert.
       
       Die [1][Türkei] ist neben Uruguay eines der wenigen Länder, die nicht den
       [2][selbsternannten Interimspräsidenten Juan Guaidó], sondern Nicolás
       Maduro als rechtmäßigen Präsidenten Venezuelas anerkennen. Für die
       türkische Regierung handelt es sich bei dem aktuellen Machtkampf um nichts
       anderes als einen Putschversuch – gesteuert von sogannten Außenmächten, was
       in Erdosprech meist USA heißt – den es jetzt zu zerschlagen gilt.
       
       Türkeiaffine Lese*innen wissen: das Thema Putsch ist in Ankara seit 2016
       ein besonderes Reizthema. Dem vereitelten Militärcoup folgten
       [3][US-Sanktionen], die die Türkei vergangenen Sommer fast in den Bankrott
       trieben. Außerdem wollen die USA Fetthullah Gülen, den Staatsfeind Nummer
       Eins, nicht ausliefern.
       
       So wütete Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan vor wenigen Tagen bei einer
       Rede im türkischen Parlament gegen die USA und die EU-Staaten, die seit
       Beginn des Machtkampfs eine Neuwahl in Venezuela fordern. „Ist Venezuela
       euer Staat?“ oder „Seid ihr denn nicht demokratisch?“, fragt er rhetorisch
       seine imaginierten Kontrahänten, die natürlich nicht im Parlament sitzen.
       Sehr wohl aber wurde die Rede im Fernsehen übertragen, und über die Kanäle
       der sozialen Netzwerke verbreitet, wie jeder verbale Erguss des türkischen
       Präsidenten.
       
       ## CNN-Türk feiert ein Maduro-Spektakel
       
       Auch die türkischen Nachrichtensender übertragen seit dem Ausbruch des
       Machtkampfs um die Präsidentschaft Bilder aus Venezuela in Dauerschleife.
       Anders als in den deutschen Medien dominieren hier Aufnahmen von Maduro.
       Besonders für Aufsehen hat am vorigen Freitag ein CNN-Interview im
       Staatspalast in Caracas gesorgt.
       
       Cüneyt Özdemir, Reporter für den türkischen CNN-Ableger, hat ein
       [4][Exklusiv-Interview mit Nicolás Maduro] bekommen. Weniger als der Inhalt
       des Gesprächs stand die Tatsache, dass Özdemir das Interview überhaupt
       bekommen hat im Vordergrund. Auch ließ Maduro beiläufig – wie es im
       PR-Handbuch steht – an geeigneter Stelle das Wort „Iynsallah“ ins Gespräch
       einfließen und drückte damit genau die richtigen Knöpfe. Das ließ nicht nur
       das Herz des türkischen Reporters schmelzen.
       
       Begleitet von einer Social-Media-Kampagne ist aus dem viertelstündigen,
       wiederholt ausgestrahlten Gespräch ein Medienspektakel inszeniert worden.
       Der CNN-Reporter gab tagelang Interviews als „der Reporter, der exklusiv
       mit Maduro“ sprach. Dass er den Termin mit Maduro nur deshalb bekam, weil
       alle anderen mit Guaidó sprechen wollen – geschenkt.
       
       ## Über den Tellerrand hinaus
       
       Das Faible für Medienspektakel in der [5][Türkei] ist nicht neu. Genauso
       wenig wie am Ende auch die Freundschaft zwischen Maduro und Erdoğan. Nach
       dem Putschversuch im Juni 2016 hat Maduro dem türkischen Staatspräsidenten
       seine Solidarität ausgesprochen und seither nicht nur Erdogans persönliche
       Sympathie geerntet.
       
       In den vergangenen zwei Jahren wurden diverse Deals zwischen Venezuela und
       der Türkei ausgeheckt. Unter anderem wurden zwei Schulen in Caracas
       geschlossen, die zum Gülen-Netzwerk gehören sollen (die türkische Regierung
       macht die [6][Gülen-Bewegung für den Putschversuch verantwortlich]). Und
       seit Sommer 2018 hat das lateinamerikanische Land mehrere Tonnen Rohgold in
       die Türkei verschifft.
       
       Ein Blick über unseren eigenen Tellerrand hinaus könnte sich lohnen, um
       mitzubekommen, welch skurillen Allianzen sich derzeit bilden. Noch steht
       das venezolanische Militär hinter Maduro. Und Erdoğan hat das Militär in
       der Türkei erfolgreich von seinen Feinden gesäubert.
       
       8 Feb 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Schwerpunkt-Tuerkei/!t5007907/
   DIR [2] /Machtkampf-in-Venezuela/!5569978
   DIR [3] /US-Sanktionen-gegen-die-Tuerkei/!5524455
   DIR [4] https://twitter.com/cuneytozdemir/status/1089299717794746368
   DIR [5] /Mediensystem-in-der-Tuerkei/!5552459
   DIR [6] /Aus-der-Tuerkei-gefluechtet/!5459293
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Canset Icpinar
       
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