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       # taz.de -- Die Woche: Partyplanung beim Sensenmann
       
       > Labour und Tories sind in sich zerrissen. Die Linke erkennt das
       > Existenzrecht Europas an. Die katholische Kirche stellt ihre Autorität
       > nicht infrage.
       
   IMG Bild: Brexiteers, Pro-Europäer, Softbrexiteers? Die Briten sind sich nicht ganz einig
       
       taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche? 
       
       Friedrich Küppersbusch: [1][Karl Lagerfeld], Peter Rüchel, Gus Backus – der
       Sensenmann bereitet offenbar eine Party vor da oben.
       
       Und was wird besser in dieser? 
       
       Transferfenster schließt.
       
       Sieben Parteiaustritte bei Labour, drei bei den Tories – formiert sich das
       Parteiensystem in Großbritannien [2][gerade neu]? 
       
       Respekt! Beim zementierten Mehrheitswahlrecht Großbritanniens ist so ein
       Austritt ein Köpper ins leere Becken. Labour und Tories sind jeweils in
       sich zerrissen – Brexiteers, Pro-Europäer, Softbrexiteers. Quer zu den
       alten Parteilinien ergäbe sich womöglich eine tragfähige Fraktion aus
       „Jedenfalls-nicht-harten-Brexiteers“. Derzeit zählt sie 10 von 650
       Mitgliedern.
       
       Der Bundesgerichtshof hat die Position der VW-Kunden bei Klagen [3][im
       Dieselskandal gestärkt]. Sind die betrogenen Autokäufer jetzt stark genug? 
       
       Bisher hat VW einzelnen Klägern den Kofferraum mit Geld geflutet –
       „außergerichtliche Vergleiche“ vereitelten jedes Urteil. Auch diesmal sagte
       der Bundesgerichtshof einen Prozesstermin ab, weil der Kläger überraschend
       VW wieder dufte findet. Offenbar nervte die Richter das, und so legten sie
       eine vorsichtige Warnung bei: „Nach vorläufiger Rechtsauffassung dürfe von
       einem Sachmangel auszugehen sein“ – knietief im Konjunktiv. Das mag
       zunächst VW ertüchtigen, noch mehr betrogenen Kunden noch mehr Kohle zu
       bieten.
       
       Das fünfte Jahr in Folge hat der deutsche Staat mehr Geld eingenommen als
       ausgegeben. Wenn Sie das mit den Stichworten Deutsche Bahn, Schultoiletten,
       Pflege und Netzausbau zusammendenken – was löst das bei Ihnen aus? 
       
       Pessimismus. Trotz aller schönen Investitionsvorschläge ist die Kernzahl
       der Schuldenabbau. Wäre doch schön, in der nächsten Krise wäre an Platz
       eins der Mensch systemrelevant.
       
       Die Partei Die Linke hat [4][ihren Europa-Parteitag abgehalten]. Ist die
       Linke nun für oder gegen Europa? 
       
       Nun, höflich formuliert, und darin ist die Linke ja geübt, anerkennt sie
       das Existenzrecht Europas. Der krasse Anti-EU-Flügel und die Fraktion „Mehr
       besseres Europa“ einigten sich auf eine Nullsumme, die man dem Titel nach –
       „Die EU braucht einen Neustart“ – dann auch null mehr von der Position der
       AfD unterscheiden kann.
       
       Der Bundestag hat dem [5][Koalitionskompromiss zum Werbeverbot für
       Abtreibungen] zugestimmt. Hat die Groko damit ein Problem aus der Welt
       geschafft? 
       
       Der Paragraf 219a war schlicht Rache für die Modernisierung von Paragraf
       218. Wenn schon Abbruch in Grenzen legal wurde, so wollten viele ein hohes
       Maß an Bevormundung Betroffener sicherstellen. Inzwischen kommt die
       Gesellschaft mit dem bestehenden Recht einigermaßen zurecht; man hätte die
       Rückzugsgefechte beenden können.
       
       Papst Franziskus hatte der [6][Antimissbrauchskonferenz im Vatikan] einen
       21-Punkte-Plan vorgelegt. Fehlt Ihnen da irgendein Punkt? 
       
       Die katholische Kirche hat ihre eigene Autorität nicht infrage gestellt;
       120 Jungs grübeln eine Runde darüber, wie man das mit den Frauen und
       Kindern besser hinbekommen kann. Als „Signal der Entschlossenheit“ wurde
       zum Auftakt US-Kardinal McKarrick, vielfacher Sexualverbrechen überführt,
       „in den einfachen Laienstand versetzt“. Da staunen die einfachen Laien –
       ein Verbrecher, der mit mindesten christlichen Werten nichts am
       Kardinalshut hat, ist der Obrigkeit so gut wie alle anderen. Punkt 22: An
       jede katholische Tür das Schild „Sie verlassen jetzt den demokratischen
       Sektor“.
       
       In seinem Buch „Sodoma“ spricht der französische Soziologe Frédéric Martel
       vom Vatikan als einer der weltweit größten Schwulengemeinschaften. Wenn das
       so wäre: Wäre das ein Problem? Und für wen eigentlich? 
       
       Schutzvorschriften für Kinder und Frauen sind so alt wie die organisierte
       Kirche selbst. Der Griff in die Unterwäsche des Mitmenschen ist damit
       Gründungsfluch, Fakultäten übergreifend – man tut den Schwulen Unrecht,
       ihnen die Katholiken als Homo Ultras anzulasten. Umgekehrt: Wagt man eine
       Sekunde gottesfürchtigen Zweifels an der Stellvertreterschaft des Papstes,
       am Vatikan als des Herrn alleinigem factory outlet – kann jeder seine Sekte
       gründen, sich katholisch nennen und munter vor sich hin glauben. Das Wunder
       kann nur noch von unten kommen. Gründet demokratische Kirchen. Dann auch
       gern in der Abfolge „erst Coming-out und dann gucken, wer mitmachen will“.
       
       Und was machen die Borussen? 
       
       Spielen am Sonntagabend gegen Leverkusen. Diese Kolumne ergeht von der
       Tabellenspitze, so viel ist sicher.
       
       Fragen: Waam
       
       24 Feb 2019
       
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