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       # taz.de -- Prozessauftakt im Fall Sig Sauer: Nächste Waffenschmiede vor Gericht
       
       > Sig Sauer soll Pistolen über die USA nach Kolumbien geliefert haben –
       > ohne Genehmigung. Jetzt beginnt der Prozess gegen fünf Mitarbeiter.
       
   IMG Bild: Weit verbreitet in Kolumbien: Sig-Sauer-Pistole vom Typ SP 2022
       
       Ab Dienstag wird sich vor der Wirtschaftsstrafkammer des Kieler
       Landgerichts fast alles um die Pistole Typ SP 2022 aus der Eckernförder
       Waffenschmiede Sig Sauer drehen. Fünf Mitarbeitern des ältesten
       Waffenherstellers Deutschlands wird vorgeworfen, für ein verbotenes
       Rüstungsgeschäft verantwortlich zu sein.
       
       Zwischen April 2009 und Juni 2012 hat das Unternehmen mehr als 70.000 der
       Pistolen in die USA exportiert. Mindestens 36.628 davon wurden danach aus
       den USA nach Kolumbien weitergeliefert, um die dortige Nationalpolizei
       auszurüsten. Sig Sauer hatte nur eine Ausfuhrgenehmigung für die USA
       beantragt und dafür auch eine Endverbleibserklärung abgegeben. Die
       Weiterlieferung der Waffen nach Kolumbien, nach wie vor ein
       Bürgerkriegsland, war illegal.
       
       Sollte den fünf Angeklagten Vorsatz nachgewiesen werden, drohen ihnen
       Haftstrafen von bis zu fünf Jahren. Parallel dazu hat die Kieler
       Staatsanwaltschaft beantragt, den Gewinn aus dem illegalen Waffendeal in
       Höhe von 12 Millionen Euro abzuschöpfen.
       
       Vielleicht sind die Vorwürfe dieses Verfahrens aber nur die Spitze des
       Eisbergs. Recherchen von Terre des Hommes zufolge hat die kolumbianische
       Regierung zwischen 2009 und 2012 aus den USA insgesamt rund 125.000
       Sig-Sauer-Pistolen des Modells SP 2022 gekauft. Gesamtwert: 65 Millionen
       Dollar.
       
       ## Guerilla und Drogenbanden
       
       Wie [1][ein Dossier eines von Terre des Hommes beauftragten kolumbianischen
       Journalisten] belegt, zirkulieren diese Waffen im Land. Sowohl Paramilitärs
       als auch Drogenbanden und die Guerilla haben zumindest einzelne Waffen in
       ihren Arsenalen gehabt – unter anderem, weil sie von korrupten Polizisten
       gestohlen und verkauft wurden.
       
       Eine der Drehscheiben der Waffenschmuggler ist die Stadt Bello nahe
       Medellín, wo auf dem Schwarzmarkt nicht nur Handfeuerwaffen, sondern auch
       schwere Waffen wie Granatwerfer angeboten und verkauft werden, so die
       kolumbianische Richterin Liliana Arias gegenüber der taz. Doch auch ganz
       legal konnten Kolumbianer*innen deutsche Waffen bei dem staatlichen
       Waffenmonopolisten „Indumil“ ordern. Das berichtete die kolumbianische
       Wochenzeitung Semana bereits im Jahr 2014.
       
       Damals hatte das Staatsunternehmen unter der Rubrik „Importierte Waffen“
       zudem eine P99 der Ulmer Firma Walther im Sortiment. Recherchiert hat das
       Jürgen Grässlin von der „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“. Er
       war es auch, der in Deutschland Anzeige gegen Sig Sauer erstattete –
       genauso wie im Fall Heckler & Koch. Gewehre des Waffenherstellers aus dem
       Schwarzwald waren illegal nach Mexiko verkauft worden. Erst in der
       vergangenen Woche wurden deshalb in Stuttgart [2][ehemalige Mitarbeiter des
       Unternehmens verurteilt].
       
       ## Politische Konsequenzen
       
       Es könnten auch noch mehr Prozesse folgen: Grässlin wirft Sig Sauer und
       Heckler & Koch vor, durch Produktionsverlagerung in die USA zu versuchen,
       deutsche Rüstungsexportbeschränkungen zu umgehen. Durchaus erfolgreich,
       denn Sig Sauer ist zu einem wichtigen Lieferanten für die mexikanische
       Armee und Polizei aufgestiegen. Im deutschen Rüstungsexportbericht finden
       diese Sig-Sauer-Exporte nach Mexiko jedoch keine Erwähnung.
       
       Für Terre des Hommes sind Konsequenzen auf politischer Ebene überfällig.
       „Wir fordern einen kompletten Exportstopp von Kleinwaffen und die Schaffung
       eines restriktiven Rüstungsexportgesetzes“, sagt Vorstandssprecher Albrecht
       Recknagel angesichts des Prozessauftakts in Kiel. Die Waffen seien, so
       kritisiert Recknagel, auch bei Verbrechen verwendet worden, bei denen
       Minderjährige eingesetzt wurden. Dafür tragen die fünf Mitarbeiter von Sig
       Sauer, die jetzt angeklagt sind, auch eine Mitverantwortung. Doch darum
       wird es in Kiel kaum gehen.
       
       Neben Terre des Hommes beschäftigt sich momentan auch die Organisation
       Greenpeace mit [3][einer Reform der deutschen Endverbleibskontrolle] für
       exportierte Waffen. Sowohl der gerade beendete Prozess gegen Heckler & Koch
       als auch der gegen Sig Sauer belegen, dass das derzeitige System nicht
       funktioniert. Recherchen vor Ort sind zum Beispiel nicht als Regelfall
       vorgesehen.
       
       25 Feb 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.tdh.de/fileadmin/user_upload/inhalte/04_Was_wir_tun/Themen/Weitere_Themen/Kleinwaffen/SIG_SAUER_Dossier_terre_des_hommes_Feb2019.pdf
   DIR [2] /Urteil-gegen-Heckler--Koch/!5572153
   DIR [3] /Deutsche-Waffen-im-Ausland/!5572472
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Knut Henkel
       
       ## TAGS
       
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