# taz.de -- Fachkräfte aus dem Ausland gebraucht: Bitte mehr Zuwanderung
> Eine Studie zeigt, dass Deutschland jährlich 260.000 Arbeitskräfte
> braucht. Dafür sei Einwanderung auch aus Nicht-EU-Ländern nötig.
IMG Bild: Einwanderer als Fachkräfte: Ein Asylbewerber aus Somalia arbeitet in Brandenburg an einem Stahlsegment
Berlin taz | Mehr als eine Viertelmillion Menschen pro Jahr – so viel
Zuwanderung braucht Deutschland in den kommenden Jahren laut einer
[1][Studie im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung]. Nur so lasse sich „der
demographiebedingte Rückgang des Arbeitskräfteangebots auf ein für die
Wirtschaft verträgliches Maß begrenzen“, erklärte die Stiftung.
Experten des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung und der
Hochschule Coburg hatten für die Studie den jährlichen Einwanderungsbedarf
bis zum Jahr 2060 untersucht. Das Ergebnis: Ohne Zuwanderung würde das
Angebot an Arbeitskräften bis 2060 von aktuell 47 auf 31 Millionen Personen
„massiv schrumpfen“. Dieser Rückgang von 16 Millionen entspricht einem
Anteil von etwa einem Drittel.
Die Forscher warnen: Selbst für den Fall, dass die Geburtenraten stiegen,
die Rente mit 70 eingeführt würde und Frauen und Männer gleich viel
arbeiteten, sei dieser Trend nicht abzuwenden. Eine „in realistischem Maße
steigende Erwerbstätigkeit der Inländer könnte diesen Rückgang nur etwas
abbremsen – um 1,8 Millionen Personen bezogen auf das Jahr 2060“, heißt es
in der Studie.
Wegen der sich verbessernden wirtschaftlichen Lage in anderen EU-Staaten
sei davon auszugehen, dass die Zuwanderung von dort künftig zurückgehen
werde, auf 114.000 Personen im Jahresdurchschnitt. Um den Bedarf von
260.000 Arbeitskräften zu erfüllen, werde Zuwanderung aus Drittstaaten
deswegen noch wichtiger, der Bedarf liege im Jahresdurchschnitt bei etwa
146.000 Personen.
## Attraktive Integrationsangebote nötig
„Migration ist ein zentraler Schlüssel zu einer gelingenden Zukunft“, sagte
Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann-Stiftung. „Deutschland braucht
Fachkräfte – auch aus Regionen außerhalb Europas.“ Gerade aus dieser Gruppe
wanderten heute aber noch viel zu wenige Fachkräfte ein, sagte Dräger. 2017
waren es gerade mal 38.000.
Dräger drängte auf eine schnelle Verabschiedung des von der Bundesregierung
geplanten Fachkräfteeinwanderungsgesetzes, das die Zuwanderung für Menschen
mit einer qualifizierten Berufsausbildung erleichtern soll. Das sei aber
nicht genug: „Migration und Integration sind eine gesamtgesellschaftliche
Aufgabe“, sagte Dräger. Ein neues Gesetz alleine reiche nicht. Ohne eine
anhaltende Willkommenskultur und attraktive Integrationsangebote werde der
Fachkräftemangel nicht ausgeglichen werden können.
Damit sich „bei potenziellen Migranten“ überhaupt „eine Migrationsintention
in Richtung Deutschland entfalten kann, empfehle sich ein
Einwanderungsgesetz „aus einem Guss“, heißt es in der Studie. Die
gegenwärtige Vielzahl an Regelungen schrecke Migrant*innen „eher ab“. Auch
könnte ein weiterer Ansatzpunkt sein, durch verstärkte
Integrationsbemühungen die Zahl der Fortzüge zu senken, indem man die
„Bleibeneigung“ von Migrant*innen erhöhe.
## Kritik am Kurs der Bundesregierung
Eine solche offensiv kommunizierte Willkommenskultur seitens der
Bundesregierung ist allerdings in nächster Zeit kaum zu erwarten. Schon als
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) den [2][Entwurf für das
Fachkräfteeinwanderungsgesetz] vorgestellt hatte, kritisierten
Expert*innen, dass es neben den Erleichterungen zu viele Restriktionen
enthalte und deswegen widersprüchlich sei.
Einerseits ermögliche es mehr Zuwanderung, sagte etwa der
Rechtswissenschaftler Thomas Groß, Professor an der Universität Osnabrück
und Mitglied im Rat für Migration. Aber die Einschränkungen und Bedenken
seien „so deutlich, dass dieser Entwurf allenfalls halbherzig ist“.
Und auch die jüngsten Äußerungen aus der Union lassen nicht gerade auf
Vorfreude in Sachen Migration schließen. Ein [3][„Migrations-Monitoring“
wolle man einführen], hatte CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer erst am
Montag nach einem zweitägigen „Werkstattgespräch“ ihrer Partei zu den
Themen Migration, Sicherheit und Integration erklärt.
Dieses Monitoring solle Flucht-, aber auch Migrationsbewegungen
observieren. Man wolle so ein „Frühwarnsystem“ für Migrationsbewegungen und
Krisen aufbauen, hatte Kramp-Karrenbauer gesagt. Das Bundesinnenministerium
arbeitet derweil an einem Gesetz, um Abschiebungen noch weiter zu
verschärfen. „Diese Bundesregierung steht für Schlagbaumphantasien und viel
Symbolpolitik“ kritisierte Filiz Polat, migrationspolitische Sprecherin der
Grünen Bundestagsfraktion.
12 Feb 2019
## LINKS
DIR [1] https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/themen/aktuelle-meldungen/2019/februar/deutscher-arbeitsmarkt-auf-aussereuropaeische-zuwanderung-angewiesen/
DIR [2] /Kritik-am-Fachkraefteeinwanderungsgesetz/!5557901
DIR [3] /Kommentar-AKK-und-Fluechtlingspolitik/!5572712
## AUTOREN
DIR Dinah Riese
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