# taz.de -- Deutscher Völkermord in Namibia: Keine Chance auf Entschädigung
> Ein Gericht im US-Bundesstaat New York weist die Klage von VertreterInnen
> der Herero und Nama ab. Die Führung der Herero kündigt Berufung an.
IMG Bild: Sarafina Nbaimbaind lebt in Okahandja in der Nähe von Windhoek und gehört den Herero an. Sie trägt deren traditionelle Kopfbedeckung
Berlin taz | Ein Gericht in New York hat am Mittwoch (Ortszeit) die Klage
von VertreterInnen der Herero und Nama gegen Deutschland abgewiesen. Die
KlägerInnen wollten Entschädigungszahlungen für den Völkermord und Landraub
während der Kolonialzeit im heutigen Namibia erstreiten. Deutschland sei
aus Gründen der völkerrechtlichen Staatenimmunität in diesem Fall nicht zu
belangen, begründete Richterin Laura Taylor Swain. Nach diesem Prinzip
haben Gerichte eines Staates grundsätzlich nicht über das Handeln eines
anderen Staates zu urteilen.
Die Gräueltaten der deutschen Kolonialtruppen an Angehörigen der Herero und
Nama im einstigen Deutsch-Südwestafrika bezeichnen HistorikerInnen als den
ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts. Die Kolonialmacht des deutschen
Kaiserreichs schlug Aufstände der Volksgruppen brutal nieder und tötete so
zwischen 1904 und 1908 etwa 65.000 Herero und mindestens 10.000 Nama.
Seit 2005 bezeichnet die Bundesregierung die Verbrechen zwar auch offiziell
als Völkermord. Entschädigungszahlungen lehnt sie aber ab. Seit 2014
verhandelt die Bundesregierung mit der Regierung in Windhuk über eine
Versöhnungserklärung.
Die KlägerInnen hatten in New York damit argumentiert, dass aufgrund von
deutschen „geschäftlichen Aktivitäten“ in diesem Fall eine Ausnahme vom
Prinzip der Staatenimmunität greife. Konkret seien Einnahmen aus dem
Landraub für den Kauf von vier Immobilien in New York verwendet worden –
eines dieser Gebäude beherbergt heute den Sitz der deutschen UN-Vertretung
und eines Generalkonsulats der Bundesrepublik. Außerdem seien Schädel und
andere Überreste von Vorfahren der KlägerInnen nach dem Jahr 1924 an das
Amerikanische Naturkundemuseum in New York verkauft worden, hieß es weiter.
## Grundlegende Fehler
Richterin Swain allerdings sah dies nicht als gegeben an. Die Ausnahmen von
der Staatenimmunität seien eng umrissen, die Verteidigung der Herero und
Nama interpretiere diese zu weit. Deshalb gab sie dem Antrag der
Bundesregierung statt, die Klage zu verwerfen.
Die traditionelle Führung der Herero kündigte am Donnerstag an, in Berufung
gehen zu wollen. Die Richterin habe in der Einschätzung der Zuständigkeit
„grundlegende Fehler“ gemacht, die bei einem neuen Verfahren sicherlich
korrigiert würden, hieß es.
„Das ist nur ein zeitlich begrenzter Rückschlag auf unserem Weg und in
keiner Weise das Ende des Kampfes“, erklärte die Volksgruppe. „Wir haben
eine Schlacht verloren, aber der Krieg geht weiter und wir sind
zuversichtlich, dass wir am Ende siegen werden.“
Die Debatte um eine Wiedergutmachung wird die richterliche Entscheidung
aber auch in der Bundesrepublik kaum beenden. „Jetzt muss Deutschland sich
endlich rechtlich sowie politisch dem Genozid an Herero und Nama in Namibia
stellen“, schrieb die Menschenrechtsorganisation ECCHR in Berlin am
Donnerstag auf Twitter. Sie forderte: Die Bundesregierung „muss den Genozid
anerkennen, sich offiziell entschuldigen & Reparationen auf den Weg
bringen“.
In der Diskussion stehen auch die vielen Museumsstücke, die in
Kolonialzeiten aus afrikanischen Ländern geraubt wurden. Einen ersten
Schritt tat kürzlich Baden-Württemberg und gab im Februar eine aus Namibia
geraubte Peitsche und Bibel zurück. (mit dpa, rtr)
7 Mar 2019
## AUTOREN
DIR Eva Oer
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