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       # taz.de -- Streit um Anti-Rassismus-Klausel: Oberhausen macht weiter Theater
       
       > Das Kollektiv Technocandy wollte eine Anti-Rassismus-Klausel im Vertrag.
       > Jetzt wird immerhin über Rassismus geredet – nur nicht miteinander.
       
   IMG Bild: Das Theaterkollektiv „Technocandy“ bei der vertragslosen Arbeit in Oberhausen
       
       Ein taz-[1][Interview] mit dem Theaterkollektiv Technocandy hat das Theater
       Oberhausen in eine Krise gestürzt. Seit Tagen diskutieren Vertreter*innen
       des Hauses und der Stadt über die Anti-Rassismus-Klausel, die Regisseurin
       Julia Wissert und die Juristin und Dramaturgin Sonja Laaser erdacht haben.
       
       Die Vertragsklausel, sagt in dem Interview Kollektivmitglied Frederik
       Müller, solle einen Umgang bieten, wenn in der Produktionszeit rassistische
       Vorfälle passierten. Wenn so etwas geschehe, müsse das Haus reagieren und
       einen Workshop oder eine andere Art von Intervention folgen lassen. Bleibe
       diese Intervention aus, habe die Regie das Recht, die Produktion platzen zu
       lassen, ohne Schadenersatz zu zahlen.
       
       Der Konflikt über diese Klausel hat sich so weit zugespitzt, dass es nach
       der Premiere von Technocandys Stück „Schaffen“ am vergangenen Freitag –
       ohne Vertragsunterzeichnung – minutenlange Buhrufe eines Ensemblemitglieds
       gab, und Intendant [2][Florian Fiedler] sich im Deutschlandfunk öffentlich
       für die Klausel aussprach. Damit stellte er sich gegen seinen
       Verwaltungsleiter Jürgen Hennemann.
       
       Apostolos Tsalastras weiß, wie struktureller Rassismus aussehen kann. „Ich
       bin seit 15 Jahren in dieser Verwaltung und manche können meinen Namen
       immer noch nicht richtig aussprechen“, sagt der Oberhausener
       Kulturdezernent.
       
       ## In Bochum kein Problem
       
       Dass eine Diskussion um Rassismus jetzt mit dem Stadttheater eine
       Institution aus seinem Wirkungskreis betrifft, wurmt ihn trotzdem: „Das
       Thema ist bei uns eigentlich ganz oben. Wir erstellen gerade mit allen
       Kultureinrichtungen Handlungskonzepte, um mehr Diversität zu erreichen.“
       Eine Anti-Rassismus-Klausel in Theater-Verträgen findet er trotzdem
       „problematisch“: „Ich glaube, Selbstverpflichtungen greifen besser, als
       wenn man hinterher vor Gericht ziehen muss, um zu klären, ob man es mit
       einem rassistischen Vorfall zu tun hat oder nicht.“
       
       Nach Julia Wissert solle die Klausel gerade kein Anlass für
       Gerichtsverfahren sein oder einzelne Personen an den Rassismus-Pranger
       stellen. „Wir wollten ein Werkzeug schaffen, das Einladung zum Dialog ist“,
       sagt Wissert. Die Regisseurin, die Schwarz ist, hat in ihrem Berufsleben
       eine Menge Erfahrungen mit strukturellem Rassismus gemacht. „Rassismus
       heißt eben nicht nur, dass Skinheads Schwarze auf der Straße
       zusammenschlagen, sondern bedeutet auch, dass Zugänge verwehrt werden, dass
       eine Person wie ich praktisch jeden Tag ‚geothered‘ wird.“
       
       Deshalb hat sie gemeinsam mit Sonja Laaser die Klausel erfunden – „auch um
       einen Weg zu finden, meinen Körper und meine Psyche zu schützen.“ Sie
       greift, wenn eine an einer Produktion beteiligte Person sich von einer
       Äußerung durch Mitarbeitende betroffen fühlt, die einen Bezug zu der in der
       Klausel klar beschriebenen Definition von Rassismus hat.
       
       Bei Produktionen von Julia Wissert haben zum Beispiel das Schauspielhaus
       Bochum oder das Staatstheaters Hannover die Klausel akzeptiert. Der
       Betriebsrat eines Hauses kam sogar auf sie zu, weil er gern einen ähnlichen
       Passus in die Verträge aller Mitarbeiter*innen aufnehmen würde. „Die
       Klausel führt dazu, dass die Rolle, über strukturellen Rassismus
       aufzuklären, nicht nur den Betroffenen zukommt, sondern dass dieser Punkt
       nun bei den Institutionen liegt“, sagt Wissert.
       
       Wer welche Karte zieht 
       
       Am Theater Oberhausen bleibt die Verwaltung bei der Ablehnung: „Eine solche
       Klausel benachteiligt einen Partner unangemessen“ – nämlich das Theater.
       Der freie Vertragspartner könnte jederzeit „die Rassismus-Karte ziehen“,
       lässt sich Verwaltungsleiter Jürgen Hennemann in der [3][WAZ ] zitieren.
       
       Florian Fiedler sagte dagegen im Deutschlandfunk: „Ist man bereit,
       anzuerkennen, dass unsere Gesellschaft an sich – und nicht einzelne Theater
       – strukturell rassistisch ist aufgrund der Geschichte, die wir haben? Und
       wenn man bereit ist, das anzuerkennen, dann kann so eine Klausel natürlich
       auch helfen als Zeichen dafür, dass man bereit ist, sich damit
       auseinanderzusetzen.“
       
       Kulturdezernent Tsalastras ist zwar optimistisch, den Streit im Haus wieder
       zu befrieden. Daran, dass die Gruppe Technocandy noch einen Vertrag
       inklusive Anti-Rassismus-Klausel bekommt, glaubt er jedoch nicht: „Da will
       keiner das Gesicht verlieren und wir werden für wahrscheinlich auf
       Grundlage der mündlichen Vereinbarung weiter zusammenarbeiten.“
       
       14 Feb 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Theaterkollektiv-ueber-Rassismusklausel/!5568765
   DIR [2] https://www.deutschlandfunkkultur.de/oberhausener-intendant-ueber-anti-rassismus-klausel-unsere.2156.de.html?dram%3Aarticle_id=440588
   DIR [3] https://www.waz.de/staedte/oberhausen/farce-um-vertrags-klausel-fuer-freies-trio-technocandy-id216416671.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Max Florian Kühlem​
       
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