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       # taz.de -- Inklusion bei Eintracht Frankfurt: Barrierefrei auch in der Kurve
       
       > Eintracht Frankfurt hat einen Abholdienst für Fans im Rollstuhl
       > eingerichtet. Was Barrierefreiheit angeht, ist der Klub vorbildlich.
       
   IMG Bild: Sehr sinnvoll, so ein Abholdienst für Fans im Rollstuhl: Eintracht-Fans auf der Rückreise von einem Auswärtsspiel im Jahr 2016
       
       Frankfurt/Main taz | Zehntausende Menschen strömen durch die Gänge rund um
       die Frankfurter Arena, stimmen sich bei Bier und Bratwurst ein, besingen
       ihre Vereine. Die Sonne strahlt, der Himmel ist nahezu wolkenlos. Inmitten
       des großen Trubels sitzt Clemens Schäfer und begrüßt eintreffende Fans. Die
       anfängliche Nervosität des Behindertenfanbeauftragten ist einem gelösten
       Lächeln gewichen.
       
       Für die Frankfurter Eintracht ist es ein ganz besonderer Spieltag gegen
       Borussia Mönchengladbach, denn erstmals werden Fans im Rollstuhl kostenlos
       von zu Hause abgeholt, ins Stadion gebracht und nach dem Spiel nach Hause
       gefahren. Es ist die Premiere einer Dienstleistung, die nun bei jedem
       Heimspiel angeboten werden soll – auch am Samstag, [1][wenn die TSG
       Hoffenheim zu Gast ist].
       
       Kurz vor 15 Uhr sind fast alle Fahrten angekommen, Schäfer lächelt
       zufrieden. „Fahrdienst läuft!“, kommentiert er. Der 62-Jährige kümmert sich
       seit zwölf Jahren als Behindertenfanbeauftragter von Eintracht Frankfurt um
       Fans mit körperlichen Einschränkungen. 110 Fans im Rollstuhl sind bei jedem
       Spiel da. Für sehbehinderte Menschen bietet die Fanbetreuung einen
       Audiokommentar an. Der Fahrdienst, eine Kooperation mit dem Fahrservice
       „Köhler Transfer“, ist bundesweit einmalig. Zum Auftakt haben haben ihn 30
       Eintrachtfans wahrgenommen.
       
       „Wir haben einen Riesenbedarf an Rollstuhlplätzen“, sagt Schäfer. 110
       Plätze gibt es im Stadion, Die seien immer belegt. Rund 240 Interessenten
       listet der Verein. Die Plätze sind über den gesamten Unterrang verteilt,
       Begleitpersonen sitzen direkt neben den Rollstuhlfahrer_innen. „Frankfurt
       bietet schon wirklich viel“, meint Alexander Friebel. Der Vorsitzende der
       Bundesbehindertenfan-Arbeitsgemeinschaft BBAG nennt den Fahrservice der
       Eintracht „in dieser Form sicherlich einmalig“.
       
       ## Rollatorparkplätze in Probe
       
       Die Stadien in der ersten und zweiten Bundesliga bieten insgesamt 4.940
       ausgewiesene Plätze für Fans mit Behinderung, darunter 2.590 Plätze für
       Rollstuhlfahrer_innen. Unter „Barrierefrei ins Stadion“ bietet die
       Stiftung der Deutschen Fußball Liga (DFL) [2][einen
       „Bundesliga-Reiseführer“] mit Informationen zur Anfahrt, listet
       Ansprechpersonen auf und unterstützt mit Audio-Guides und Texten in
       leichter Sprache die Planung des Stadionbesuchs. Vorgaben der DFL sowie der
       Fußballverbände verpflichten mittlerweile zu baulichen und personellen
       Maßnahmen. Friebel sieht die Bundesliga im europaweiten Vergleich dabei
       vorne.
       
       So könnten die Bundesligastadien durchaus mit der englischen Premier
       League mithalten, die in Sachen Barrierefreiheit eine Vorreiterrolle
       einnimmt. So bietet der FC Arsenal seit 2017 Kindern mit Autismus
       lärmgeschützte Räume mit beruhigendem Licht und alternativen
       Spielmöglichkeiten. Mehrere englische Klubs haben schon nachgezogen. Auch
       an die älter werdende Gesellschaft müsse die Bundesliga denken, betont
       Friebel und verweist auf Rollatorparkplätze, wie sie Bayer Leverkusen
       erprobe.
       
       Große Hoffnungen legen sowohl die BBAG als auch die Frankfurter
       Behindertenfanbetreuung in die Männer-EM 2024 in Deutschland. Das Turnier
       biete die Chance, Stadien umzubauen, neue barrierefreie Angebote zu
       schaffen. Schäfer sieht selbst durch geringe Umbaumaßnahmen die Möglichkeit
       zur Verdopplung der Rollstuhlplätze in Frankfurt.
       
       ## „Gelebte Inklusion“
       
       Beim Spiel gegen Mönchengladbach ist die Sehbehindertentribüne bis auf den
       letzten Platz gefüllt. Mehrere Reporter_innen kommentieren das Spiel,
       Fans können den Kommentar mit bildlichen Eindrücken und einer speziellen
       Einordnung des Spielgeschehens per Headset verfolgen. So werden Aktionen
       des Frankfurter Torwarts nicht nur erläutert und gelobt, sondern es wird
       auch von dessen strahlend gelbem Trikot berichtet. Als die Gladbacher
       Gästefans unmittelbar vor dem Anpfiff Pyrotechnik zünden, gibt es einen
       kleinen Hinweis, dass es „gleich etwas verbrannt“ riechen könnte.
       
       Während man sich auf der Pressetribüne gegenüber in sportlicher Neutralität
       dem Spielgeschehen widmet, sind die Sehbehindertenreporter_innen in
       Vereinsfarben gehüllt, jubeln beim Treffer ihrer Mannschaft, leiden beim
       Gegentor – und verdrücken in ihren Pausen genüsslich die obligatorische
       Stadionwurst. Unterstützung von Fans für Fans, die auch Friebel wichtig
       ist, denn „gelebte Inklusion“ bedeute, dass „alle zusammen das
       Fußballgefühl ausleben können und ein Teil davon sind“.
       
       Ein respektvoller Umgang gegenüber Fans mit Behinderung sei mittlerweile
       weitestgehend Konsens, meint Friebel. So seien Berichte über feindliche
       oder diskriminierende Äußerungen selten geworden und der Umgang vor allem
       von Unterstützung geprägt. Das betont auch Schäfer, während er sich mühsam
       durch eine große Gruppe Gästefans drängelt. Der Umweg ist leider nicht zu
       vermeiden, weil nicht jeder Weg im Stadion barrierefrei ist. Es gibt also
       auch in Frankfurt noch zu tun.
       
       1 Mar 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.kicker.de/news/fussball/bundesliga/spieltag/1-bundesliga/2018-19/24/4243475/spielvorschau_eintracht-frankfurt-32_1899-hoffenheim-3209.html
   DIR [2] https://www.dfl-stiftung.de/bundesliga-reisefuehrer/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Kevin Culina
       
       ## TAGS
       
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   DIR Martin Hinteregger
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