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       # taz.de -- Arbeitnehmer bei Bio-Kette Alnatura: Betriebsräte werden abgeblockt
       
       > Von den 133 Filialen des Bio-Discounters verfügt nur eine über eine
       > Arbeitnehmervertretung. Immer wieder wehrt sich die Firma gegen
       > Mitbestimmung.
       
   IMG Bild: Was genau ist „Super Natur“?
       
       Bremen taz | Im Bio-Sektor ist Alnatura mit 133 Filialen bundesweit ein
       Branchenriese. Beim Thema betriebliche Mitbestimmung ist das Unternehmen
       dagegen ein kleines Licht: Nur eine einzige der 133 Filialen bundesweit
       besitzt einen Betriebsrat. Das wollten Alnatura-Angestellte in Bremen
       bereits vor fast dreieinhalb Jahren ändern, aber bis heute fand dort keine
       Betriebsratswahl statt. Der Fall ging von der Weser bis vor das
       Bundesarbeitsgericht in Erfurt. Dort verwies man ihn unlängst zurück an das
       Landesarbeitsgericht Bremen. Bis es dort einen Termin gibt, dürften erneut
       viele Monate ins Land gehen.
       
       „Mit taktischen Spielchen“ soll Alnatura im Oktober 2015 die Wahl eines
       Wahlvorstandes in der Bremer Filiale in der Faulenstraße [1][verhindert
       haben], sagt die damals noch dort angestellte Kai Wargalla. Denn
       unmittelbar vor der Wahl habe die Filialleitung, die in
       Mitarbeitergesprächen stets ihren Unmut über die geplante Betriebsratswahl
       geäußert habe, plötzlich selbst drei zusätzliche KandidatInnen aufgestellt.
       Aufgrund der Vielzahl an KandidatInnen erhielt bei der Wahl niemand die
       erforderliche einfache Mehrheit.
       
       Also beantragte die Gewerkschaft Verdi als Vertreterin von fünf
       Alnatura-MitarbeiterInnen beim Arbeitsgericht Bremen den Einsatz eines
       Wahlvorstandes. Das ist nicht ungewöhnlich – und so im
       Betriebsverfassungsgesetz verankert, um die eigentliche Wahl des
       Betriebsrats nicht zu gefährden.
       
       Alnatura freilich gab nicht viel auf das Gesetz: Das Unternehmen legte
       Beschwerde gegen den vom Gericht bestellten Wahlvorstand ein – und ließ
       sich damit Zeit bis zum Ende der einmonatigen Frist. Zur Begründung der
       Beschwerde forderte der Bio-Konzern aus dem hessischen Darmstadt noch
       einmal eine Fristverlängerung. Und als schließlich auch das
       Landesarbeitsgericht die Einsetzung eines Wahlvorstands bestätigte, legte
       Alnatura sogar eine Nichtzulassungsbeschwerde vor dem Bundesarbeitsgericht
       ein.
       
       ## Aufgestockt mit LeiharbeiterInnen
       
       Auch in der Bremer Filiale blieb Alnatura nicht untätig und reduzierte die
       Anzahl der Angestellten auf 20, angeblich aus [2][betriebswirtschaftlichen
       Gründen]. Für Kai Wargalla, deren befristeter Vertrag nicht verlängert
       wurde, steht indes fest: „Bei einer Mitarbeiterzahl bis 20 besteht nur das
       Recht auf einen einköpfigen Betriebsrat – deswegen wurden die Stellen
       reduziert.“ Und schnell wieder aufgestockt, allerdings mit
       LeiharbeiterInnen.
       
       In der vorletzten Woche wurde die Nichtzulassungsbeschwerde Alnaturas vor
       dem Bundesarbeitsgericht verhandelt – und auch hier bekam das Unternehmen
       erwartungsgemäß kein Recht. Ein Grund zum Jubeln sei das dennoch nicht,
       sagt Sandra Schmidt von Verdi Bremen. Denn der Fall wurde nicht
       abgeschlossen, sondern lediglich an das Bremer Arbeitsgericht
       zurückverweisen, unter anderem deswegen, weil drei Mitglieder des
       eingesetzten Wahlvorstands mittlerweile nicht mehr in der Filiale arbeiten.
       Schmidt ist sich sicher: Wäre ein Urteil gegen Alnatura ergangen, hätte das
       Unternehmen dennoch nicht lockergelassen: „Die haben für diesen Fall mit
       einer Verfassungsklage gedroht“, sagt sie.
       
       Denn für Alnatura ist das Einsetzen eines Wahlvorstandes ohne einen zweiten
       Wahlgang undemokratisch, heißt es in einer [3][öffentlichen Stellungnahme
       des Unternehmens.] Auf Anfrage der taz sagte eine Unternehmenssprecherin,
       der größte Teil der Mitarbeitenden in der Bremer Filiale sei ohnehin gegen
       einen Betriebsrat. Denn in Firmen, in denen „die Mitgestaltung der
       Mitarbeiter ein wesentlicher Bestandteil des Arbeitslebens“ sei, entstehe
       „eher selten das Bedürfnis nach einem Betriebsrat“. Grundsätzlich stehe man
       dem Wunsch nach einer Wahl aber „natürlich nicht entgegen“.
       
       ## „Keine Lust mehr auf diese Auseinandersetzungen“
       
       Der wird allerdings immer kleiner, je mehr Zeit vergeht: „Die Leute, die
       noch in der Faulenstraße arbeiten, haben mittlerweile keine Lust mehr auf
       diese Auseinandersetzungen“, sagt Wargalla. Auch Sandra Schmidts Prognosen
       sind eher verhalten: „Wir werden jetzt im Betrieb schauen, wie wir den
       Beschluss des Bundesarbeitsgerichts für uns nutzen können, aber wenn da nur
       noch zwei Angestellte sind, die sich für einen Betriebsrat einsetzen
       wollen, bringt’s das natürlich nicht.“
       
       Vor fast neun Jahren hat die Alnatura-Filiale in der Freiburger
       Kaiser-Joseph-Straße einen Betriebsrat gewählt – den noch immer einzigen
       bei Alnatura. Käme ein zweiter hinzu, könnte ein Gesamtbetriebsrat für
       sämtliche Beschäftigten des anthroposophisch orientierten Unternehmens
       eingerichtet werden. Danach sieht es aber vorerst nicht aus.
       
       4 Mar 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /!5279554/
   DIR [2] /!5310682/
   DIR [3] https://www.alnatura.de/de-de/magazin/alnatura-aktuell/archiv-2016/stellungnahme-betriebsrat-situation-bremen
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Simone Schnase
       
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