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       # taz.de -- US-Zeitung wegen Rufmords verklagt: „Washington Post“ in der Defensive
       
       > Die Eltern eines 16-Jährigen aus Kentucky verklagen die „Washington Post“
       > wegen Verleumdung. Sie verlangen 250 Millionen US-Dollar Schadensersatz.
       
   IMG Bild: Klare Aggression des Jugendlichen? Das wollten viele in diesem Bild sehen – die Wahrheit sah anders aus
       
       Berlin taz | Die Familie eines Jugendlichen aus Kentucky verklagt die
       US-Tageszeitung Washington Post wegen Verleumdung und Rufmords. Die Anwälte
       verlangen 250 Millionen US-Dollar als Schadensersatz – weil dies dem Betrag
       entspreche, den Amazon-Chef Jeff Bezos 2013 bezahlte, als sein Unternehmen
       Nash Holdings die Zeitung kaufte, [1][so die Anklageschrift]. Die Anklage
       ist berechtigt – aber sie ist auch sehr politisch.
       
       Über den 16-jährigen Nicholas Sandmann wurde Mitte Januar in verschiedenen
       Medien berichtet, nachdem ein Video von einer Konfrontation zwischen ihm
       und dem 64-jährigen Aktivisten Nathan Phillips [2][veröffentlicht wurde].
       Phillips ist Angehöriger der Omaha-Nation und nahm am 18. Januar am
       „Indigenous Peoples March“, einer Demonstration indigener Gruppen in den
       USA, in Washington D.C. teil. Sandmann war am gleichen Tag im Rahmen eines
       Schulausflugs gemeinsam mit Mitschüler*innen der Covington Catholic High
       School beim „March for Life“ in der Stadt mitgelaufen, der sich gegen
       Schwangerschaftsabbrüche richtete.
       
       [3][In dem einminütigen Video] sieht man Sandmann, der Phillips etwas
       verunsichert lächelnd gegenübersteht, während dieser auf einer Trommel
       spielt und ein Lied singt. Sandmann trägt ein rotes Baseballcap mit der
       Aufschrift „Make America Great Again“ (MAGA), um die beiden herum stehen
       viele weitere Jugendliche mit Kleidung, die Trump-Schriftzüge aufweist.
       Viele deuteten das kurze Video als Arroganz von Trump-Wähler*innen
       gegenüber den Ureinwohner*innen der USA. So auch die Washington Post. Die
       Zeitung ließ [4][Phillips zu Wort kommen], der dem Jugendlichen vorwarf,
       sich ihm in den Weg gestellt zu haben.
       
       In den folgenden Tagen wurden [5][weitere Videos] von dem Vorfall
       veröffentlicht und es wurde klar: Die Situation war etwas anders, als das
       kurze Video vermuten ließ. Tatsächlich trafen drei Gruppen an den Stufen
       des Lincoln Memorials aufeinander – die High-School-Schüler*innen, die
       Teilnehmer*innen des „Indigenous Peoples March“ und eine kleine Gruppe der
       „Black Hebrew Israelites“, Afroamerikaner*innen, die für sich beanspruchen,
       Nachkommen der antiken Israeliten zu sein. Die „Black Hebrew Israelites“
       provozierten die beiden anderen Gruppen und forderten sie auf, in den
       „Löwenkäfig“ zu kommen, „statt sich dort drüben lustigzumachen“.
       
       ## Politische Wortwahl in der Anklageschrift
       
       Am 21. Januar veröffentlichte die Washington Post [6][ein Video], in dem
       sie sowohl Phillips als auch Sandmann zu Wort kommen ließ. Sandmann habe
       nach der Veröffentlichung des ersten Videos viele Hassnachrichten bekommen,
       erzählt er darin. Am 24. Januar [7][stellte die Zeitung zudem richtig],
       dass Phillips kein Vietnam-Veteran war, wie in vielen Medien berichtet
       wurde, sondern lediglich zur Zeit des Vietnamkriegs als Sprecher der Marine
       Corps Reserve diente.
       
       [8][In der Anklageschrift] wird der Washington Post nun vorgeworfen, die
       „Führung eines Mainstream- und Soziale-Medien-Mobs“ übernommen zu haben,
       der Nicholas Sandmann „attackiert, diffamiert und bedroht“ habe. Die
       Anwält*innen verglichen die Berichterstattung der Washington Post über
       Sandmann sogar mit der McCarthy-Ära der 1950er, in der der damalige
       US-Senator Joseph McCarthy Verschwörungstheorien über eine mögliche
       kommunistische Unterwanderung verbreitete und politische Gegner*innen
       verfolgte.
       
       Ein 16-jähriger Jugendlicher sollte vor öffentlicher Zurschaustellung
       geschützt werden, ungeachtet seiner politischen Überzeugungen. Dennoch
       wollten viele Medien in der Auseinandersetzung zwischen Sandmann und
       Phillips ein Fanal für den sich breitmachenden Trumpismus sehen, bevor
       genauere Umstände bekannt waren. Damit machten sie sich angreifbar – auch
       die Washington Post. Insbesondere in Zeiten, in denen der US-Präsident
       selbst immer wieder Medien bezichtigt, [9][„Fake News“ zu verbreiten], und
       Journalist*innen [10][als „Feinde der Nation“ bezeichnet].
       
       Die Wortwahl in der Anklageschrift ist allerdings alles andere als neutral.
       So steht darin, die Washington Post habe Nicholas Sandmann schaden wollen,
       „weil er ein weißer, katholischer Junge mit einem MAGA-Hut war“, und habe
       bewusst die möglichen Schäden in Kauf genommen, um ihre „politische Agenda“
       zu verfolgen. Die Anwält*innen bezeichnen die Zeitung immer wieder als
       „aggressiven, lauten Mobbing-Täter“. Nathan Phillips wird in der
       Anklageschrift als „falscher Kriegsheld“ dargestellt. Sandmann hingegen ist
       in den Augen der Anwält*innen „ein Junge, der [für die Washington Post] ein
       akzeptables Opfer im Krieg gegen den Präsidenten“ war. Unpolitisch ist das
       nicht.
       
       „Wir prüfen die Anklageschrift und planen eine energische Verteidigung“,
       [11][kündigte eine Sprecherin der Washington Post am Dienstag an]. Das
       könnte eine öffentliche Debatte werden, in der es um viel mehr geht als das
       Patt zwischen Sandmann und Phillips.
       
       20 Feb 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.hemmerlaw.com/blog/for-truth-for-justice-for-nicholas/
   DIR [2] /Virales-Video-von-Demos-in-den-USA/!5564220
   DIR [3] https://www.youtube.com/watch?v=5FogNIr2x40
   DIR [4] https://www.washingtonpost.com/nation/2019/01/20/it-was-getting-ugly-native-american-drummer-speaks-maga-hat-wearing-teens-who-surrounded-him/?utm_term=.d633f34a829f
   DIR [5] https://www.washingtonpost.com/nation/2019/01/20/it-was-getting-ugly-native-american-drummer-speaks-maga-hat-wearing-teens-who-surrounded-him/?utm_term=.d633f34a829f
   DIR [6] https://www.washingtonpost.com/video/national/native-american-elder-nathan-phillips-teen-nick-sandmann-give-versions-of-encounter/2019/01/21/f349ebf6-2574-43d3-a7b5-0e626ba05a0d_video.html?utm_term=.2b8f0a738654
   DIR [7] https://www.washingtonpost.com/national-security/2019/01/23/nathan-phillips-man-standoff-with-covington-teens-faces-scrutiny-his-military-past/?utm_term=.b5ba2807fb88
   DIR [8] http://www.hemmerlaw.com/blog/for-truth-for-justice-for-nicholas/
   DIR [9] /Trump-Hetze-gegen-Medien/!5547314
   DIR [10] /US-Medien-wehren-sich-gegen-Trump/!5528647
   DIR [11] https://www.washingtonpost.com/lifestyle/style/the-washington-post-sued-by-family-of-covington-catholic-teenager/2019/02/19/aa252be4-349c-11e9-854a-7a14d7fec96a_story.html?utm_term=.a1183b80b51f
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Belinda Grasnick
       
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