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       # taz.de -- Digitalpakt verabschiedet: Hausaufgaben für die Länder
       
       > Der Bundestag hat dem Digitalpakt zugestimmt. Doch die eigentliche Arbeit
       > beginnt erst. Die Länder müssen die Lehrer fortbilden.
       
   IMG Bild: Digitale Zukunft? Die insgesamt 5 Milliarden Euro des Digitalpakts sind wohl vor allem Symbolpolitik
       
       Berlin taz | Am Ende ging es dann doch ziemlich schnell. Gerade mal 21
       Minuten [1][brauchte der Vermittlungsausschuss am Mittwochabend], um dem
       Kompromiss zur Grundgesetzänderung zuzustimmen. Damit ist auch endlich der
       Weg frei für den Digitalpakt, über den Schulen mit Laptops, WLAN und
       Lernplattformen ausgestattet werden sollen. Der Bundestag stimmte dem
       Kompromiss am Donnerstag mit der notwendigen Zweidrittelmehrheit zu.
       
       Zuvor hatten Politiker von Bund und Ländern mehr als zwei Jahre miteinander
       gerungen – zuletzt über die verfassungsrechtlichen Grundlagen.
       
       Was lange währte, scheint tatsächlich ganz gut geworden zu sein. Der
       [2][nun gefundene Kompromiss] bekommt jedenfalls von allen Seiten Lob: „Der
       Bund hat sich damit durchgesetzt, dass Finanzmittel zusätzlich gezahlt
       werden müssen, und er hat gewisse Kontrollrechte“, meint etwa der
       digitalpolitische Sprecher der Union, Tankred Schipanski, zur taz. Die
       Länder müssten nun Qualität, Transparenz und Vergleichbarkeit im
       Bildungswesen liefern.
       
       Auch der Koalitionspartner SPD ist zufrieden. „Mit dem Digitalpakt kann der
       Bund nun die Schulen und die Schulträger unmittelbar unterstützen“, sieht
       der bildungspolitische Sprecher der SPD, Oliver Kaczmarek, wesentliche
       Wünsche der SPD umgesetzt. Er wertet den Pakt als Auftakt für mehr
       Kooperation von Bund und Ländern im Bereich Bildung.
       
       ## Nicht nur „Kabel und Beton“ finanzieren
       
       Auch die Opposition ist zufrieden. Die parlamentarische Geschäftsführerin
       der Grünen, Britta Haßelmann, und FDP-Fraktionschef Christian Lindner
       bekundeten gleich nach der Sitzung des Ausschusses in einem gemeinsamen
       Statement ihre Zustimmung. Und sie klopften sich gegenseitig auf die
       Schultern: „Wenn Freie Demokraten und Grüne kooperieren, kann man Gutes
       bewirken“, versuchte Lindner Punkte bei den Grünen zu sammeln.
       
       FDP und Grüne im Bundestag hatten sich zusammen dafür starkgemacht, dass
       der Bund auch Personal und nicht nur „Kabel und Beton“ finanzieren darf.
       Für einen begrenzten Zeitraum ist das nun laut Kompromiss möglich, so
       können etwa mit dem Geld aus dem Digitalpakt auch Systemadministratoren zur
       Wartung der neuen digitalen Infrastruktur befristet angestellt werden.
       
       Im Vermittlungsausschuss hatten Bund und Länder darum gerungen, wie viel
       Einfluss der Bund im Gegenzug für finanzielle Hilfen an die Länder nehmen
       darf. Die vom Bundestag verabschiedete Grundgesetzänderung, wonach die
       Länder Finanzhilfen des Bundes in mindestens gleicher Höhe bezuschussen
       hätten müssen, hatte die Länder so geärgert, dass sie den Gesetzentwurf aus
       dem Bundestag im Bundesrat im Dezember ablehnten.
       
       ## „Natürlich auch ein Stück Symbolpolitik“
       
       Der nun gefundene Kompromiss sieht vor, dass der Bund Finanzhilfen
       „zusätzlich“ zur Verfügung stellt. Welchen Anteil die Länder beitragen,
       wird – wie bereits jetzt üblich – von Fall zu Fall ausgehandelt. Für den
       Digitalpakt gilt beispielsweise, dass der Bund 90 Prozent der Kosten trägt,
       nämlich 5 Milliarden Euro, die Länder steuern 10 Prozent bei.
       Bundesbildungsministerin Anja Karliczek, CDU, würde am liebsten sofort
       loslegen. „Jetzt können wir dafür sorgen, dass digitale Bildung in den
       Schulen ankommt“, meinte sie am Mittwochabend. Mitte März muss aber
       zunächst der Bundesrat zustimmen – ebenfalls mit Zweidrittelmehrheit.
       
       Dass über den Digitalpakt nun mit einem Schlag der beträchtliche Rückstand
       bei der Digitalisierung beseitigt wird, den deutsche Schulen etwa gegenüber
       den schwedischen aufweisen, ist indes nicht zu erwarten. Dazu ist auch die
       im ersten Moment imposante Summe von 5 Milliarden Euro zu gering, die
       wohlgemerkt über einen Zeitraum von fünf Jahren gestreckt wird. Verteilt
       wird das Geld an die Länder nach dem Königsteiner Schlüssel, also nach
       Einwohnerzahl und Finanzkraft.
       
       Thüringen etwa stehen jährlich 27 Millionen Euro Digitalpaktgelder zu – bei
       einem Bildungsetat von 1,6 Milliarden Euro sind das nicht mal 2 Prozent.
       „Natürlich ist der Digitalpakt auch ein Stück Symbolpolitik“, sagt
       Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow der taz. Aber er sei ein gutes
       Symbol und nehme die Länder in die Pflicht. „Wir werden uns anstrengen
       müssen, dass wir in den nächsten Jahren noch wesentlich mehr Geld
       drauflegen.“
       
       ## 80 Prozent der Lehrkräfte für digitale Fortbildung
       
       Aber damit erschöpft sich die Verantwortung der Länder nicht. Diese müssen
       unter anderem dafür sorgen, „dass die Qualifizierung des Lehrpersonals
       entsprechend den Anforderungen des Digitalpakts sichergestellt ist“. So
       steht es im Entwurf der Verwaltungsvereinbarung zum Digitalpakt zwischen
       Bund und Ländern, die unterschriftsreif vorliegt.
       
       Und im Fach „Qualifizierung“ erwartet die Länder ein Berg von Hausaufgaben
       wie Fachleute voraussagen. „Die größte Herausforderung ist nun die Fort-
       und Weiterbildung der Lehrkräfte“, sagt etwa Birgit Eickelmann von der
       Universität Paderborn. Die Professorin für Schulpädagogik forscht seit
       Jahren zur Medienkompetenz von Lehrerinnen und Lehrern. Sie betreut den
       deutschen Teil der internationalen Vergleichsstudie International Computer
       and Information Literacy Study, ICLIS, die den Einsatz digitaler Medien an
       Schulen untersucht.
       
       Was sie beobachtet: Rund 80 Prozent der Lehrkräfte wünschen sich eine
       Fortbildung, wie sie digitale Medien im Unterricht einsetzen. Doch nur eine
       Minderheit belege tatsächlich einen entsprechenden Kurs. Was, so
       Eickelmann, auch daran liege dass es schlicht nicht genügend Angebote gebe:
       „Im internationalen Vergleich ist Deutschland da Schlusslicht.“ Eickelmann
       warnt davor, die Schulen nur mit IT-Geräten auszustatten, aber
       medienpädagogisch nicht ausreichend zu begleiten.
       
       Eine bundesweite Bestandsaufnahme zur Lehrerfortbildung, die der einstige
       Hamburger Schulrat Peter Daschner im Herbst 2018 veröffentlichte bestätigt
       Eickelmanns Befürchtungen: Die Bundesländer haben das Thema
       Lehrerfortbildungen in den vergangenen Jahren stiefmütterlich behandelt.
       Während die Länder ihre Ausgaben für Schulen von 2002 bis 2015 um ein
       Drittel erhöhten, sanken die Ausgaben für Fortbildungen laut Daschners
       Studie im gleichen Zeitraum um 10 Prozent. „Es gibt Fortbildungen im
       Digitalen, aber nicht in dem Maße, wie man es braucht“, sagt Daschner. Und
       es fehle an passenden Angeboten.
       
       ## Schlüsselkompetenz „Digitales Lernen“
       
       Eine rühmliche Ausnahme bei der digitalen Fortbildung bildet Hessen. Seit
       2013 – so früh wie in keinem anderen Bundesland – können sich Grundschulen
       zu sogenannten „Internet-Abc-Schulen“ qualifizieren lassen. Dafür hat die
       hessische Landesmedienanstalt für privaten Rundfunk im Auftrag des
       Kultusministeriums ein mehrstufiges Konzept erarbeitet: Zunächst nehmen
       mindestens zwei Lehrkräfte einer Schule an einem zweitägigem Seminar teil.
       Dort werden die Module besprochen, die sie später im Unterricht mit den
       Dritt- und Viertklässlern durchnehmen sollen: Wie funktioniert das
       Internet? Wie recherchiert man im Netz? Welche Gefahren lauern dort?
       Zusätzlich muss die Schule einen Elternabend zum Projekt durchführen und
       die Eltern einbinden.
       
       Die SchulleiterInnen müssen außerdem schriftlich erklären, dass sie
       digitales Lernen neben Schreiben, Rechnen und Lesen als vierte
       „Schlüsselkompetenz“ anerkennen. „Dass wir die Schulleiter zu diesem
       Selbstverständnis verpflichten, ist ein wichtiger Bestandteil für den
       digitalen Wandel“, sagt Sandra Bischoff, die das Projekt bei der
       Landesmedienanstalt Hessen leitet.
       
       Mittlerweile können sich 413 Grund- und Förderschulen
       „Internet-Abc-Schulen“ nennen. 102 weitere Schulen kommen in diesem
       Schuljahr dazu. „Damit sind fast die Hälfte der hessischen Grundschulen
       qualifiziert“. Ähnliche Qualifizierungen für Grundschulen gibt es laut
       Bischoff auch im Saarland, Bremen, Nordrhein-Westfalen, Hamburg und
       Thüringen. „So weit wie wir ist aber niemand“, ist sie sich sicher.
       
       Dennoch erkennt Bischoff auch in Hessen noch dringenden Handlungsbedarf:
       „Bei der technischen Ausstattung sind die Grundschulen noch längst nicht
       auf dem Stand.“ Da, so hofft sie, kommen mit dem Digitalpakt endlich
       technische Geräte und schnelles Internet an die Schulen. Einen großen Malus
       gibt es auch in Hessen, wie Bischoff einräumt: „Bisher melden sich die
       Schulen nur dann bei uns, wenn sie Interesse an der Fortbildung haben.“
       
       Das ist in den meisten Bundesländern so. Zwar sind LehrerInnen in allen
       Bundesländern gesetzlich verpflichtet sich fortzubilden, doch nur Bayern,
       Bremen und Hamburg haben diese Verpflichtung konkretisiert. Und so lautet
       ein weiterer Befund aus Daschners Studie: Ob und wie LehrerInnen ihre
       Fortbildungspflicht wahrnehmen bleibt, meist Privatsache.
       
       Die Länder müssen also noch viel Stoff nacharbeiten. Bischoff von der
       Landesmedienanstalt Hessen meint daher: Selbst wenn das Ministerium die
       Schulen nun zu Fortbildungen verpflichten würde, dürfte es noch „viele
       Jahre“ dauern, bis ein Großteil der Lehrkräfte im Land wirklich fit für den
       digitalen Unterricht sind.
       
       21 Feb 2019
       
       ## LINKS
       
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