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       # taz.de -- Obdachlosenunterkünfte in Hannover: Etwas Privatsphäre
       
       > Hannovers Ratsparteien haben einstimmig bessere Standards für die
       > Unterbringung obdachloser Menschen beschlossen.
       
   IMG Bild: Drinnen ist es wenigstens hell: Eingang zu einer Obdachlosenunterkunft
       
       Hamburg taz | Hannovers Stadtrat will einen Mindeststandard für
       Obdachlosenunterkünfte einführen, um diese attraktiver zu machen. Der
       Antrag der Mehrheitsfraktionen von SPD, Grünen und FDP wurde einstimmig
       beschlossen. Er geht auf Anregungen der Linken und der CDU zurück.
       
       „Untersuchungen haben gezeigt, dass für einen erheblichen Teil der auf der
       Straße lebenden Menschen die Furcht vor Belästigung, Gewalt und Diebstählen
       den Hauptgrund dafür darstellt, dass sie die bestehenden
       Unterkunftsangebote nicht nutzen“, heißt es im ursprünglichen Antrag der
       CDU. Lieber schliefen sie auch bei Minusgraden draußen – was im Januar
       einem Menschen das Leben kostete.
       
       „Mit neuen Standards wollen wir eine würdigere Unterbringung von
       Obdachlosen und die zielgerichtete Hilfeleistung für sie sichern“, teilten
       nun die Ampel-Fraktionen mit. Künftig wird für die Unterkünfte ein
       Kriterienkatalog gelten. In Wohnprojekten sollen maximal 100, in Wohnheimen
       150 Obdachlose untergebracht werden. Familien müssten sich demnach Bad und
       Küche nicht mehr mit anderen teilen. Alleinstehende sollen maximal in
       Zweibettzimmern untergebracht werden und pro Person zehn Quadratmeter zur
       Verfügung haben, in Notschlafstellen wenigstens noch sechs Quadratmeter.
       
       Heute müssten Obdachlose teils in Sechsbettzimmern nächtigen, in
       Notunterkünften sogar in Sälen, sagt CDU-Ratsfrau Georgia Jeschke. „Es gibt
       nicht flächendeckend Schließfächer“, sagt sie und für Leute mit Hunden gebe
       es zur Zeit keinen Unterschlupf. Ob sich Hunde unterbringen lassen, wird
       die Verwaltung jetzt zumindest prüfen. Außerdem hat sie die Unterkünfte mit
       WLAN auszustatten und es soll einen Personalschlüssel für die Sozialarbeit
       geben: Ein Sozialarbeiter auf 33 Obdachlose in Wohnheimen, einer auf 50 in
       Wohnprojekten.
       
       Und schließlich ist vorgesehen, bei der Auswahl der Betreiber für die
       Unterkünfte stärker auf deren Konzept zu achten. „Mit diesen guten
       Standards zeigen wir, dass uns die gute Unterbringung und Versorgung von
       obdachlosen Menschen ein wichtiges Anliegen ist“, sagen die Koalitionäre.
       
       Dirk Machentanz von der Linken könnte sich freilich mehr vorstellen, zum
       Beispiel ein Einzelzimmer auch in Notunterkünften. Heute müssten dort bis
       zu 18 Leute in einem Raum übernachten. „Das ist zu viel“, bemängelt
       Machentanz, „die brauchen ja auch ihre Privatsphäre“.
       
       Der Linken-Ratsherr moniert außerdem, dass die Obdachlosen die Unterkünfte
       tagsüber verlassen müssen – auch im Winter. Für jemanden, der
       gesundheitlich angeschlagen ist, sei das fatal, zumal die
       Tagesaufenthaltsstätten sonntags geschlossen seien.
       
       ## Bremer Bemühungen um Einzelzimmer
       
       Säle gebe es in Bremen lange nicht mehr, sagt Bertold Reetz vom Verein für
       Innere Mission, der in Bremen die öffentlich-rechtlichen Unterkünfte
       anbietet. „Wir bemühen uns, bei den Notunterkünften Einzelzimmer
       vorzuhalten“, sagt Reetz. Nur wenn es sehr kalt sei, würden diese auch
       doppelt belegt. Einen vorgeschriebenen Standard gebe es nicht.
       
       Für die längerfristige Unterbringung Obdachloser arbeitet die Innere
       Mission in Bremen mit der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Gewoba
       zusammen. „Wir betreuen nur noch im eigenen Wohnraum“, sagt Reetz. Das
       heißt, die Leute haben ihren eigenen Mietvertrag. Für psychisch Kranke, die
       sich einer Behandlung verweigerten, habe die Innere Mission zudem im Januar
       ein Wohnheim eröffnet.
       
       In Hamburg kommen Obdachlose, die einen Notschlafplatz suchen, meist in
       Vierbett-Zimmer. „Wir hatten zu keinem Zeitpunkt eine volle Belegung“, sagt
       Sozialbehörden-Sprecher Martin Helfrich mit Blick auf den zu Ende gehenden
       Winter. In den längerfristigen Unterbringungen gebe es Einzelzimmer, wobei
       sich Alleinstehende Küche und Bad mit anderen teilen müssten.
       
       20 Mar 2019
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Gernot Knödler
       
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