# taz.de -- Journalisten in Algerien demonstrieren: Nachrichten vom alten Herrn B.
> Journalisten des staatlichen Senders in Algerien protestieren. Bei
> Berichten über Präsident Bouteflika gebe es Einflussnahme von oben.
IMG Bild: Algerischer Journalist bei der Demonstration in Algiers am vorvergangenen Donnerstag
In Algerien wehren sich die Mitarbeiter im staatlichen Rundfunks ENTV gegen
Gängelung und Zensur. Die Journalisten und Techniker, denen sich auch
KollegInnen aus den privaten Medien anschlossen, gingen an den beiden
vergangenen Donnerstagen in Algier auf die Straße. Der konkrete Anlass:
[1][Im ganzen Land kommt es seit Wochen zu Protesten gegen die Kandidatur
für eine fünfte Amtszeit des greisen und schwerkranken Präsidenten
Abdelaziz Bouteflika]. Doch in den staatlichen Medien ist nur wenig davon
zu sehen. Und wenn, dann wird von oben die Linie vorgegeben. Die
Protestierenden fordern ein „öffentliches Fernsehen und Radio“ statt
staatlicher Kontrolle.
Zu Beginn versuchte das staatliche Fernsehen Canal Algérie die Proteste
einfach zu ignorieren. Stattdessen zeigte der Sender Bouteflika bei der
Vereidigung des neuen Vorsitzenden des Verfassungsrates. Die kurzen
Aufnahmen, die ersten seit Monaten, wurden so kommentiert, als wäre es ganz
normal, den alten Mann bei der Arbeit zu sehen. Der 82-jährige sitzt seit
einem Schlaganfall 2013 im Rollstuhl.
Internationale Gäste empfängt Bouteflika nur noch selten. Und er reist
schon lange nicht mehr. Wenn überhaupt, lässt er sich in der
Präsidentenmaschine nach Frankreich oder die Schweiz zu Behandlungen und
Untersuchungen bringen. Bouteflika wurde wie immer ohne Originalton
gezeigt. Denn das Sprechen fällt ihm schwer.
Nach dem dann vor zwei Wochen nach dem Freitagsgebet nicht mehr nur
Tausende, sondern Hunderttausende im ganzen Land auf die Straße gingen,
zeigte Canal Algérie erstmals Bilder der Proteste. Die Menschen wollten
„einen friedlichen Wechsel“, hieß es. Parolen gegen Bouteflika waren keine
zu hören.
„Wir sind weder für noch gegen ein fünftes Mandat. Wir Journalisten fordern
das Recht über die Ereignisse professionell und neutral berichten zu
können“, heißt es in einer Erklärung der demonstrierenden Journalisten und
Techniker.
## Sprecherin musste „Brief“ des Präsidenten verlesen
Vor dem ersten Journalisten-Sit-In hatten sich die Mitarbeiter des
staatlichen Rundfunks per Brief an den Generaldirektor der Anstalt
gerichtet. Die Beschäftigten seien es leid „uns nichts als Vorwürfe der
Verantwortungslosigkeit, der mangelnden Professionalität und des Verrats
anhören zu müssen“. Sie beklagten die „administrative Willkür“ mit der
gegen Kollegen vorgegangen werde, die „eine persönlichen politischen
Position zum Ausdruck gebracht haben“.
Gemeint ist damit unter anderem die Nachrichtenchefin bei Radio Chaine 3,
Meriem Abdou. Sie trat aus Protest über die mangelnde Berichterstattung von
ihrem Amt zurück. Die Direktion strich ohne zu zögern Abdous beliebtes
Programm „L'histoire en marche“, das internationalen Konflikten und deren
Ursachen auf den Grund geht.
Vor zehn Tagen folgte die Nachrichtensprecherin von Canal Algérie, Nadia
Madassi. Sie war gezwungen worden, live einen Brief zu verlesen, der
angeblich aus der Feder Bouteflikas stammte. Darin bat er um die Wiederwahl
und versprach in seiner fünften Amtszeit für eine neue Verfassung und
vorgezogene Präsidentschaftswahlen sorgen zu wollen. Nach 15 Jahren kehrt
Madassi aus Protest darüber vom Bildschirm an einen Schreibtisch in der
Redaktion zurück.
11 Mar 2019
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DIR Reiner Wandler
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