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       # taz.de -- Mutmaßlicher Betrug mit Öko-Siegel: Pestizid-Erdbeeren als Bio verkauft
       
       > Aus der Türkei werden 40 Tonnen Tiefkühlware nach Deutschland geliefert.
       > Dort stellt sich heraus: Die Früchte enthalten 25 verschiedene
       > Ackergifte.
       
   IMG Bild: Lecker aussehen tun sie auf jeden Fall: frische Erdbeeren
       
       Berlin taz Ein türkischer Exporteur hat 40 Tonnen offenbar konventioneller
       Erdbeeren als Bioprodukte nach Deutschland geliefert. Ein Labor fand in
       Proben der Tiefkühlware rund 25 im Ökolandbau verbotene Pestizidwirkstoffe.
       Die Europäische Kommission schreibt in einer Meldung an die Behörden der
       EU-Staaten, dass unter anderem „aufgrund der Menge der verschiedenen
       gefundenen Pestizidrückstände es einen starken Verdacht gibt für
       Lebensmittelbetrug und wahrscheinlich Umlenkung vom konventionellen zum
       ökologischen Landbau“.
       
       Daraufhin wurden die 4.000 Kartons mit je 10 Kilogramm der Früchte für die
       Vermarktung gesperrt. Das geht aus Unterlagen der EU-Kommission und
       beteiligten Unternehmen hervor, die der taz vorliegen. Die Erdbeeren
       sollten dem Importeur zufolge zum Beispiel Müslis, Früchtetees oder Snacks
       beigemischt werden.
       
       Der Fall gehört zu „[1][Opson VIII]“. Das ist eine von den
       Polizeiorganisationen Interpol und Europol koordinierte Operation gegen
       irreführende und betrügerische Praktiken in der Lebensmittelbranche. Die
       verdächtige, im September angekommene Lieferung entspricht etwa 2 Prozent
       der gesamten deutschen Bio-Erdbeerernte von 2017.
       
       Betroffen ist wieder einmal die Nürnberger Bio-Kontrollstelle Kiwa BCS. Sie
       hat den Lieferanten in der westtürkischen Provinz Izmir zertifiziert. Kiwa
       BCS hatte auch der Dubaier Handelsfirma [2][Hakan Organics] das Biosiegel
       verschafft. Dieses Unternehmen exportierte laut
       US-Landwirtschaftsministerium Anfang 2017 Z[3][ehntausende Tonnen
       konventionelle Sojabohnen und Mais] aus der Ukraine beziehungsweise
       Rumänien über die Türkei in die Vereinigten Staaten. Lieferdokumente
       zeigten den Ermittlern zufolge, dass die Sojabohnen mit einem im Ökolandbau
       verbotenen Schädlingsbekämpfungsmittel behandelt wurden. Daraufhin ordnete
       das Ministerium in Washington an, das US-Biosiegel zu entziehen. Dagegen
       hat Hakan [4][Widerspruch eingelegt,] weshalb die Firma Anfang März
       [5][noch zertifiziert war].
       
       ## Importeur fand Pestizide
       
       Nicht Kiwa BCS, sondern dem deutschen Importeur der Erdbeeren ist
       aufgefallen, dass die Ware offenbar nicht bio war. Er ließ die Früchte im
       Labor untersuchen, nachdem sie in Deutschland angekommen waren. Die
       Laboranten fanden die Pestizide.
       
       Das Unternehmen verließ sich nicht auf den Bericht eines Hamburger Labors,
       den der türkische Exporteur vorgelegt hatte, wonach die Ware sauber war.
       Möglicherweise sind die Proben falsch gezogen worden – oder sie stammten
       gar nicht von den Erdbeeren, die dann nach Deutschland geliefert wurden.
       
       Die EU-Kommission hat denn auch Kontrolleure im Visier: „Wir raten
       dringend, dass die Kontrollstellen nicht direkt in diese Untersuchungen
       involviert werden, weil sie (in einigen Fällen) Ziel der Aktion sind“,
       schrieb sie an die nationalen Aufsichtsbehörden. Auf eine Anfrage der taz
       antwortete eine Sprecherin der Kommission über den Fall nur: „Die
       Generaldirektion für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit hat darauf
       reagiert und das [6][Netzwerk gegen Nahrungsmittelbetrug] benachrichtigt.“
       In dem Netzwerk informieren sich die EU-Staaten bei solchen Vorkommnissen
       gegenseitig.
       
       ## Fast nur Importware in Müslis
       
       Weder Kiwa BCS noch Europol oder das Bundesamt für Verbraucherschutz und
       Lebensmittelsicherheit wollten sich auf Anfrage der taz zu der Sache
       äußern. „Das wird untersucht“, sagte eine Sprecherin der Kontrollstelle.
       Auch zu Vorwürfen wegen früherer Skandale nahm sie nicht Stellung. Der
       türkische Exporteur ließ eine Bitte der taz um Stellungnahme unbeantwortet.
       
       Der deutsche Importeur betonte, dass nur 2 Messwerte von Pestiziden in den
       Erdbeeren leicht über dem Orientierungswert des Bundesverbands Naturkost
       Naturwaren von 0,010 Milligramm Wirkstoff pro Kilogramm Produkt lägen.
       Manche Unternehmen recherchieren erst ab dieser Menge, ob gegen die Regeln
       für den Ökologischen Landbau verstoßen wurde oder ob die Chemikalien
       beispielsweise durch unvermeidbare Abdrift von konventionellen Feldern in
       die Bioware gelangt sind. Derzeit wird dem Importeur zufolge geklärt, ob
       die Ware als konventionell oder bio einzustufen ist.
       
       Erdbeeren für Joghurt, Quark oder Müslis werden laut Agrarmarkt
       Informationsgesellschaft fast ausschließlich importiert. „Die Hauptmengen
       kommen aus Polen und dem Baltikum“, sagte Ökomarktanalystin Diana Schaack
       der taz. Kunden, die Wert auf regionales Essen legen, können solche Ware
       kaum vermeiden. Denn auf den Packungen geben die Hersteller die Herkunft
       dieser Zutaten meistens nicht an.
       
       11 Mar 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.bvl.bund.de/DE/01_Lebensmittel/03_Verbraucher/16_Food_Fraud/06_OPSON_Operationen/OPSON_Operationen_node.html
   DIR [2] http://www.hakanfoods.com/node/126
   DIR [3] https://www.ams.usda.gov/sites/default/files/media/NOPADHakan7218.pdf
   DIR [4] https://www.ams.usda.gov/services/enforcement/organic/ams-decisions
   DIR [5] https://organic.ams.usda.gov/Integrity/CP/OPP.aspx?cid=9&nopid=1202388600&ret=%252fIntegrity%252fDefault.aspx&retName=Home
   DIR [6] https://ec.europa.eu/food/safety/food-fraud/ffn_en
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jost Maurin
       
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