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       # taz.de -- Niederländisches Team in Deutschland: Der Eishockey-Meister von drüben
       
       > Seit fast vier Jahren dominieren die Tilburg Trappers aus den
       > Niederlanden die dritthöchste deutsche Eishockeyliga. Ein Ortsbesuch.
       
   IMG Bild: Kommen auch in Deutschland viel rum: Fans der Tilburg Trappers
       
       Tilburg taz | An der Plexiglasverkleidung über der Bande hängt ein
       Porträtfoto von Guus Bakker. „Altinternationaler und Club-Ikone“, erklärt
       die kurze Inschrift unter dem mit Klebeband befestigten Farbdruck. Der
       Mann, der vor zweieinhalb Jahren starb, ist eine Legende des Tilburger
       Eishockeys. Als Teammanager war er Mädchen für alles und gute Seele der
       Trappers. Noch heute, zweieinhalb Jahre nach seinem Tod, hat er scheinbar
       alles im Blick hier.
       
       Ein paar Meter entfernt stellen sich nach der zweiten Drittelpause seine
       Jungs auf. Einer nach dem anderen kommen sie aus der Kabine, ganz in Blau,
       mit dem gelben Karibu mitten auf den Trikots. Sie wechseln ein paar Worte,
       hier und da flachst jemand. 1:2 liegen sie hinten gegen die Saale Bulls aus
       dem fernen Halle, doch noch haben sie 20 Minuten Zeit. Aus dem engen
       Kabinengang riecht es nach Schweiß. Die Bandentür öffnet sich. Noch einmal
       abklatschen, dann stürmen die Trappers entschlossenen Blicks an Guus Bakker
       vorbei auf Eis.
       
       Es ist das letzte Heimspiel der regulären Saison. 46 Matches haben die
       Spieler in den Beinen, die Playoffs stehen an. Wie im Vorjahr geht das
       einzige niederländische Team der Eishockey-Oberliga als Gewinner der
       Nord-Staffel in die entscheidende Phase. Dort trifft man auf die Konkurrenz
       im Süden. Eine willkommene Herausforderung, die man bislang souverän
       meisterte. Seit die Tilburg Trappers vor fast vier Jahren in Deutschlands
       dritter Liga anheuerten, holten sie stets den Titel.
       
       Dass dieses Abenteuer so gut läuft, hätte niemand erwartet, sagt Sven Brok,
       der Manager der Trappers. Eine Stunde vor dem ersten Bully sitzt er am
       Aussichtsfenster des VIP-Raums im ersten Stock. Unten machen sich die
       Spieler warm. Brok erzählt, wie der Vorstand vor fünf Jahren bei einem
       Match der Kölner Haie mit Vertretern des DEB ins Gespräch kam. Der Verband
       war gerade mit der Umstrukturierung der Oberliga beschäftigt und vernahm
       das Tilburger Lamento mit Interesse: „In der Ehrendivision wussten wir
       schon im September, dass wir im Finale auf Heerenveen treffen und am Ende
       gewinnen würden.“
       
       Nicht nur sportlich erwies sich der Schritt nach Deutschland als Erfolg.
       Der Zuschauerschnitt hat sich auf rund zweieinhalbtausend verdoppelt, oft
       ist das Stadion mit knapp 3.000 Zuschauern ausverkauft. Zu „Derbys“ nach
       Herne, Duisburg oder Essen fahren 700 Fans mit. Man plant demnächst die
       Tribüne zu ergänzen und dazu einen dreistöckigen Anbau, mit neuen Kabinen,
       Physioabteilung und Räumen für den Eishockeyverband – „der einzige
       niederländische Sportbund, dessen Sitz in Tilburg ist.“ Was nicht
       überrascht, denn die Trappers sind weitgehend identisch mit dem
       Nationalteam.
       
       ## Das Bier wird gebracht
       
       Einen massiven Schub in Sachen Professionalisierung – das ist der Effekt,
       den die Oberliga auf die Trappers hat. Wobei, wie Brok einräumt, noch immer
       sieben hauptamtlich Angestellte um das Team herum mehr als 200 Freiwilligen
       gegenüberstehen. Der Herzblutfaktor bleibt hoch, siehe das Guus-Bakker-
       Foto an der Bande. Und was das Team betrifft: „Die meisten der Jungs
       arbeiten oder studieren. Einige haben einen Job bei unseren Sponsoren,
       andere nehmen schon mal ihre Lehrbücher mit in den Bus zum Auswärtsspiel.“
       
       Wie aber kommt es eigentlich, dass die Niederlande, das weltbeste Land im
       Eisschnelllauf und im Feldhockey eine Großmacht, im Eishockey
       hinterherhinken? Für den Manager hat es letztendlich mit Kultur zu tun, und
       der Infrastruktur, die sich daraus ergibt. „Wir sind ein kleines Land, und
       während man zum Bahnenlaufen genug Möglichkeiten hat, kann man die
       Eishockeyhallen an zwei Händen abzählen. In Tilburg, wo seit 80 Jahren
       Eishockey gespielt wird, kommt man damit in Kontakt. Woanders aber ist das
       nicht der Fall.“
       
       Die lokale Eishockeykultur zeigt sich an diesem Märzabend in der gut
       gefüllten Stappegoor-Arena. Weil im katholischen Süden der Niederlande
       Karneval gefeiert wird, sind so manche Fans verkleidet gekommen. Neben dem
       Trappers-Blau sieht man auch viel Orange und Grün, die Tilburger
       Karnevalsfarben. Die Musik ist entsprechend schmerzlos. In einer Ecke der
       Haupttribüne trommelt der Fanclub, die Lichtshow vor Beginn scheut keinen
       Aufwand. Bemerkenswertes Detail: das Bier wird während des Spiels an den
       Sitzplatz gebracht.
       
       ## „Wir machen weiter, wenn andere aufhören!“
       
       Jens Schulze, der mehr als 500 Kilometer aus Bernburg in Sachsen-Anhalt
       angereist und zum ersten Mal in Tilburg ist, gefällt es hier. Wobei er auch
       sagt: „Bei uns ist mehr los.“ Bei uns, das ist im Stadion der Saale Bulls,
       wo er normalerweise Eishockey schaut. Daneben will Schulze jeden Gegner
       mindestens einmal besucht haben. Mit seiner Frau und der Tochter, die in
       der Nähe von Dortmund wohnt, bildet er an diesem Abend den Auswärtsblock.
       
       Die Trappers, meint Jens Schulze, bereichern die Oberliga. Ob er das
       seltsam findet, dass da ein niederländisches Team mitspielt? „Ach was,
       wieso denn? In Österreich spielen auch Teams aus Italien und Kroatien. Die
       russische Liga nennt sich sogar „interkontinental“. Die Tendenz geht zu
       internationalen Ligen. Von mir aus könnten die Trappers auch ruhig
       aufsteigen.“
       
       Nun ist genau das ein heikler Punkt. Im November beschloss die DEL2, die
       zweithöchste Liga im deutschen Eishockey, in die der Oberliga-Meister
       eigentlich aufsteigt, dass sie für die Trappers verschlossen bleibt. Die
       aufwendige Lobby-Arbeit der Tilburger, Präsentationen, Gespräche, alles
       umsonst. Die DEL2-Clubs wollen keine ausländische Konkurrenz in der Liga.
       „Das war schon ein Schlag“, räumt Manager Brok ein. „Aber wir haben das zu
       akzeptieren. Wir werden es wieder probieren. Im Sinne von Guus Bakker,
       dessen Motto war: ‚Wir machen weiter, wenn andere aufhören!‘“
       
       Unten auf dem Eis machen die Männer in den Karibu-Trikots Bakker an diesem
       Abend alle Ehre. Das 1:3 zu Beginn des letzten Drittels bringt sie nicht
       aus der Ruhe. Ein paar Minuten später trifft Nardo Nagtzaam, der Tilburger
       Vorlagenspezialist. Kurz vor Ende dann überschlägt sich die
       Stappegoor-Arena. Ivy van den Heuvel, der Kapitän, gleicht aus. Zehn
       Sekunden später entscheidet Verteidiger Ryan Collier das Spiel. Die
       Schlusssirene geht im Schunkelsound unter.
       
       ## Die Hoffnung, aufzusteigen
       
       Wenig später steht ein gelöster Bohuslav Subr im Kabinengang. Der junge
       Coach, der aus Tschechien stammt und in Nordamerika, Schweden und
       Frankreich auf dem Eis stand, ist zunächst einmal „glücklich, dass wir die
       Liga gewonnen haben“. Als Eishockeyentwicklungsland will er die Niederlande
       nicht sehen. „Es gab früher schon eine Reihe hervorragender ,Dutch
       Canadians'“, sagt der Coach, den hier alle „Bo“ nennen. Seit dem Beginn des
       Oberliga-Abenteuers steht er an der Bande. Auch er verweist auf die
       Gepflogenheiten im Eishockey: „In der slowakischen Liga spielen auch zwei
       ungarische Teams.“
       
       Dass die Trappers auf höherem Niveau mithalten könnten, steht für Bo Subr
       außer Frage. „Wir hatten ein paar Testspiele gegen DEL-Teams, das lief ganz
       gut.“ Die Abfuhr vom November war „enttäuschend, für die Spieler und für
       mich. Aber wir gehen ziemlich gut damit um.“ Die Hoffnung, aufzusteigen,
       hat er nicht aufgegeben. „Klar, dass ich als Trainer in den höchsten Ligen
       Europas arbeiten will. Aber ich bin erst 38, ich habe noch Zeit. Und am
       liebsten will ich das mit den Trappers tun.“
       
       Ivy van den Heuvel, der Captain, der soeben zum man of the match gewählt
       wurde, ist vor allem stolz darauf, wie sich sein Team in Deutschland
       Respekt verschafft hat. „Zu Beginn gab es auch schon mal feindliche
       Stimmung. Wir waren die Holländer, die da in ihre Meisterschaft kommen.
       Inzwischen ist daraus gegenseitiger Respekt geworden. Ich erinnere mich an
       ein entscheidendes Playoff-Spiel in Landshut: Da wurden wir anfangs
       ausgepfiffen, und nachdem wir gewonnen hatten, bekamen wir Standing
       Ovations.“
       
       ## Nächster Halt: Lindau am Bodensee
       
       Durch den Kabinengang zieht nun der würzige Duft von kip saté, dem
       indonesischen Huhn in Erdnusssauce, ausgesprochen populär in den
       Niederlanden. Dass es nach dem Spiel Essen und ein Bier für alle gibt,
       gehört in Tilburg dazu. Die Spieler aus Halle, die ihre Mahlzeit beendet
       haben, gehen vorbei. Peter-Paul van Rooij, der Nachfolger von Guus Bakker
       als Mannschaftsbetreuer, verabschiedet jeden persönlich.
       
       Wenn Mitte März die Playoffs beginnen, führt die erste Reise der Tilburg
       Trappers nach Lindau an den Bodensee. Hin und zurück sind das anderthalb
       von insgesamt 40.000 Kilometern, die das Team pro Saison abreißt. Für den
       Captain, der einen Coaching-Betrieb hat, ist das noch halbwegs zu
       bewerkstelligen. Teammanager van Rooij, der sich den ehrenamtlichen Job mit
       einem Kollegen teilt, arbeitet Vollzeit im Verkauf einer Dachbaufirma. „Zu
       Auswärtsspielen fahre ich mit, solange wir um zwei Uhr nachts zurück sind,
       dann kann ich wenigstens noch ein bisschen schlafen.“
       
       Trotz alledem: missen will die Oberliga in Tilburg niemand. Und Guus Bakker
       hätte sowieso weitergemacht.
       
       10 Mar 2019
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Tobias Müller
       
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