URI: 
       # taz.de -- Der Rotary Club Berlin wird 90: Im Adlon speisen, in Nepal operieren
       
       > Wohlhabend, mit Vorliebe umgeben von ihresgleichen, wohltätig: Die
       > Rotarier pflegen ein ganz besonders Selbstverständnis. Ein
       > Vor-Ort-Besuch.
       
   IMG Bild: Schon immer mit Anzug und Krawatte: 1951 gründen Robert Haussmann und Heinrich Albert im Beisein des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Ernst Reuter (v. r.), ein zweites Mal den Rotary Club Berlin
       
       Die Gesprächsthemen sind Programm: Von Karajan und Adorno ist um mich herum
       die Rede, von allgemeiner Hysterie in der Welt, Opernbesuchen und diversen
       Vorsitzen, die man innehat. Beim wöchentlichen Treffen des [1][Rotary Clubs
       Berlin] am 6. März 2019 im Adlon beweist man sich, was man eigentlich
       längst nicht mehr beweisen muss. Am 11. März 2019 wird die Gemeinschaft 90
       Jahre alt.
       
       Als Hilfestellung für jene, die nicht jeden kennen, gibt es kleine
       Schildchen, die die mehrheitlich ergrauten Mitglieder am Anzug tragen.
       „Watzel. Musik: Kontrabass“, steht dort zum Beispiel. Die Profession ist
       entscheidendes Merkmal für Rotarier. Außer Kontrabassist Rudolf Watzel
       sitzen weitere einflussreiche Menschen am Tisch: Hans Gerhard Hannesen,
       langjähriger Präsidialsekretär der Akademie der Künste. Markus Hilgert,
       Generalsekretär der Kulturstiftung der Länder. Dr. Otto Lampe, ehemaliger
       deutsche Botschafter in der Schweiz.
       
       Nicht ganz 50 Mitglieder sind zusammengekommen beim letzten Treffen vor dem
       Jubiläum des Charters, wie die Vereine bei Rotary heißen. Beim
       Ikarimi-Lachs mit Sternanis und Reis werden Nettigkeiten ausgetauscht.
       „Journalisten dürfen hier gratis essen“, merkt Lampe großzügig an. Für wen
       ich eigentlich schreibe, werde ich von einem auch für Rotarierverhältnisse
       älteren Herrn gefragt, während um uns Hochkultur und Weltpolitik diskutiert
       werden. Netzwerken nennt man das.
       
       Ich erfahre von Vorstandsmitglied Lampe von den sozialen Projekten, die
       sein Verein unterstützt. Während die Dachorganisation sich unter anderem
       dem Kampf gegen Polio verschrieben hat, würden sich die Berliner in Nepal,
       wo zwei Mitglieder vier Wochen im Jahr bei Operationen in einer Klinik
       helfen, oder in Mosambik für Waisenkinder engagieren. Ermöglicht werde
       dieses soziale Engagement durch eine eigene Stiftung, die natürlich
       ausgegliedert sei, wie er anmerkt. Aus steuerlichen Gründen.
       
       ## Erzählungen aus der privilegierten Welt
       
       Es geht beim Treffen allerdings nicht so sehr um Wohltätigkeit. Nach dem
       Essen stehen drei Wortbeiträge auf der Tagesordnung. Auch hier gilt: Man
       erzählt aus der privilegierten Welt, in der man sich bewegt, und beweist
       so, dass man Teil dieser Welt ist. Philharmoniker Watzel spricht über das
       komplizierte Verhältnis von Dirigent und Musikern. Kulturkenner Markus
       Hilgert weist auf Kunstausstellungen hin, an denen er beteiligt ist.
       
       Letzter Redner ist Vereinspräsident Gerhard Jochum. Und es verwundert dann
       doch wenig, dass es in seinem Vortrag zur Energiewende um die ökonomischen
       Kosten geht. Man hätte der Marktlogik folgen müssen, sagt Jochum. Einige
       seiner „Freunde“ nicken bekräftigend. Zwei sind kurz vorm Einnicken. Die
       Mitglieder nennen sich konsequent „Freunde“. „Freundinnen“ gibt es nur
       wenige, obwohl sie seit 30 Jahren erlaubt sind bei den Berliner Rotariern.
       
       Jochum versucht, den Frauenmangel (von 180 Mitgliedern sind nur 25 Frauen)
       zu erklären. Es gäbe viele Mitglieder, die Rotary als reinen Herrenclub
       verstünden. Der Leitsatz, im Club nur eine Person jeder Profession
       zuzulassen, spiele ihnen in die Karten – die meisten Professionen sind
       bereits durch Männer vertreten. Bedeutende Charter lassen keine Frauen zu,
       etwa in Hamburg. In Berlin arbeiten sie daran, mehr Frauen aufzunehmen,
       doch das gestaltet sich schwierig.
       
       Das liegt vielleicht auch daran, dass Rotarier nur wird, wer von
       Mitgliedern vorgeschlagen wird. Deshalb wird Rotary immer wieder
       vorgeworfen, vornehmlich der gegenseitigen Hilfeleistung seiner gut
       situierten Mitglieder zu dienen. Dabei strebe Rotary an, ein Abbild der
       gesellschaftlichen Wirklichkeit zu sein, versichert der Berliner Präsident.
       Aber es gehe eben auch darum, sich für die Ziele von Rotary wirklich
       einbringen zu können. Fehlt das finanzielle und kulturelle Kapital, wird
       das schwierig. Gleichzeitig fragt sich Jochum, ob sein Verein wirklich
       genug macht aus den Möglichkeiten, die er hat.
       
       ## Festakt im Vereinslokal im Hotel Adlon
       
       Ihr Jubiläum begehen die Berliner Rotarier am Montag mit einem Festakt,
       natürlich im Vereinslokal Adlon. Ranghohe Rotarier kommen dann zu Besuch,
       man will mit zwei Professoren über Vergangenheit und Zukunft des Helfens
       sprechen und Nachwuchsmusikern der Berliner Philharmoniker lauschen.
       
       Doch 90 Jahre alt zu werden, bedeutet nicht, dass der Rotary Club Berlin
       wirklich 90 Jahre existiert: 1937 wurde die Organisation im Deutschen Reich
       verboten, weil viele Charter zwar nicht Widerstand leisteten, aber doch nur
       beschränkt mit den Nazis kooperierten. Das älteste Berliner Charter wurde
       1951 wiedergegründet.
       
       Das Selbstverständnis der Rotarier ist allgegenwärtig: „Wir lesen ja alle
       unser Feuilleton“, sagt Jochum über die Kunstausstellungen, die „Freund“
       Hilgert vorgestellt hat. Hier sitzt, wer sich als kulturelle Elite
       betrachtet, im Rotary Club Berlin ganz besonders. Alle Charter, die nach
       ihm kamen, müssen einen Stadtteil an ihren Namen anfügen. Manche
       Mitglieder, sagt Jochum, sähen die Bindestrich-Clubs als „zweite Liga“. Und
       das Fazit des Vortrags über die Energiewende lautet, irgendwie
       widersprüchlich zum Vereinsmotto: „Partizipation ersetzt nicht Leadership“.
       
       10 Mar 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://berlin.rotary.de/#Ueber-uns
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Tammo Kohlwes
       
       ## TAGS
       
   DIR Männerbünde
   DIR Frauenquote
   DIR Männer
   DIR Spenden
   DIR Nepal
   DIR Netzwerk
   DIR Rotary Club Berlin
   DIR Internationaler Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen
   DIR Männerbünde
   DIR Schaffermahl
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Berliner Rotarier: „Nein“ zu Kalayci (SPD): Diese vertrackte „Frauenfrage“
       
       Der Vorstand des Berliner Rotary-Clubs wollte Gesundheitssenatorin Dilek
       Kalayci (SPD) aufnehmen – doch das fanden nicht alle Mitglieder gut.
       
   DIR Die Hysterie der Herrenrunde: Männer weinen heimlich
       
       Der Begriff Männerbünde wurde 1902 in Bremen geprägt. Warum sind die in der
       weltoffenen Stadt so präsent? Es hängt wohl beides zusammen.
       
   DIR Männerbünde ohne Einsicht: Frauen wollen rein
       
       Männer unter sich: Das linksliberale Bremen hält an Traditionen wie der
       Eiswette fest. Geht das nicht subtiler, Patriarchat?
       
   DIR Männerbünde in Bremen: Ein Meer aus Frack und Smoking
       
       Beim Eiswettfest feiern jeweils am dritten Januarsamstag rund 800 Herren.
       Frauen sind von der fast 200-jährigen Tradition bis heute ausgeschlossen.