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       # taz.de -- Einigung bei Vorgehen gegen Islamisten: Regierung will IS-Kämpfer ausbürgern
       
       > Dschihadisten soll die Staatsbürgerschaft entzogen werden – unter drei
       > Bedingungen. Dafür gibt es in Deutschland nur einen engen Rahmen.
       
   IMG Bild: Dschihadisten könnten ihren deutschen Pass verlieren – darauf einigte sich die Regierung
       
       Berlin taz | Im [1][Streit um den Passentzug von deutschen IS-Kämpfern] hat
       sich die Bundesregierung geeinigt. Das berichteten die Süddeutsche Zeitung,
       WDR und NDR am Sonntagabend unter Berufung auf Regierungskreise. Demnach
       hätten sich Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und Justizministerin
       Katarina Barley (SPD) verständigt, Dschihadisten auszubürgern, wenn drei
       Bedingungen vorliegen.
       
       Sie müssten erstens eine zweite Nationalität besitzen und zudem volljährig
       sein. Schließlich sollten nur Terroristen die deutsche Staatsangehörigkeit
       verlieren, die sich künftig an Kämpfen beteiligen, nicht aber jene, die
       bereits in Haft sitzen. Die Regel solle somit nicht rückwirkend gelten.
       
       Nach geltender Gesetzeslage verlieren Doppelstaatler den deutschen Pass,
       wenn sie ohne Genehmigung der deutschen Behörden in ausländischen
       Streitkräften Dienst tun. Für Kämpfer in Milizen wie den Kampfverbänden des
       Islamischen Staats (IS) gilt diese Regelung allerdings nach gängiger
       Rechtsauffassung nicht, weil die Dschihadistenmiliz trotz ihres Namens
       keine „Staatsqualität“ hat.
       
       Bereits im Koalitionsvertrag hatten sich Union und SPD auf eine Regelung
       zum Passentzug für Kämpfer verständigt. Am Samstag hatte Barley der
       Rhein-Neckar-Zeitung bereits gesagt, sie sei sich mit Seehofer einig, „dass
       wir dieses konkrete Vorhaben zeitnah umsetzen werden.“
       
       Deutschen IS-Kämpfern die Staatsbürgerschaft zu entziehen, um ihre Rückkehr
       nach Deutschland zu verhindern, ist allerdings [2][nur in engen
       verfassungsrechtlichen Grenzen möglich.]
       
       Die taz erklärt, wie genau diese aussehen:
       
       ## Kann Deutschen die Staatsbürgerschaft entzogen werden?
       
       Nein. Im Grundgesetz-Artikel 16 heißt es ausdrücklich: „Die deutsche
       Staatsangehörigkeit darf nicht entzogen werden.“ Dieses Verbot erfasst jede
       staatliche Wegnahme der Staatsbürgerschaft gegen den Willen des Bürgers.
       Diese Garantie ist eine Reaktion auf die Ausbürgerungspolitik der Nazis
       gegenüber Juden und Gegnern. Auch in der DDR wurden Oppositionelle wie Wolf
       Biermann ausgebürgert.
       
       ## Ist der Verlust der Staatsbürgerschaft also ausgeschlossen?
       
       Nein. Laut Grundgesetz ist der Verlust der Staatsbürgerschaft möglich, wenn
       der Betroffene anschließend nicht staatenlos wird. Eine gesetzliche
       Verlust-Regelungen ist damit nur gegenüber Personen mit doppelter
       Staatsbürgerschaft möglich. Doch sind die Möglichkeiten des Gesetzgebers
       laut Bundesverfassungsgericht auch hier begrenzt. Die deutsche
       Staatsbürgerschaft darf nur dann verloren gehen, wenn dies auf eine
       Handlung folgt, die der Betroffene vermeiden könnte. Sonst läge doch ein
       unzulässiger Entzug der Staatsbürgerschaft vor. Außerdem muss die
       Anlasshandlung Ausdruck einer „Abwendung“ von Deutschland sein. Reine
       Sicherheits-Erwägungen genügen demnach nicht für den Verlust der
       Staatsbürgerschaft.
       
       ## Was bedeutet das für die Pläne der Bundesregierung?
       
       Die von der Koalition geplante gesetzliche Regelung, dass ein
       Doppelstaatler die deutsche Staatsbürgerschaft verliert, wenn er sich an
       Kampfhandlungen einer Terrormiliz im Ausland beteiligt, könnte daher
       zulässig sein, wenn man die IS-Mitgliedschaft als Abwendung von Deutschland
       wertet.
       
       ## Kann eine Einbürgerung zurückgenommen werden?
       
       Ja, dies hat das Bundesverfassungsgericht 2006 entschieden. Das Verbot, die
       Staatsbürgerschaft zu entziehen, gelte nur für eine redlich erworbene
       Staatsbürgerschaft. Der Schutz gegen Ausbürgerungen gelte nicht für solche
       Staatsbürger, die ihren Status durch Täuschung, Drohung oder Gewalt
       erhalten haben. Die Rücknahme der Einbürgerung ist etwa möglich, wenn
       jemand sich nur scheinbar zur freiheitlich demokratischen Grundordnung
       bekannt hat. Laut Gesetz ist die Rücknahme nur fünf Jahre nach der
       Einbürgerung möglich. (mit dpa/afp)
       
       4 Mar 2019
       
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