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       # taz.de -- Wachsendes Potsdam: Kiefern, Kinder und Konflikte
       
       > Im Potsdam werden mehr Schulen gebraucht. Doch Flächen dafür sind knapp.
       > Nun gibt es Streit über einen geplanten Schulcampus in einem geschützten
       > Wald.
       
   IMG Bild: Immer mehr Schulkinder brauchen mehr Schulen in Potsdam
       
       Am Morgen und am frühen Nachmittag wird es in Potsdams Bussen und Trams
       besonders voll. Dann sind zahlreiche Schüler auf dem Weg von und zu den
       weiterführenden Schulen. Auch viele Kinderwagen sieht man in Brandenburgs
       Landeshauptstadt. Nicht umsonst schmückt sich Potsdam seit Jahren mit dem
       Titel „Kinderfreundliche Kommune“. Dass es immer mehr Kinder und
       Jugendliche gibt, ist nicht nur ein oberflächlicher Eindruck. In der
       städtischen Prognose lässt sich nachlesen, dass die Altersgruppe zwischen 6
       und 18 Jahren bis zum Jahr 2035 um mehr als ein Drittel wachsen wird. Das
       wären etwa 8.000 Schüler mehr.
       
       Anders als viele andere Städte Brandenburgs altert nämlich Potsdam nicht.
       Die boomende Stadt zieht vor allem junge Familien an. Es werden mehr Kinder
       geboren, als Einwohner sterben. Doch was der Stadt eine gute Zukunft
       verspricht, sorgt auch für Konflikte. Neben dem überhitzten Wohnungsmarkt
       und den überlasteten Verkehrswegen sorgt die Schulpolitik für Streit um
       knappe Ressourcen. Es geht um viel Geld und vor allem darum, wer den
       knappen öffentlichen Raum nutzen darf – und wofür.
       
       Aktueller Anlass ist der Plan der Stadtverwaltung für einen kompletten
       neuen Schulcampus im Süden der Stadt. Im Stadtteil Waldstadt sollen bis zum
       Jahr 2025 gleich neben dem Regionalbahnhof Rehbrücke eine Gesamtschule,
       eine Förderschule und eine Kita entstehen. Dazu kommen Turnhallen und zwei
       Sportplätze. Auch Letztere sind knapp und sollen deshalb auch für den
       Vereinssport genutzt werden. Der Wald müsste dann zu einem großen Teil
       weichen.
       
       Doch die Aussicht auf rund 1.200 Schüler stößt in der Nachbarschaft auf
       Ablehnung. Eine Bürgerinitiative hat sich dagegen formiert. Sie fordert,
       die Pläne noch einmal zu überdenken. Denn der Campus würde in einem 13
       Hektar großen Waldstück zwischen dem Plattenbauviertel aus den 1970er
       Jahren und der Bahnstrecke errichtet werden. Die Bürgerinitiative beklagt
       den drohenden Verlust eines stadtnahen Naturraumes und fürchtet, dass Busse
       und Trams künftig noch voller sein werden. Sie wirft der Stadtverwaltung
       vor, keine alternativen Standorte geprüft zu haben.
       
       ## Umweltministerium legt sich quer
       
       Dort sieht man die Sache anders. Schließlich habe man bei der Aufstellung
       des laufenden kommunalen Schulentwicklungsplanes zahlreiche Standorte
       untersucht. Die meisten Neubauten wird es zwar im wachsenden Norden der
       Stadt geben – in den Neubaugebieten im Bornstedter Feld und auch in der
       ehemaligen Kaserne in Krampnitz, wo ab dem nächsten Jahr ein Stadtteil für
       10.000 Einwohner aus dem Boden gestampft wird. Doch auch im Süden gebe es
       Bedarf für eine zusätzliche weiterführende Schule. Gleich gegenüber hat im
       vergangenen Jahr ein Investor eine Wohnanlage mit 400 Wohnungen
       hochgezogen, im Stadtteil wird nachverdichtet. Außerdem ist die
       Einwohnerschaft relativ alt. Im Rathaus geht man deshalb davon aus, dass in
       den nächsten Jahren verstärkt Familien nachziehen.
       
       Ein Hauptgrund für die Standortwahl dürfte indes sein, dass der Grund und
       Boden in dem Waldstück der öffentlichen Hand gehört. Direkt am Bahnhof ist
       die Stadt der Eigentümer, etwas weiter entfernt der Landesforst. In der
       Regel werden solche Flächen bei öffentlichen Vorhaben einfach gegen andere
       Waldstücke in Stadtbesitz getauscht. Potsdam käme also ohnehin günstig an
       das ganze Grundstück. Und Brandenburgs Finanzminister Christian Görke
       (Linke) hatte kürzlich sogar angeboten, Flächen für soziale Infrastruktur
       kostenlos abzugeben.
       
       Ganz so weit ist es freilich noch nicht. Denn seit Kurzem legt sich das
       Umweltministerium quer. Ein Teil der Fläche gehört zum
       Landschaftsschutzgebiet „Potsdamer Wald- und Havelseengebiet“. Eine
       Voranfrage der Stadt zur Aufhebung des Schutzstatus wurde abgelehnt. Das
       Ministerium bestreitet den Bedarf. Allerdings sieht man im Rathaus nicht
       das letzte Wort gesprochen. Das Umweltministerium argumentiere auf Basis
       einer fünf Jahre alten Fassung der Schulentwicklungsplanung. Seither sei
       die Einwohnerzahl deutlich über das prognostizierte Maß gewachsen – und
       damit auch die Schülerzahl. Auch die Förderschule müsse von ihrem
       bisherigen Standort im Stadtteil Schlaatz wegziehen, weil das Gebäude dort
       für ein Gymnasium gebraucht werde. Platzt der Umzug, gibt es an anderer
       Stelle ein neues Problem. „Wir werden die Argumente gegenüber dem Land
       nochmals verdeutlichen“, sagte der zuständige Koordinator der Stadt, Harald
       Kümmel.
       
       ## Nicht der letzte Konflikt
       
       Doch die Absage vom Land ist nun zum Politikum in der Stadt geworden. Gut
       zwei Monate vor der Kommunalwahl hat die Linke das Thema für sich entdeckt.
       In einem Antrag für das Stadtparlament fordert sie, das Projekt
       abzuspecken. Die Sportplätze könnten auf einer früheren Deponie im nahe
       gelegenen Industriegebiet entstehen. Nachdem die Bürgerinitiative Waldstadt
       mit Nachdruck gegen die Inanspruchnahme des Landschaftsschutzgebietes
       protestiere, sollten die Pläne aufgegeben werden, so die Begründung.
       
       Entschieden wird darüber frühestens im April. Unterdessen läuft das
       Verfahren für einen Bebauungsplan weiter. Bei einem Workshop Ende März
       dürften die unterschiedlichen Meinungen aufeinanderprallen. Neben den
       Fraktionen und den anerkannten Naturschutzverbänden ist auch die
       Bürgerinitiative eingeladen, über das städtebauliche Konzept zu reden,
       heißt es aus dem Rathaus. Es geht also um das Wie, nicht um das Ob.
       
       Der Konflikt dürfte nicht der letzte sein. In Babelsberg fehlt eine
       Grundschule. Für die sollte ein Sportplatz weichen. Auch dort regt sich
       Protest. Nun soll sie auf einer privaten Fläche am Filmpark entstehen, doch
       sicher ist das noch nicht. Und im Norden soll eine Gesamtschule nahe dem
       welterbegeschützten Ruinenberg hochgezogen werden.
       
       Der im Oktober frisch gewählte Potsdamer Oberbürgermeister Mike Schubert
       (SPD) hatte im Wahlkampf versprochen, die Stadt künftig behutsamer zu
       entwickeln. „Das Besondere an Potsdam kann nur erhalten werden, wenn nicht
       jeder Freiraum, jede Grünfläche zugebaut wird“, heißt es in seinem
       Zukunftsprogramm. Wie das gehen soll, hat er bisher noch nicht erklärt.
       
       13 Mar 2019
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Marco Zschieck
       
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