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       # taz.de -- Einstellung: Keine Gewalt gegen Polizisten: Richter setzt auf Videobeweis
       
       > Michael Krüger sollte 10.000 Euro zahlen – wegen eines angeblichen
       > Angriffs auf einen Polizisten. Am Ende blieb davon nicht viel übrig.
       
   IMG Bild: Zugriff ins Gesicht: Demonstrant Michael Krüger wird gestoppt
       
       Hannover taz | Als er den Strafbefehl im Briefkasten hatte, war für Michael
       Krüger* klar, dass er Widerspruch einlegen würde: 10.000 Euro Strafe sollte
       er zahlen wegen Beleidigung, einem tätlichen Angriff auf einen Polizisten
       und damit verbundener versuchter Körperverletzung. Am gestrigen Mittwoch
       fand die Verhandlung vor dem Amtsgericht in Hannover statt. Geblieben ist
       von den Vorwürfen wenig. Das Verfahren wurde gegen eine Zahlung von 500
       Euro eingestellt – [1][wegen eines Videos der taz].
       
       Die auf Twitter veröffentlichte Sequenz zeigt, wie Krüger und andere
       Demonstrant*innen am ersten Mai 2018 auf PolizistInnen zugehen, die vor
       einem Polizeibus stehen. Der Demozug zum Tag der Arbeit ist am Trammplatz
       vor dem Neuen Rathaus in Hannover angekommen. Die Organisator*innen der
       Kundgebung machen immer wieder Durchsagen, dass die Polizei keine Symbole
       dulde, die aus ihrer Sicht PKK-Bezug haben.
       
       Ballons mit der Aufschrift YPG, der kurdischen Miliz in Syrien, sollen
       platzen.Demonstrant*innen hatten die grünen und gelben Ballons als Zeichen
       der Solidarität mit den Menschen in Afrin an ihre Fahnen gebunden. Darin
       sieht die Polizei einen Verstoß gegen das Vereinsgesetz.
       
       Kurze Zeit später nehmen die Beamt*innen eine Frau fest, die einen der
       Ballons gehalten haben soll. Die Polizist*innen bringen sie in einen Wagen
       am Rande der Kundgebung, um ihre Identität festzustellen.
       Unterstützer*innen haben das mitbekommen und versuchen daraufhin, zu der
       Frau zu gelangen.
       
       ## An der Kette vorbei
       
       Auf dem Video ist zu sehen, wie Krüger, die Hände in den Jackentaschen,
       schnellen Schrittes rechts an einer Polizeikette vorbei in Richtung des
       Polizeibusses geht. Ein Polizist streckt den Arm aus. Aber als Krüger nicht
       reagiert, sondern einfach weiter geht, stoppt er ihn mit Gewalt und es gibt
       eine kurze Rangelei.
       
       Staatsanwältin Mona Müller-Sommerfeld wirft Krüger in ihrer Anklage vor,
       der 45-Jährige habe den Polizisten als „Schwein“ beleidigt, ihn angegriffen
       und ihm mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen. Als das passiert sein
       soll, werden Krüger und der Polizist im Bild weitestgehend von anderen
       Personen verdeckt.
       
       Vor dem Amtsgericht in Hannover sagte auch Benjamin H. aus, der Polizist
       aus dem Video. „Polizei, stehen bleiben“, habe er wiederholt gerufen. Als
       Krüger dennoch weiter gegangen sei, habe er ihn erst an der Schulter
       gepackt und dann ins Gesicht gefasst, um ihn zu stoppen. „Daraufhin schlug
       mir die Person ins Gesicht“, sagte der Beamte. Die Wucht sei so groß
       gewesen, dass sein Funkohrstecker heraus geflogen und das Kabel gerissen
       sei. Der Angeklagte. habe sich in seinem Gesicht festgekrallt und einen
       Finger ins Auge gedrückt.
       
       Krüger sagt der der taz jedoch, dass er den Polizisten nicht angegriffen
       oder geschlagen habe. „Wenn, dann nur unbewusst. Ich wollte nicht zu Boden
       gerissen werden.“ Das habe er schon früher einmal erlebt.
       
       ## Glaubwürdigkeitsvorschuss für die Polizei
       
       Sein Verteidiger Rasmus Kahlen ist froh, dass das Video in der Verhandlung
       gezeigt wurde. „Die Darstellung über die Massivität des Angriffs war vorher
       eine ganz andere“, sagt er. In seinem schriftlichen Bericht habe der
       Polizist die Geschehnisse noch drastischer geschildert – zum Nachteil
       seines Mandanten.
       
       Es sei ein „Riesenproblem“, dass Polizist*innen vor Gericht einen großen
       Glaubwürdigkeitsvorschuss bekämen. Umso mehr, wenn sie selbst involviert
       seien und eigene Interessen hätten. „Sie sind in solchen Verhandlungen
       nicht neutral“, sagt Kahlen.
       
       „Die Polizei konnte ihre Erzählung nicht aufrecht erhalten“, so Krüger nach
       der Verhandlung. „Auf dem Video ist zu sehen, dass ich nicht durch eine
       Polizeikette gebrochen bin“, sagt er. „Und ich bin auch nicht nett an der
       Schulter angefasst worden.“
       
       Richter Michael Siegfried sah nach der Beweisaufnahme ebenfalls keinen
       tätlichen Angriff auf einen Polizisten mehr. Er könne bei dem Schlag nicht
       sagen, ob Krüger die Absicht gehabt habe, den Polizisten zu verletzen. Es
       könne auch eine Abwehrreaktion gewesen sein. Anders sei es mit dem Vorwurf,
       Krüger habe sich im Gesicht seines Gegenübers festgekrallt. Außerdem sei es
       der Angeklagte gewesen, der die Situation verursacht habe: „Wenn Sie stehen
       geblieben wären, würden wir heute nicht hier sitzen.“ Die 500 Euro
       Geldauflage seien deshalb angemessen.
       
       *Name geändert
       
       13 Mar 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://twitter.com/andrea_scharpen/status/991263150384304128
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andrea Maestro
       
       ## TAGS
       
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