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       # taz.de -- Unternehmer über „Tofu-Wiener“: „Das Gegenteil von fancy“
       
       > Die Lebensmittelbuch-Kommission reformiert die Bezeichnungen von
       > Veggie-Fleisch – Valentin Jäger von „Taifun-Tofu“ will das nicht
       > mitmachen.
       
   IMG Bild: Impossible oder doch noch möglich: vegetarische Burger
       
       taz: Herr Jäger, Sie gehören zu den größten Herstellern von Biotofu in
       Europa. Geht es nach dem Willen von Julia Klöckner, müssen Sie sich vom
       „Tofu-Wiener“ verabschieden. 
       
       Valentin Jäger: Zumindest sollen wir konkrete Wurstnamen wie Wiener,
       Lyoner, Leberwurst nicht mehr verwenden. Stattdessen sollen Produzenten
       Bezeichnungen auf die Etiketten drucken wie „vegane Soja-Wurst nach Wiener
       Art“ oder „vegetarische Soja-Streichwurst mit Leberwurstgeschmack“. Das
       werden wir nicht machen. Da lassen wir es auf einen Rechtsstreit ankommen.
       
       Was spricht dagegen? 
       
       Unsere Kunden sind seit gut zwanzig Jahren an den Namen Tofu-Wiener
       gewöhnt.
       
       Aus Raider ist auch mal Twix geworden. 
       
       Die Werbeleute fanden für den Schokoriegel Twix halt fancy. Der
       Süßwarenkonzern Mars hat den Namen nicht geändert, weil ihnen irgendjemand
       vorgegeben hat, dass Raider nicht mehr Raider heißen darf. Das ist hier
       ganz anders.
       
       Die Deutsche Lebensmittelbuch-Kommission, die der Agrarministerin
       untersteht, hat in neuen Leitsätzen festgelegt, wann eine Wurst Wurst
       heißen darf. Die Verbraucher hätten „ein Recht auf Klarheit und Wahrheit“,
       findet Klöckner. 
       
       Die Namen, die erlaubt sein sollen, sind das Gegenteil von fancy, sie sind
       so sperrig, dass sie kaum auf ein Etikett passen. Und vor allem: Das
       versteht auch keiner. Diese Leitsätze sind superkompliziert, im besten
       Beamtendeutsch. Uns soll das Leben so schwer gemacht werden wie möglich.
       
       Das sind acht Seiten, da steht nichts Vernünftiges drin? 
       
       Doch, erstmals wird geklärt, welche Lebensmittel als „vegetarisch“ oder
       „vegan“ bezeichnet werden dürfen. Der Essig, der mit Gelatine geklärt
       wurde, darf zum Beispiel nicht in ein veganes Produkt. Gelatine wird vor
       allem aus Knochen etwa vom Schwein hergestellt.
       
       Klöckners Amtsvorgänger Christian Schmidt wollte Begriffe wie
       „vegetarisches Schnitzel“ verbieten lassen … 
       
       Er ließ sich dafür extra in der Bild-Zeitung mit einem Stück Schweinsbraten
       abbilden …
       
       …aber „Schnitzel“, „Steak“ oder „Filet“ dürfen Sie nun weiter auf Ihre
       Produkte drucken. 
       
       Aber nur in Ausnahmen, wenn zu dem Lebensmittel tierischen Ursprungs,
       „weitgehende sensorische Ähnlichkeit“ besteht, gemessen an „Aussehen,
       Textur und Mundgefühl“. Nur ist das Ansichts- und Geschmackssache.
       
       Braucht man denn wirklich Fleischnamen für Fleisch ohne Tier? 
       
       Wer ganz klassisch Spätzle mit Linsen und Wiener-Einlage machen, aber nicht
       so viel Fleisch essen will, nimmt vielleicht den Tofu-Wiener. Die
       Veggie-Alternativen verkaufen sich immer besser. Nur weil die Wurst früher
       mal aus Fleisch war, muss sie das doch nicht für immer bleiben. Das passt
       der Fleischlobby jedoch nicht. Es waren der Deutsche Bauernverband und der
       Deutsche Fleischerverband, die 2016 die neuen Leitsätze beantragt haben.
       
       Aber in dem Gremium, das die Leitsätze entwickelt hat, saßen neben
       Vertretern der herkömmlichen Lebensmittelwirtschaft auch die Rügenwalder
       Mühle, die Fleisch- und Pflanzen-Wurst verkauft. 
       
       Sie haben aber die vielen, auch kleineren Hersteller, die schon ganz lange
       nur Fleischalternativen aus Tofu, Seitan, Tempeh produzieren, ignoriert.
       Dann haben sie in deutschen Supermärkten das Angebot checken lassen und
       erklärt, es gäbe ein Wirrwarr, der Verbraucher steige nicht durch. Dabei
       hat sich bei uns noch nie ein Kunde beschwert, weil er sich vom
       fleischlosen Tofu-Wiener getäuscht fühlte. Die Produkte der
       Traditionsunternehmen sind längst eine Marke.
       
       Wie geht es weiter? 
       
       Es ist für Fleischhersteller kein Problem, Schnitzel aus Formfleisch zu
       verkaufen, bayerischen Leberkäse, der keine Leber enthält, auch nicht aus
       Bayern kommen muss, oder Krabbenfleischimitat aus Surimi, zermahlenem
       Fisch. Aber die Gefahr ist groß, dass die Lebensmittelaufsicht jetzt
       Produkte wie den Tofu-Wiener von uns oder das Rostbräterle und das
       japanische Bratfilet bemängelt oder gar aus dem Verkehr zieht. Sie
       orientiert sich an den Leitsätzen.
       
       Ist Ihr Geschäft in Gefahr? 
       
       Das gesamte Unternehmen sicher nicht. Aber neue Namen suchen, alte
       Etiketten entsorgen, neue drucken lassen, die Werbung dafür – das macht
       alles Arbeit und kostet Geld. Wir hoffen, Mitstreiter zu finden, die das
       auch nicht mitmachen, sodass die Leitsätze in der Praxis keine Akzeptanz
       finden und nicht wirksam werden.
       
       17 Mar 2019
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Hanna Gersmann
       
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