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       # taz.de -- Tote Zeugin gegen Berlusconi: Eine zweifelhafte Affäre
       
       > Imane Fadil wurde einst für die Bunga-Bunga-Partys Silvio Berlusconis
       > engagiert. Nun ist sie unter rätselhaften Umständen gestorben.
       
   IMG Bild: Imane Fadil im Oktober 2011 beim Verlassen des Gerichts in Mailand
       
       Rom taz | Wurde sie vergiftet? Womöglich gar mit radioaktiven Substanzen?
       Seit Tagen überschlagen sich Italiens Medien mit Spekulationen über den Tod
       der Imane Fadil, einer 34 Jahre jungen Marokkanerin. Am 29. Januar hatte
       sie sich in ein Krankenhaus bei Mailand begeben, starke Unterleibschmerzen
       und Erbrechen waren die Symptome. Doch die Ärzte konnten ihr nicht helfen.
       Nach einem Monat Agonie starb sie am 1. März.
       
       Mysteriös sind die Ursachen ihres Todes. Rückenmarks-Aplasie wurde bei ihr
       diagnostiziert, sprich, ihr Rückenmark versagte den Dienst bei der Bildung
       der roten und der weißen Blutkörper sowie der Blutplättchen. Im Gefolge
       traten Leber- und Nierenversagen auf, ohne dass eine Diagnose für die
       Ursache der Aplasie gelungen wäre.
       
       Doch die Tatsache allein, dass eine junge Frau unter ungeklärten Umständen
       gestorben war, hätte die Medien kaum interessiert. Sie sind elektrisiert,
       weil neben Fadil sofort ein zweiter Name fiel: Silvio Berlusconi.
       
       Die Marokkanerin nämlich gehörte zu jenen mehr als 30 Frauen, die an
       Silvios Bunga-Bunga-Partys teilgenommen hatten, jenen Orgien, die im Jahr
       2010 aufflogen – und die zum Justizfall wurden, weil Berlusconi sexuelle
       Beziehungen auch zu der damals minderjährigen Karima El-Marough, genannt
       Ruby, gehabt haben soll.
       
       ## Cash für die richtige Version
       
       Ruby ebenso wie die meisten anderen Mädchen hielten im Prozess gegen den
       TV-Tycoon und früheren Ministerpräsidenten die Klappe; gerade läuft eine
       weiterer Prozess in dem Fall an, weil die Staatsanwaltschaft überzeugt ist,
       dass Berlusconi die Frauen fürstlich bezahlte, damit sie seine Version von
       den „eleganten Abendessen“ in seiner Villa bestätigten. Nur drei Zeuginnen
       packten aus und berichteten ungeschminkt von wahren Orgien – eine von ihnen
       war Imane Fadil.
       
       Sechs Mal war sie im Partykeller der Villa, sah Frauen, die sich in Dessous
       an der Lapdance-Stange räkelten, die sich in Nonnenkluft warfen, um sich
       dann bis auf die Haut zu entkleiden. Berlusconis Ansinnen, mit ihm die
       Nacht zu verbringen, habe sie abgelehnt, sagte sie aus.
       
       Berlusconi wurde im Prozess von der Anklage der Beziehung zu einer
       minderjährigen Prostituierten schließlich freigesprochen, da das Gericht
       nicht den Nachweis erbracht sah, er habe gewusst, dass Ruby noch keine 18
       Jahre alt war. In einem zweiten Prozess aber wurden drei seiner Vertrauten
       wegen Förderung der Prostitution verurteilt, weil sie die Frauen für die
       Partys engagiert hatten.
       
       Wurde mit Imane Fadil also eine unbequeme Zeugin zum Schweigen gebracht?
       Sie selbst äußerte zehn Tage vor ihrem Tod ihrem Bruder und ihrem Anwalt
       gegenüber den Verdacht, sie sei vergiftet worden. Die behandelnde Equipe
       sandte Blutproben in ein Speziallabor, die auf insgesamt 50 giftige
       Substanzen analysiert wurden. Kobalt, Chrom, Nickel und Molybdän wurden
       nachgewiesen – jedoch in so geringer Konzentration, dass sie für eine
       Vergiftung nie und nimmer gereicht hätten. Zu einer möglichen Vergiftung
       mit radioaktiven Substanzen dagegen konnte das Labor keinen Aufschluss
       geben – dazu fehlen ihm schlicht die Analyseinstrumente.
       
       ## Berlusconi bono?
       
       Die Ärzte wiederum schließen andere organische Ursachen – einen Tumor oder
       auch eine Leptospirose – als Ursache der tödlichen Aplasie aus, die
       Staatsanwaltschaft Mailand ließ letzte Woche wissen, sie habe ein
       Ermittlungsverfahren wegen Mordes eingeleitet. Auch ein von Imane Fadil
       verfasstes Buchmanuskript hat sie beschlagnahmt, der Titel: „Ich habe den
       Teufel gesehen“. Fadil soll sich in ihren letzten Monaten die Abstammung
       von einem Heiligen sowie seherische Kräfte zugeschrieben haben, und wer ihr
       Luzifer ist, liegt auf der Hand – Berlusconi.
       
       Genauso offensichtlich ist aber auch, dass Berlusconi am wenigsten von
       diesem Todesfall zu gewinnen hat. Ihre detaillierten Aussagen in den
       Ruby-Prozessen hat Fadil schon gemacht, für ihr Buch fand sie keinen
       Verleger. Berlusconi dagegen ist gegenwärtig mit einigem Erfolg bemüht,
       sich als seriöses [1][Bollwerk] gegen den Populismus der in Rom regierenden
       Fünf Sterne zu recyceln, selbst Angela Merkel und Manfred Weber geben ihm
       wieder die Hand. Dass ausgerechnet jetzt, im Vorfeld des Europawahlkampfs,
       mit Fadils Tod die Bunga-Bunga-Geschichten wieder hochkochen, ist das
       letzte, was er sich wünschen kann.
       
       18 Mar 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.sueddeutsche.de/politik/berlusconi-europawahl-1.4292896
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Michael Braun
       
       ## TAGS
       
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