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       # taz.de -- Aus Le Monde diplomatique: Trumps Mann für Venezuela
       
       > Elliott Abrams ist Venezuela-Sonderbeauftragter der US-Regierung. Unter
       > Reagan half er, Stellvertreterkriege in Mittelamerika anzuzetteln.
       
   IMG Bild: Abrams hatte sich im Wahlkampf 2016 eigentlich mit anderen Neokonservativen gegen Trump gestellt
       
       Als US-Außenminister Mike Pompeo den neokonservativen Provokateur Elliott
       Abrams zum US-Sonderbeauftragten für die „Wiederherstellung der Demokratie
       in Venezuela“ ernannte, sah die Presse darin einen Beleg für die
       Eigenständigkeit Pompeos gegenüber Präsident Trump. Pompeos Vorgänger, Rex
       Tillerson (einst CEO von Exxon), hatte schon gehofft, Abrams zu seinem
       Stellvertreter machen zu können, aber Trump hatte das abgelehnt – trotz der
       dem Vernehmen nach hartnäckigen Lobbyarbeit des rechten Großspenders
       Sheldon Adelson, dem Trump ansonsten jeden Wunsch erfüllt.
       
       Abrams hatte sich während des Wahlkampfs der Republikaner mit anderen
       Neokonservativen gegen Trump gestellt. Trumps Schwiegersohn Jared Kushner
       unterstützte Abrams, aber Präsidentenberater Steve Bannon bestärkte Trump
       in seinem Nein. Den Ausschlag dürften allerdings weniger Abrams’ Angriffe
       auf den späteren Präsidenten gegeben haben als vielmehr der Umstand, dass
       er bei Trumpisten als „Globalist“ verrufen ist.
       
       In einer Meldung der Agentur Bloomberg News hieß es, die Personalie
       signalisiere eine Umorientierung hin zu „Positionen [und] außenpolitischen
       Denkansätzen, die Trump während des Wahlkampfs noch verhöhnt hat – so etwa
       [Abrams’] vehemente Unterstützung des Irakkriegs, den Trump lange Zeit
       kritisierte. Doch Abrams hatsich offenbar, ebenso wie Trump, ein Stück weit
       bewegt.“(1)
       
       Mit ähnlich besänftigenden Wendungen spielte Abrams seine verbrecherische
       Rolle in der Iran-Contra-Affäre (2) unter Präsident Reagan herunter. Dabei
       hatte er sich schuldig bekennen müssen, demKongress in zwei Fällen
       Informationen vorenthalten zu haben, woraufhin er seine Zulassung als
       Anwalt in Washington, D.C., verlor. George Bush senior begnadigte Abrams,
       nachdem er sich bei der Präsidentschaftswahl 1992 Bill Clinton geschlagen
       geben musste. „Ich glaube, das ist nicht mehr von Bedeutung“, meinte Abrams
       dazu kaltschnäuzig. „Es geht nicht um Ereignisse aus den 1980er Jahren. Wir
       konzentrieren uns auf die Ereignisse im Jahr 2019.“ (3)
       
       ## Stets kannte Abrams die wahren Schuldigen: die Opfer
       
       Wenn man aus Abrams’ Vergangenheit auf die Zukunft schließen darf, wird
       2019 für das venezolanische Volk eine Katastrophe. Ich verfolge Abrams’
       Laufbahn seit über dreißig Jahren: Er begann als Referent von
       Kongressabgeordneten, wurde unter Reagan zuständig für Menschenrechte und
       später für Mittelamerika, bevor er in der zweiten Amtszeit von George Bush
       senior zum Sonderbeauftragten des Präsidenten und Mitglied des Nationalen
       Sicherheitsrats aufstieg. Danach betätigte er sich in der renommierten
       DenkfabrikCouncil of Foreign Relations und mehreren konservativen jüdischen
       Organisationen als außerparlamentarischer Agitator. Mit Ausnahme von Henry
       Kissinger und Dick Cheney lässt sich schwerlich ein US-Amtsträger finden,
       der mehr zum Einsatz von Folter und Massenmord im Namen der „Demokratie“
       beigetragen hat als Elliott Abrams.
       
       Abrams frühe Karriere als Referent der demokratischen Senatoren Henry
       „Scoop“ Jackson und Patrick Moynihan passte zum neokonservativen Bestreben,
       die Demokratische Partei der 1970er Jahre auf die interventionistische
       Linie der „Falken“ einzuschwören.
       
       Aber als Jimmy Carter keinen der beiden Senatoren in sein Kabinett berief,
       wechselten sie die Pferde. „Wir wurden kaltgestellt“, beklagte sich Abrams.
       „Wir bekamen eine unglaublich nichtssagende Stelle. Als Verhandlungsführer.
       Nicht für Polynesien. Nicht für Makronesien. Nein, für Mikronesien.“ (4)
       
       Erst am Busen der Reagan-Regierung gelang Abrams ein rasanterAufstieg in
       die oberen Ränge des Außenministeriums. Er wurde zuerst Staatssekretär für
       internationale Organisationen, dann, ausgerechnet, für Menschenrechte und
       schließlich für interamerikanische Angelegenheiten. In dieser Stellung
       bewahrte Abrams den damaligen Außenminister George Shultz vor dem Wüten der
       Reagan-Fraktion, die gegen die Sowjetunion in den Krieg ziehen wollte –
       indem er half, eine Reihe von Stellvertreterkriegen in Mittelamerika
       anzuzetteln.
       
       Die faschistische Rechte Lateinamerikas dürfte kaum je einen energischeren
       Fürsprecher in den USA gehabt haben. Wann immer die Öffentlichkeit von
       Massakern an unschuldigen Bauern erfuhr, ob in El Salvador, Nicaragua,
       Guatemala oder in Panama (wo Bush senior sogar US-Truppen einmarschieren
       ließ), stets kannte Abrams diewahren Schuldigen: Journalisten,
       Menschenrechtler und die Opfer selbst.
       
       Im März 1982 putschte sich General Ríos Montt in Guatemala an die Macht.
       Bald darauf verkündete der damalige US-Staatssekretär für Menschenrechte,
       Elliott Abrams, Montt habe in Sachen Menschenrechte „beachtliche
       Fortschritte erzielt“; die Anzahl der getöteten Zivilisten werde „Schritt
       für Schritt reduziert“. (5)
       
       In Wirklichkeit lagen dem US-Außenministerium „glaubhafte Aussagen über
       einen Massenmord an indianischen Männern, Frauen und Kindern durch die
       [guatemaltekische] Armee in einem abgelegenen Gebiet“ vor. Dennoch forderte
       Abrams vom Kongress, das Regime mit besseren Waffen auszurüsten, um den
       „Fortschritt zu belohnen und bestärken“. 2013 wurde Ríos Montt von der
       durch die UN unterstützte guatemaltekische Aufarbeitungskommission für den
       Völkermord an den indigenen Ixil im Departement Quiché verurteilt.
       
       ## Erfundener Bericht in einer nicht existierenden Zeitung
       
       Nachdem Abrams zum Staatssekretär für interamerikanische Angelegenheiten
       ernannt worden war, verurteilte er wiederholt die zivilgesellschaftlichen
       Organisationen, die auf die von Ríos Montts nicht weniger blutrünstigen
       Nachfolger Vinicio Cerezo verübten Massaker aufmerksam machten.
       
       1985 wurde eine Sprecherin der Grupo de apoyo mutuo (eine Organisation von
       Müttern Verschwundener) mit ihrem dreijährigen Sohn und ihrem Bruder tot in
       einem verunglückten Auto aufgefunden. Abrams deckte nicht nur die
       unglaubwürdigen Beteuerungen des Regimes, dass es sich um einen
       Verkehrsunfall gehandelt habe, sondern ging auch juristisch gegen jene vor,
       die auf einer Untersuchung bestanden.
       
       Die New York Times veröffentlichte einen Gastkommentar, der die offiziellen
       Opferzahlen des US-Außenministeriums in Zweifel zog – geschrieben von einer
       Frau, die Zeugin wurde, wie am helllichten Tage in Guatemala-Stadt eine
       Todesschwadron einen Mann erschoss, und die nie etwas darüber in der Presse
       fand. Abrams schrieb daraufhin einen offenen Brief an die Redaktion, in dem
       er einen Bericht in einer nicht existierenden Zeitung erfand, um zu
       belegen, dass über diesen Mord sehr wohl berichtet worden sei.
       
       1982 veröffentlichten die New York Times und die Washington Post Artikel
       über zwei Massaker in der Gegend von [1][El Mozote in El Salvador], verübt
       von den durch die USA ausgebildeten und unterstützten Truppen der
       Militärdiktatur. Abrams erklärte vor einem Senatsausschuss die Berichte für
       „unglaubwürdig“, und befand, es handle sich um einen Vorfall, den die
       Guerilla nach Kräften propagandistisch ausgeschlachtet habe. Mehr als zehn
       Jahre später stellte die Wahrheitskommission des Landes fest, dass in El
       Mozote „vorsätzlich und systematisch“ 5000 Zivilisten ermordet worden
       waren.
       
       Als der panamaische Diktator Manuel Noriega 1985 die Ermordung Hugo
       Spafadoras anordnete – dem Guerillaführer wurde bei lebendigem Leib der
       Kopf abgesägt –, sorgte Abrams dafür, dass Außenministerium und Kongress
       den Mantel des Schweigens über die Sache breiteten. Er argumentierte,
       Noriega sei „für uns wirklich hilfreich“ und „kein allzu großes Problem“.
       „Die Panamaer haben versprochen, uns mit den Contras zu helfen. Falls Sie
       eine Anhörung [im Kongress] durchführen, wird sie das verstimmen.“ (6)
       
       ## Vor Kongressausschüssen gelogen
       
       In die [2][Iran-Contra-Affäre war Abrams] gleich in mehrfacher Weise
       verstrickt: Als 1986 ein US-amerikanischer Söldnerpilot bei einer illegalen
       Waffenlieferung an die Contras abgeschossen wurde, erschien Abrams auf CNN
       und erzählte, dass niemand, der mit in derUS-Regierung in Verbindung stehe,
       etwas mit diesen Flügen zu tun habe: „Das wäre ungesetzlich. Es ist uns
       verboten, das zu tun, also tun wir es nicht. Dies war in keinerlei Hinsicht
       eine Operation der US-Regierung. Keineswegs.“
       
       Er erklärte, dass „der Grund, warum dergleichen geschieht, der Grund, warum
       dort Amerikaner getötet und abgeschossen werden, ist, dass der Kongress
       nicht handelt“ – indem er die Contras finanziert.
       
       Vor zwei Kongressausschüssen wiederholte er dreist, dass der Flug „nicht
       von der US-Regierung organisiert, geleitet oder finanziert wurde“. Die
       Unterstützung des Außenministeriums für die Contras habe „nicht darin
       bestanden, irgendwelche Gelder einzusammeln, sondern nur darin, den
       Kongress dazu zu bewegen, sie zu bewilligen“.
       
       All das war gelogen: Die Waffenlieferungen wurden über Generalleutnant
       Oliver North und die CIA finanziert. Und Abrams war kurz zuvor aus Brunei
       zurückgekehrt, wo er Geld für die Contras eingesammelt hatte. Die
       Aufdeckung von Abrams’ Lügen führte schließlich zu seiner Verurteilung
       wegen Irreführung des Kongresses. Aktenkundig ist die Bemerkung des
       demokratischen Senators Thomas Eagleton aus Missouri, Abrams’ Aussage sei
       „zum Kotzen“.
       
       ## Kapitulation von den Neokonservativen
       
       Als Sonderbeauftragter für Israel und Palästina im Nationalen
       Sicherheitsrat bestand Abrams’ herausragendste Leistung darin, nach der
       Wahl in Palästina 2006 die Bildung einer Regierungskoalition aus Hamas und
       Fatah im Westjordanland und in Gaza (7) zu verhindern, wie Vanity Fair 2008
       enthüllte. Er konspirierte mit Teilen der Fatah und erzwang so den Rückzug
       der von der Hamas geführten Regierung nach Gaza. Dies hat zu einer
       permanenten Spaltung geführt und der Unmöglichkeit, einen bleibenden
       Frieden mit Israel auszuhandeln (sollte Israel dazu je bereit sein).
       
       Schon 2002 hatte Abrams, einem Bericht des Guardian (8) zufolge, den
       vorübergehend erfolgreichen Militärputsch gegen den venezolanischen
       Präsidenten Hugo Chávez unterstützt. Trotz alledem berief der Council of
       Foreign Relations Abrams 2009 in eine leitende Position. Man bekam
       allerdings ein kleines Problem mit ihm, als er gegenüber dem National
       Public Radio im Januar 2013 Obamas designierten Verteidigungsminister Chuck
       Hagel als „Antisemiten“ bezeichnete. Der Leiter des Councils, Richard Haas,
       erklärte daraufhin gegenüber ABC, dieser Vorwurf sei nicht nur falsch,
       sondern habeauch „eine Grenze überschritten“.
       
       Dass jemand wie Elliott Abrams trotz seiner amoralischen – um nicht zu
       sagen destruktiven – politischen Laufbahn in den Council geholt wurde und
       daraufhin in den US-Medien als respektable Stimme in der außenpolitischen
       Debatte reüssierte, stellt eine Kapitulation des außenpolitischen
       Establishments der USA vor den Neokonservativen dar. Das gilt noch mehr für
       Abrams’ Berufung ins Außenministerium als Sonderbeauftragter für Venezuela:
       Sie könnte – trotz Trumps isolationistischer Reden – die Rückkehr zur
       grobschlächtigen Interventionspolitik früherer Zeiten bedeuten.
       
       (1) Jennifer Jacobs und Nick Wadhams, „‚Never Trumpers‘ can get State
       Departement jobs with Pompeo there“, Bloomberg, 31. Januar 2019. 
       
       (2) Die Contras, die gegen die sandinistische Regierung Nicaraguas
       kämpfende Miliz, wurde von den USA durch heimliche Waffenverkäufe an den
       kriegführenden Iran finanziert. 
       
       (3) Grace Segers, „US envoy to Venezuela Elliott Abrams says his history
       with Iran-Contra isn’t an issue“, CBS News, 30. Januar 2019,
       www.cbsnews.com. 
       
       (4) Zitiert nach Samuel Blumenthal, „The Rise of the Counter-Establishment.
       The Conservative Ascent to Political Power“, New York (Union Square Press)
       1986 und 2008. 
       
       (5) Zitiert nach Samuel Totten, „Dirty Hands and Vicious Deeds. The US
       Government’s Complicity in Crimes Against Humanity and Genocide“, Toronto
       (University of Toronto Press) 2018. 
       
       (6) Zitiert nach Stephen Kinzer, „Overthrow: America’s Century of Regime
       Change from Hawaii to Iraq“, New York (Times Books) 2006. 
       
       (7) David Rose, „The Gaza bombshell“, Vanity Fair, 3. März 2008,
       www.vanityfair.com. 
       
       (8) Ed Vulliamy, „Venezuela coup linked to Bush team“, The Guardian,
       London, 21. April 2002. 
       
       Aus dem Englischen von Robin Cackett
       
       10 Mar 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.theatlantic.com/ideas/archive/2019/02/ilhan-omar-elliott-abrams-and-el-mozote-massacre/582889/
   DIR [2] https://eu.usatoday.com/story/news/politics/2019/02/14/ilhan-omar-confronts-elliott-abrams/2868104002/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Eric Alterman
       
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