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       # taz.de -- Rassistisches Klima in Berlin: Rechte Gewalt nimmt zu
       
       > Rechte und antisemitische Gewalttaten in Berlin und Brandenburg sind
       > angewachsen. Beratungsstellen machen den Rechtsruck verantwortlich.
       
   IMG Bild: Zivilgesellschaftliche Initiativen weisen immer wieder auf hohe Dunkelziffern bei rechter Gewalt hin
       
       Berlin taz | Die Anzahl der extrem rechten, rassistischen und
       antisemitischen und LGBTIQ*-feindlichen Gewaltvorfälle hat im vergangenen
       Jahr zugenommen. 423 Menschen seien bei 309 Angriffen verletzt worden –
       davon 19 Kinder und 47 Jugendliche. So waren es 2018 in Berlin 42 Angriffe
       mehr als im Vorjahr. Das geht aus Zahlen der Opferberatungsstelle ReachOut
       hervor, die diese am Mittwoch vorstellte.
       
       Die Hälfte der Gewalttaten und schweren Bedrohungen sei rassistisch
       motiviert gewesen, ebenso gebe es einen deutlichen Anstieg von
       antisemitischen Gewalttaten von 13 auf 44. Die LGBTIQ*-feindlichen
       Gewalttaten lägen auf hohen Niveau mit 63 Taten (Vorjahr: 67). Weniger
       Angriffe habe es auf „politische Gegner*innen“ gegeben – 23 gegenüber 40 in
       2017. Zudem seien acht Angriffe auf Obdachlose bekannt geworden.
       
       ReachOut erfasst dabei einen Teil des Dunkelfeldes in dem Deliktbereich.
       Auch Taten werden registriert, die nicht in der polizeilichen
       Kriminalstatistik auftauchen, weil sie durch ihre Beratungen etwa auch von
       Betroffenen erfahren, die keine Anzeige erstatten. Die Polizei sprach
       [1][von 125 rechtsextremen Gewalttaten in Berlin].
       
       Verantwortlich für den Anstieg sieht Sabine Seyb von ReachOut insbesondere
       das gesellschaftliche Klima: „Ganz offensichtlich fühlen sich Täter durch
       rassistische geprägte Diskurse von Politikern rechtspopulistischer, aber
       auch anderer Parteien ermutigt zuzuschlagen.“ Man beobachtete eine
       Enttabuisierung von Gewalt gegenüber diskriminierten Bevölkerungsgruppen.
       Gewaltvorfälle geschehen am häufigsten im Alltag. Tatorte seien überwiegend
       Bahnhöfe, Bushaltestellen, aber auch Spielplätze. Auffällig sei der Anstieg
       von Angriffen auf Minderjährige. [2][Auch 2019 habe es bereits 9 davon
       gegeben.]
       
       ## Entsetzen, Todesangst und Hilflosigkeit
       
       Welche schwerwiegenden Folgen rassistische Gewalterfahrungen für Kinder und
       Jugendliche haben, beschrieb die Diplom-Psychologin Stephanie
       Cuff-Schöttle: „Besonders kleine Kinder sind sehr beeindruckt, wenn
       Erwachsene zu Tätern werden.“ Das gelte auch für Übergriffe auf die Eltern,
       bei denen Kinder Zeug*innen würden. Nach einem gewalttätigen Angriff litten
       Minderjährige häufig unter Entsetzen, Todesangst und Hilflosigkeit.
       
       Sie nennt das eine „Nichts-Geht-Mehr-Situation“, die sich auch in
       traumatischen Folgeerscheinungen manifestieren kann. Kinder würden
       ängstlich, seien nicht mehr in der Lage sich zu konzentrieren und
       reagierten mit Rückzug oder Aggressionen. Hinzu kämen Scham und
       Schuldgefühle nach Übergriffen, weil Erwachsene normalerweise Kindern
       Orientierung bieten sollten. Auch komme es zu Depressionen und
       Angststörungen. Die größten Probleme in ihrem Arbeitsbereich seien
       rassistische Gewalt im Alltag und antisemitisches Mobbing an Schulen.
       
       Helfen dagegen könnten am Besten die engsten Bezugspersonen, sprich: die
       Eltern. Sie müssten Nähe zum Kind herstellen und das Sicherheitsgefühl
       erneuern. Unterstützen könnten dies Vereine wie die Kreuzberger
       Beratungsstelle Kids für Kinder unter acht Jahren sowie
       Empowerment-Workshops. Wichtig sei, dass Eltern dabei ihre eigenen
       negativen Erfahrungen mit Diskriminierungen und Traumatisierungen
       reflektierten. An Schulen wünschte sich Cuff-Schöttle mehr Sensibilisierung
       sowohl von Lehrer*innen als auch Institutionen.
       
       Auch in Brandenburg, wo die [3][Opferperspektive ebenfalls Zahlen
       vorstellte], stieg die rechte Gewalt an – auf 174 Übergriffe. Hochburgen
       von rassistischen Gewalttaten seien Cottbus und die Uckermark, wo der
       Verein vor der Etablierung von rechten Strukturen warnte.
       
       Noch detailliertere Zahlen stellte das [4][zivilgesellschaftliche Register
       Berlin] vor, das neben Gewalt auch Diskriminierungen und Beleidigungen
       zählte: 3.405 solcher Vorfälle gab es 2018, ein Anstieg um 22 Prozent. Im
       Schnitt ereigneten sich in Berlin täglich neun Vorfälle zwischen
       antisemitischer Morddrohung, rassistischen Pöbeleien und schwerer Gewalt.
       
       6 Mar 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Berliner-Kriminalstatistik/!5574214
   DIR [2] /Rassistische-Gewalt-gegen-Kinder/!5571043
   DIR [3] https://www.opferperspektive.de/aktuelles/rechte-gewalt-ist-normalitaet-in-brandenburg
   DIR [4] https://berliner-register.de/sites/default/files/Registerauswertung_Berlin_2018.pdf
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Gareth Joswig
       
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