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       # taz.de -- „nd“-Redakteurin über Frauenstreik: „Im Journalismus läuft viel schief“
       
       > Beim „Neuen Deutschland“ bestreiken viele Frauen die Frauentagsausgabe –
       > die erscheint mit weißen Flecken. Redakteurin Lou Zucker erklärt die
       > Gründe.
       
   IMG Bild: Mitarbeiterinnen des „Neuen Deutschland“ und der Rosa-Luxemburg-Stiftung streiken
       
       taz: [1][Sie streiken heute gemeinsam mit vielen Frauen] aus Redaktion und
       Verlag. Wie kam es dazu und war es schwer, Ihre Kolleginnen davon zu
       überzeugen? 
       
       Lou Zucker: Wir haben die letzten Wochen hart dafür gekämpft, dass das
       heute klappt. Als erstes haben wir uns mit ungefähr zehn Frauen nach dem
       Feierabend getroffen und waren uns relativ schnell einig, dass wir streiken
       wollen. Und zwar schon am 7. März, weil wir als Journalistinnen immer alles
       einen Tag vorher machen und auch weil am 8. März in Berlin Feiertag ist.
       Später bestand bei einer größeren Frauenversammlung teilweise Uneinigkeit.
       Nicht alle waren begeistert von der Idee, schon am 7. zu streiken.
       
       Sie mussten also erst mal dafür arbeiten, dass Sie an einem Tag die Arbeit
       niederlegen können. 
       
       Die Bedenken kamen vor allem von Frauen, die schon sehr lange beim nd
       arbeiten und meinten, das könnte uns als Zeitung schaden. Wir haben dann
       erklärt, dass wir uns damit vor allem mit dem Internationalen Frauenstreik
       solidarisieren wollen. Doch auch im Journalismus läuft meiner Meinung nach
       genderspezifisch viel schief. Auch das würde ich gerne als Journalistin
       bestreiken. Wir konnten dann einige Kolleginnen noch überzeugen, in der
       Redaktion streikt heute eine Mehrheit der Frauen und auch im Verlag gibt es
       einige Unterstützerinnen des Frauenstreiks.
       
       Gibt es auch Männer, die den Streik unterstützen? 
       
       Es gibt sehr viel Unterstützung von männlichen Kollegen in der Redaktion.
       Mit der Geschäftsführung und Chefredaktion war das allerdings zunächst sehr
       schwierig. Letztlich konnten wir unser Anliegen dann aber doch durchsetzen.
       Die Kollegen argumentierten, dass die Themen aus dem Streikaufruf doch gar
       nichts mit unserer Arbeit beim nd zu tun hätten. Gerade im Moment laufen
       wir durch das ganze Gebäude und versuchen in den Gängen die übrigen Leute,
       die hier im Haus arbeiten, aus ihren Büros zu holen. Einige wollen nicht
       bei ihrer Arbeit gestört werden, einige haben sich uns spontan
       angeschlossen.
       
       Sie bestreiken heute die am Freitag erscheinende Frauentagsausgabe. Wie
       wird die denn aussehen, fast ohne Beteiligung von Frauen? 
       
       Überall, wo sonst Frauen geschrieben hätten, bleibt in der Ausgabe ein
       weißer Fleck. Es wird einen erklärenden Text dazu geben, warum diese
       Leerstellen in der Zeitung geblieben sind. Das war der Hauptstreitpunkt mit
       der Geschäftsführung und Chefredaktion. Wir als Journalistinnen haben eine
       Reichweite und im Gegensatz zu vielen anderen Frauen die Möglichkeit,
       unseren Streik sichtbar zu machen. Wenn weiße Flecken bleiben, wird
       sichtbar, was ohne Frauen fehlen würde. Streiken können wir auch ohne
       Erlaubnis der Chefredaktion, aber für die weißen Flecken brauchen wir
       natürlich auch die Unterstützung derjenigen, die am entsprechenden
       Produktionstag arbeiten.
       
       In der Frauentagsausgabe der taz erscheinen nur Texte, die von Frauen über
       Frauen geschrieben und gestaltet wurden. Für das Gelingen der Ausgabe ist
       die Arbeit von Frauen heute also unverzichtbar. Was halten Sie davon? 
       
       Einerseits finde ich interessant zu sehen, wie eine Zeitung aussieht, die
       nur von Frauen über Frauen geschrieben wurde. Mir persönlich geht es am 8.
       März aber darum, an einem Tag im Jahr die Arbeit wirklich niederzulegen.
       Doch die taz-Frauen streiken ja nicht, sondern müssen sogar mehr Arbeit
       leisten. Wir haben eine Frauentagsbeilage produziert, die heute erschienen
       ist und alleine dabei habe ich gemerkt, welche Mehrfachbelastung das war.
       Die letzten Wochen waren deshalb wirklich stressig. Wenn wir die ganze
       Zeitung alleine produziert hätten, wäre das noch viel mehr Arbeit gewesen.
       Auch die Chefredaktion meinte anfangs: „Schreib doch lieber einen klugen
       Text zu dem Thema.“ Nein, wir schreiben jeden Tag kluge Texte! Aber an
       diesem Tag schreiben wir keinen Text.
       
       Im Streikaufruf [2][fordern Sie einen „feministischen Journalismus“.] Was
       meinen Sie damit? 
       
       Darunter verstehe ich einerseits die Themensetzung und die Art der
       Berichterstattung. Sagen wir zum Paragraf 219a zum Beispiel
       Informationsverbot oder Werbeverbot? Das ist eine politische Entscheidung.
       Wenn wir morgens festlegen, welche Meldungen wir machen, ist auch das eine
       Entscheidung, die mit meiner persönlichen Prägung zu tun hat: Welches Thema
       erkenne ich überhaupt als wichtig an und welches nicht? Davon abgesehen
       geht es auch darum, keine sexistischen und rassistischen Klischees in der
       Berichterstattung zu reproduzieren. Und beim Thema Arbeitsbedingungen geht
       es darum, dass es möglich sein muss, ein Leben außerhalb der Arbeit zu
       haben. Gerade für Frauen, die mehr Sorgearbeit übernehmen, ist es schwierig
       den Arbeitsbedingungen im Journalismus zu entsprechen. Der Journalismus ist
       eine sehr konkurrenzgeprägte Branche. Auch deshalb streiken wir heute!
       
       7 Mar 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Frauenstreik-am-8-Maerz/!5578237
   DIR [2] https://www.neues-deutschland.de/artikel/1113671.frauenstreik-ein-anderer-journalismus-ist-moeglich.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Frederik Schindler
       
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