# taz.de -- Kommentar Wagenknecht und Aufstehen: Von Anfang an ein Egoprojekt
> Sahra Wagenknecht hat „Aufstehen“ genutzt, solange es Aufmerksamkeit
> generierte. Jetzt entsorgt sie die Bewegung auf schäbige Weise.
IMG Bild: Die angebliche Sammlungsbewegung „Aufstehen“ krankte an mehreren Konstruktionsfehlern
Sahra Wagenknecht will nicht mehr. Nun, da sich mit der Bewegung
„Aufstehen“ keine Publicity mehr generieren lässt, kein großes Interview,
kein Talkshow-Auftritt, nun, da also die Mühen der Ebene drohen, zieht sich
die prominente Linke [1][aus den Führungsgremien zurück]. Das was von
Anfang an auch ein Egoprojekt war, um Wagenknechts Macht in der Linkspartei
auszubauen, taugt als solches nicht mehr – also darf die Basis übernehmen.
Wie durchschaubar, wie aussagekräftig und wie traurig.
[2][Die angebliche Sammlungsbewegung] krankte ja an mehreren
Konstruktionsfehlern. Sie wurde im Kopf von Sahra Wagenknecht geboren – und
von ihrem Ehemann Oskar Lafontaine nach Kräften unterstützt. Schon die
Idee, eine Graswurzelinitiative ließe sich von oben anordnen, von einer
klar verorteten Spitzenpolitikerin, hat ja etwas Absurdes. Eine echte
Bewegung entsteht unten, durch das Engagement und das gemeinsame Interesse
vieler – siehe Fridays for Future – und nicht durch gezielte Planung
wichtiger Leute.
Wagenknechts Rolle schadete von Anfang an den berechtigten Anliegen der
„Aufstehen“-Leute. Die Spekulationen, welches wahre Motiv hinter der
Gründung steckte, rissen nicht ab. Ging es Wagenknecht um Hilfe von der
Straße für innerparteiliche Machtkämpfe? Hoffte sie auf Rückenwind für
ihren auf den Nationalstaat fokussierten Ansatz, der Migration stark
einschränken will? Bereitete sie die Gründung einer eigenen Partei vor?
Denkbar war alles, und Wagenknecht waren die Mutmaßungen nicht unrecht. So
bleibt man im Gespräch.
Auch der Gedanke, ausgerechnet Wagenknecht könne [3][eine Sammlungsbewegung
gründen], die von Sozialdemokraten und Grünen begeistert unterstützt wird,
ist einigermaßen absurd. Wagenknecht hat viele Stärken. Sie ist das
prominenteste Gesicht ihrer Partei, sie argumentiert in Talkshows
Konservative in Grund und Boden und begeistert viele Menschen. Aber sie
nutzte ihre Stärken in der Vergangenheit eben nicht, um eine Perspektive
links der Mitte zu schaffen. Im Gegenteil: Sie tat mit hämischen Angriffen
auf SPD und Grüne viel dafür, dass Rot-Rot-Grün im Bund bis heute keine
echte Perspektive ist.
## So schürt man Politikverdrossenheit
Wenn Wagenknecht heute klagt, „die Parteien, die wir ansprechen wollten,
haben sich eingemauert“, ist das eine hübsche Ironie. Ja, viele SPDler und
Grüne taten „Aufstehen“ achselzuckend ab, ohne das Potential zu erkennen.
Das war strategisch unklug. Aber es war ja vor allem Wagenknechts Name, der
für Distanz bei möglichen Bündnispartnern sorgte. Da jammert eine
Großmeisterin des Betons über die Mauern in den Köpfen anderer.
Solche Fehleinschätzungen sind das eine. Doch die Nonchalance, mit der sich
Wagenknecht jetzt vom Acker macht, ist schlimmer. Wagenknecht hat sich als
Ideengeberin und Frontfrau von Aufstehen präsentiert. Aus einer solchen
Rolle erwächst Verantwortung. Leider enttäuscht die mächtige Linke all
diejenigen, die wegen ihr auf die Straße gegangen sind. Denn eines zeigt
Aufstehen eindrucksvoll: Es gibt ein großes Bedürfnis, sich jenseits der
Parteien für linke Politik zu engagieren, glücklicherweise. Was sollen die
170.000 Menschen, die Aufstehen unterstützen, jetzt denken? Dass Bewegung
leider nur befristet möglich ist, jedenfalls wenn man wichtig ist?
Was dazu passt, ist Wagenknechts groteske Informationspolitik. Der
Arbeitsausschuss der Bewegung habe von Wagenknechts Rückzug erst aus der
Presse erfahren, hieß es am Sonntag bei Aufstehen. Wagenknecht spricht also
mit einer konservativen Sonntagszeitung über ihre Motive – ohne es für
nötig zu halten, ihre MitstreiterInnen vorab zu informieren. Die
Aufstehen-Strategen, die sich ehrenamtlich engagieren, müssen sich fühlen
wie Hanswürste.
So, liebe Frau Wagenknecht, schürt man Politikverdrossenheit.
10 Mar 2019
## LINKS
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## AUTOREN
DIR Ulrich Schulte
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