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       # taz.de -- Bologna gegen Spaghetti Bolognese: Kulturkampf um die Soße
       
       > Bologna hat ein Problem, und es ist kulinarischer Art. Der Bürgermeister
       > höchstpersönlich zieht in den Kampf gegen ein Nudelgericht.
       
   IMG Bild: Schauplatz der jüngsten Pasta-Krise: das norditalienische Bologna
       
       Bologna ist bei Auswärtigen vor allem für zwei Dinge bekannt: für die 1999
       begonnene berüchtigte Harmonisierung des europäischen Hochschulsystems –
       und natürlich für Spaghetti Bolognese. Doch während vor allem die örtliche
       Universität dafür verantwortlich zeichnet, dass die norditalienische Stadt
       zum Synonym für die heftig diskutierten [1][Bachelor- und
       Master-Studiengänge] wurde, ist die Konnotation mit dem beliebten
       Nudelgericht schlicht und einfach falsch.
       
       Insbesondere Bürgermeister Virginio Merola hat es offenbar satt, dass
       Scharen von Touristen in den Restaurants seiner Stadt ein Gericht
       bestellen, das in seiner geläufigen Form mit Bologna wenig zu tun hat. Am
       25. Februar rief er die Menschen [2][auf Twitter dazu auf], ihm Fotos von
       Spaghetti Bolognese zu schicken. Die Aufmerksamkeit, die Merola seitdem
       erhält, nutzt er für einen medialen Feldzug im Namen der kulturellen
       Identität der Bolognesi, wie sich die Einwohner der Stadt selbst nennen.
       Sein Ziel: die Welt über die Wahrheit in Sachen Bolognese aufzuklären.
       
       An dem, was wir hierzulande Spaghetti Bolognese nennen, ist in den Augen
       der Bolognesi gleich zweierlei problematisch: erstens die Spaghetti, und
       zweitens die Bolognese. Denn einerseits ist das, was man in Bologna Ragù
       alla Bolognese nennt, nicht einfach eine Tomaten-Hackfleisch-Soße, sondern
       muss unter anderem auch Möhren, Sellerie, Sahne und Weißwein enthalten, und
       andererseits, gewissermaßen als Beilage, sind Spaghetti in der Region um
       Bologna kaum verbreitet – Tagliatelle sind dort wesentlich beliebter.
       
       Was dagegen Touristen auf ihrem Teller erwarten, wenn sie Bolognese
       bestellen, muss in den Augen von Virginio Merola eine mittelschwere
       Beleidigung darstellen. Dass sie das Gericht dabei zu allem Überfluss gerne
       „Spag Bol“ nennen, verkommt da zur Nebensache. Eine Lösung für das Problem
       der Bolognesi könnte jetzt sein, Ragù alla Bolognese als [3][geographische
       Angabe] zu schützen – wie das etwa mit Schwäbischen Maultaschen oder
       Thüringer Rostbratwürsten längst geschehen ist. Dann dürften Spaghetti mit
       simpler Tomaten-Hackfleisch-Soße einfach nur noch Spaghetti mit
       Tomaten-Hackfleisch-Soße genannt werden. Der Bürgermeister jedenfalls
       verfolgt sein großes Ziel: dass der Name Bolognese endlich wieder für die
       örtliche Soße steht.
       
       Scheinbar haben italienische Bürgermeister im Allgemeinen den gewöhnlichen
       Touristen als würdigen Gegner für sich entdeckt. Kürzlich beschloss das
       Stadtoberhaupt von Venedig, Luigi Brugnaro, Tagesbesucher künftig
       [4][Eintritt zur Stadt bezahlen zu lassen]. Virginio Merola ist indes
       wichtig, zu betonen, dass nicht alles schlecht ist: Selbstverständlich
       freue man sich in Bologna über die Aufmerksamkeit, die man durch das
       Nudelgericht erhalte. Schöner wäre es aber doch, für Tortellini und
       Mortadella bekannt zu sein. Die kommen schließlich tatsächlich aus Bologna,
       und zwar in der Form, die man auch anderswo kennt.
       
       12 Mar 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Kommentar-Studienerfolgsquote/!5565507
   DIR [2] https://twitter.com/virginiomerola/status/1100041420772118528/photo/1
   DIR [3] /Was-fehlt-/!5571456
   DIR [4] /Buergermeister-bittet-Touristen-zur-Kasse/!5574184
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Tammo Kohlwes
       
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