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       # taz.de -- EU-Rechnungshof kritisiert Ökokontrolle: Keiner weiß, ob das wirklich Bio ist
       
       > Bei vielen Ökolebensmitteln ließen sich die Erzeuger nicht ermitteln,
       > sagt der Rechnungshof. Dann ist unklar, ob die Ware von einem Biohof
       > kommt.
       
   IMG Bild: Fallen immer mal wieder wegen Pestizidfunden auf: Biobananen aus der Dominikanischen Republik
       
       Berlin taz Der EU-Rechnungshof hat gravierende Mängel bei den Kontrollen
       von Bioprodukten festgestellt. Da er selbst eine Behörde der Europäischen
       Union ist, hat sein am Donnerstag vorgestellter [1][Prüfbericht] besonderes
       Gewicht.
       
       Biobauern müssen unter anderem auf chemisch-synthetische Pestizide
       verzichten, was die Natur und die Gesundheit schont. Aber ob die Landwirte
       sich an die Bioregeln halten, ist gerade bei manchen Einfuhren aus
       Nicht-EU-Staaten umstritten.
       
       „Viele Erzeugnisse konnten nach wie vor nicht zum landwirtschaftlichen
       Erzeuger zurückverfolgt werden“, schreibt der Rechnungshof. Das ist ein
       fundamentales Problem. Denn wenn sich nicht herausfinden lässt, welcher
       Landwirt ein Produkt hergestellt hat, lässt sich auch nicht feststellen, ob
       er wirklich ein Biobauer ist.
       
       Der Rechnungshof hatte den Aufsichtsbehörden Fotos von 105 Ökoprodukten wie
       Obst oder Gemüse und von verarbeiteten Waren wie Marmelade oder Brot aus
       europäischen Läden geschickt. Auch Chargennummern gaben die Prüfer an die
       Ämter weiter, teilte der Rechnungshof der taz mit. Nun sollten die Behörden
       innerhalb von 3 Monaten die Biozertifikate aller Unternehmen in der
       Lieferkette vorlegen.
       
       Doch bei 42 Prozent der Testprodukte mit mindestens einem Erzeuger,
       Verarbeiter oder Händler von außerhalb der EU klappte das nicht. Wenn alle
       beteiligten Unternehmer aus demselben EU-Staat kamen, versagte das System
       nur in 17 Prozent der Fälle. Waren von Unternehmern aus mehreren EU-Ländern
       konnten die Behörden in 29 Prozent der Tests nicht bis zum Erzeuger
       zurückverfolgen.
       
       Immerhin: „Für Erzeugnisse aus der EU fiel dieser Rückverfolgbarkeitstest
       besser aus als der Test, den der Hof für seinen Bericht aus dem Jahr 2012
       durchgeführt hatte“, erklärte die Behörde. Bei Importen sei das Ergebnis
       hingegen ähnlich wie zuvor gewesen – obwohl die EU-Datenbank „Traces“ seit
       Oktober 2017 sämtliche Bioeinfuhren erfassen soll.
       
       Manchmal bekamen die Prüfer nach eigenen Angaben erst nach mehr als 3
       Monaten Antworten. Wenn die Recherchen lange dauerten, sei es aber
       schwieriger, im Fall von Regelverletzungen zu verhindern, dass betroffene
       Ware zu den Verbrauchern gelangt.
       
       ## Falsche Herkunftsangabe
       
       Ein „Pita-Brot wurde fälschlicherweise mit der Angabe ‚EU-Landwirtschaft‘
       gekennzeichnet, obwohl die Hauptzutat des Erzeugnisses (Weizen) aus der
       Republik Moldau, der Ukraine und Kasachstan stammte“, kritisierte der Hof.
       Eine Erdbeermarmelade habe die Aufschrift „EU-/Nicht-EU-Landwirtschaft“
       getragen, „obwohl die Zutaten landwirtschaftlichen Ursprungs ausnahmslos
       aus Nicht-EU-Ländern eingeführt wurden (Erdbeeren aus Marokko und Zucker
       aus Brasilien)“.
       
       Wie schlampig manche Kontrollstellen arbeiten, zeigt dieses Beispiel: Der
       Inspektionsbericht eines türkischen Unternehmens mit 10 Produktions- und 15
       Verarbeitungsbetrieben in der Türkei, Äthiopien, Kirgisistan, Kasachstan
       und der Ukraine umfasste laut Rechnungshof nur 8 Seiten. Darin hätten
       „grundlegende Angaben“ gefehlt, beispielsweise wann die Kontrolleure die
       Betriebe besucht und wie sie sie überprüft haben wollen. „Daher besteht
       kaum Gewähr dafür, dass sämtliche Produktions- und Verarbeitungsbetriebe
       angemessen kontrolliert wurden“, so die Prüfer.
       
       Die EU-Kommission überprüft die Kontrollstellen in Drittländern laut
       Rechnungshof nur selten. Wenn sie Mängel feststellt, reagiere sie oft sehr
       langsam. Und die EU-Länder würden immer noch zu unterschiedlich mit
       Regelverstößen umgehen.
       
       ## Deutsche Branche sieht Fortschritte
       
       In einer Stellungnahme für den Rechnungshof bestreitet die Kommission
       keinen einzigen der Vorwürfe. Sie kündigte unter anderem an, die
       Rückverfolgbarkeit von Bioprodukten nun selbst zu testen.
       
       Der deutsche Branchenverband BÖLW hob hervor: „Das strenge
       Bio-Kontrollsystem hat sich weiter verbessert, nachdem der Rechnungshof bei
       der letzten Überprüfung Mängel benannt hatte.“ Alle Akteure hätten ihre
       Hausaufgaben gemacht, so dass Bio-Kunden Vertrauen in Öko-Produkte haben
       könnten, sagte Geschäftsführer Peter Röhrig der taz.
       
       Er begrüßte, dass „die Einfuhren von Bio-Produkten durch eine bessere
       Zusammenarbeit aller Beteiligten und ein harmonisiertes Vorgehen innerhalb
       der EU noch besser überwacht werden sollen“. Das aktuelle Reform des
       EU-Bio-Rechts biete auch die Chance, die Regeln für die Kontrolle und
       Überwachung von Bio-Importen weiterzuentwickeln.
       
       14 Mar 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.eca.europa.eu/de/Pages/DocItem.aspx?did=49353
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jost Maurin
       
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