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       # taz.de -- Deutschlandtag der Jungen Union: Fürs Wirtshaus taugt er schon mal
       
       > Der neue Vorsitzende der Jungen Union heißt Tilman Kuban. Der
       > Parteinachwuchs der Union hat um die Nachfolge von Paul Ziemiak gerungen.
       
   IMG Bild: Tilman Kuban war bisher Landesvorsitzender der Jungen Union in Niedersachsen
       
       Berlin taz | Die Junge Union ist das politische Erkundungsboot von CDU und
       CSU. Gut 100.000 Mitglieder hat die Jugendorganisation, 320 sind am Samstag
       in die Ostberliner Kongresshalle gekommen, um einen neuen Vorsitzenden zu
       wählen. Der letzte hieß Paul Ziemiak.
       
       Weil der aber seit dem CDU-Bundesparteitag Anfang Dezember
       [1][Generalsekretär von Annegret Kramp-Karrenbauer ist], findet nun ein
       außer der Reihe anberaumter Deutschlandtag statt. Im Saal sieht man
       überwiegend Männer, überwiegend Button-Down-Hemden und jede Menge
       Seitenscheitel. Angekündigt haben sich CDU-Chefin Annegret
       Kramp-Karrenbauer und CSU-Chef Markus Söder – der dann aber doch nur eine
       Videobotschaft und seinen Generalsekretär Markus Blume schickt.
       
       Annegret Kramp-Karrenbauers Rede fällt routiniert aus. War vor Jahresfrist
       noch die Parteivorsitzende Angela Merkel [2][von einer sehr kämpferischen
       JU-Mitgliedschaft erwartet worden], wird 2019 in Berlin unruhig geschwätzt,
       während „AKK“ spricht. Die neue Chefin umgarnt den Parteinachwuchs und lobt
       dessen Kritik an der Arbeit der Parteiführung. „Ich wünsche mir als
       CDU-Vorsitzende eine Junge Union, die uns Dampf macht“, sagt
       Kramp-Karrenbauer. „Ich bitte euch nur um eins“, sagt sie, „ihr habe heute
       das Privileg, dass ihr zwischen zwei hervorragenden Kandidaten auswählen
       könnt.“
       
       Das bedeute, dass die Fairness auch gelten muss, wenn diese Wahl vorbei
       sei. „Man ist nach der Wahl immer verantwortlich für die gesamte
       Organisation“, sagt die Frau, die beim Parteitag im Dezember nur knapp
       gegen ihren Mitbewerber Friedrich Merz gewonnen hatte. Sie freue sich auf
       „produktive Streitereien“ mit der Jungen Union. Und natürlich auf deren
       Hilfe in den anstehenden Wahlkämpfen.
       
       ## Gegen Kevin Kühnert geholzt
       
       Für Ziemiaks Nachfolge stehen zwei Kandidaten bereit. Der Thüringer Stefan
       Gruhner und der Niedersachse Tilman Kuban haben beide gute Chancen.
       Gruhner, der mit 34 Jahren laut Satzung als Übergangslösung gilt und der
       zudem in diesem ereignisreichen Landtagswahljahr den Osten repräsentiert,
       wurden im vorhinein [3][bessere Chancen attestiert]. Doch es kam anders. Am
       Ende gewann Tilman Kuban und bekam 62,7 Prozent der Stimmen.
       
       Kuban, der hörbar die Landesverbände Nidersachsen und Bayern auf seiner
       Seite hatte, hielt eine wirtshaustaugliche Bewerbungsrede, die vor allem
       laut war und ansonsten vor Klischees nur so triefte. Vom „3. bis zum 312.
       Geschlecht“ über das ermüdende Diktum von der grünen Verbotspartei bis zum
       „Nicht willkommen“-Diktum auf Kosten von Flüchtlingen war alles dabei.
       
       Der Applaus für den Kandidaten fiel stürmisch von seiten seiner
       Unterstützer aus. „Kevin, mach dein Studium fertig, dann kannst du dir eine
       eigene Wohnung leisten“, feuerte er gegen Juso-Chef Kühnert. Der, nicht
       faul, holzte via Twitter zurück: „Ich hörte man kann auch ohne zur Not noch
       CDU-Generalsekretär werden.“ Tatsächlich hat Paul Ziemiak aus privaten
       Gründen kein abgeschlossenes Studium.
       
       ## „Candystorm“ für Ziemiak
       
       Stefan Gruhners Rede hingegen war immerhin akustisch verständlich. Wie
       schon sein Mitbewerber Kuban ätzte er gegen die SPD und forderte das Ende
       von deren „Respektrente“. Seine Rolle als Landtagsabgeordneter in Thüringen
       beschrieb er als Kampf gegen Links und Rechts. „Wir brauchen eine
       Kampfansage“, rief er den Delegierten zu, die das mit starkem Applaus
       honorierten.
       
       Zur AfD stellte Gruhner klar: „Das bürgerlich-konservative Lager, das sind
       wir. Gauland und Höcke sind schäbige Populisten, und das müssen wir den
       Menschen sagen.“ Zur Erneuerung der Union forderte er, dass erst die Partei
       das Wort haben müsse und dann erst die Regierung. „Wir sind nicht der
       Abnickverein der Großen Koalition.“ In der Flüchtlingspolitik forderte er,
       dass die „Union bei Abschiebungen jetzt konsequent liefert“.
       
       In seiner Abschiedsrede hatte Paul Ziemiak noch gesagt, ihm sei bewusst,
       dass er „die Ursache“ sei, dass sich die JU hier und heute trifft. Statt
       höflichem Applaus kassierte er dafür eine Art Candy-Storm der Delegierten
       mit minutenlangem Applaus. „Man merkt, dass meine Amtszeit zu Ende geht“,
       sagte der 33-Jährige lakonisch. Die Parteiführung herauszufordern, wie es
       gute Sitte bei der Jungen Union ist, war für ihn an diesem Tag ein Ding der
       Unmöglichkeit.
       
       Stattdessen: Lob für Annegret Kramp-Karrenbauer und Manfred Weber, den
       Spitzenkandidaten der EVP zur Europawahl und jede Menge Zuspruch für die
       Ostlandesverbände. „Wahlkampf, das sind Flitterwochen für jeden
       Generalsekretär“, sagte er über die kommenden Monate. So wie es aktuell
       ausschaut, könnte darauf ein Kater folgen – in Brandenburg, Sachsen und
       Thüringen steht die fremdenfeindliche AfD mit mehr als 20 Prozent an
       zweiter und dritter Stelle in den aktuellen Umfragen. Die CDU dort könnte
       gezwungen sein, bislang undenkbare Koalitionen einzugehen.
       
       16 Mar 2019
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Anja Maier
       
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