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       # taz.de -- Rassistischer Anschlag in Christchurch: Das Übel beim Namen nennen
       
       > Die neuseeländische Regierungschefin Ardern will den Namen des
       > Attentäters von Christchurch nicht nennen. Sie sendet ein wichtiges
       > Signal.
       
   IMG Bild: Jacinda Ardern sprach am Samstag mit Vertretern der muslimischen Gemeinschaft
       
       Als Premierministerin Jacinda Ardern am Dienstag vor das neuseeländische
       Parlament tritt, [1][trägt sie schwarz]. Mit den Worten „Salaam Alaikum“,
       Friede sei mit euch, wendet sich die 38-Jährige an die Abgeordneten. Ardern
       hat an diesem Tag eine Botschaft: Sie werde niemals den Namen des
       Attentäters von Christchurch nennen, der am vergangenen Freitag [2][50
       Muslim*innen tötete]. „Mit seinem Terrorakt wollte er viele Dinge
       erreichen, eines davon war der Bekanntheitsgrad“, erklärt Ardern ihre
       Entscheidung.
       
       Der, dessen Name Ardern nicht aussprechen will, steht bereits vor Gericht.
       Dem 28-jährigen Australier wird vorgeworfen, am vergangenen Freitag in zwei
       Moscheen in Christchurch 50 Menschen erschossen zu haben. Den Angriff hatte
       er [3][live auf Facebook übertragen]. Allein dieses Verhalten zeigt, wie
       wichtig dem Täter Aufmerksamkeit war und ist. Es ist richtig, ihm davon
       nicht mehr zu geben, als nötig.
       
       Doch was bringt es, jemandes Namen nicht zu nennen? „What's in a name?“,
       was ist ein Name, fragte Julia schon Romeo, rein suggestiv. Die Antwort
       lieferte Shakespeares Protagonistin selbst: „Was uns Rose heißt, wie es
       auch hieße, würde lieblich duften.“ Kurzum: Ein Name ist Nichts, er ist
       bedeutungslos und austauschbar, denn es geht um den oder das, was sich
       hinter dem Namen verbirgt. Und Julia hat recht – aber eben auch nicht.
       
       ## Kaum ein Mensch will namenlos sein
       
       Ja, ein Name für sich erzählt nichts über den Menschen dahinter. Uns macht
       nicht aus, wie wir heißen, sondern das, was wir tun. Und doch dient ein
       Name der Kennzeichnung eines Individuums, er ist Teil unserer Identität.
       Und: Ein Name, der oft genannt wird, weckt Interesse. Je häufiger ein Name
       fällt, desto wichtiger scheint er zu sein. Wir wollen wissen, wer dieser
       Mensch ist, über den überall gesprochen und berichtet wird. Jemanden beim
       Namen zu nennen, richtet einen Scheinwerfer auf diese Person. Ein Mittel,
       dessen sich zum Beispiel Lehrer*innen gern bedienen, um für Aufmerksamkeit
       zu sorgen – das aber auch Raum für Selbstdarstellung oder -inszenierung
       bietet.
       
       Kaum ein Mensch will namenlos sein. Wenn sich jemand unseren Namen merkt,
       dann haben wir Eindruck hinterlassen – ob gut oder schlecht, ist erst
       einmal zweitrangig. Das gilt für die kleinen, zwischenmenschlichen
       Begegnungen wie für den größeren öffentlichen Diskurs. Nicht genannt zu
       werden erscheint dabei oft wie eine Strafe. Schlechte Presse ist besser als
       keine Presse.
       
       Wer einen Attentäter, der um Aufmerksamkeit buhlt, immer wieder bei seinem
       Namen nennt, gibt ihm und seiner Geschichte Platz. Diese Macht und
       Verantwortung liegt besonders in den Händen von Politiker*innen und
       Medienschaffenden, die mit ihren Worten und Bildern viele Menschen
       erreichen.
       
       Nun kann man argumentieren, dass das Übel, das Böse, doch beim Namen
       genannt werden muss. Um es sichtbar zu machen und um es analysieren zu
       können. Harry Potters Gegenspieler Lord Voldemort heißt nicht ohne Grund
       „Er, dessen Name nicht genannt werden darf“, oder „Du weißt schon wer“. In
       J.K. Rowlings magischer Welt vermeiden die Menschen den Namen Voldemorts
       aus Angst. Es sind lediglich die Mutigen, die sich trauen, seinen Namen zu
       benutzen und ihm auf diese Weise etwas von seiner selbst gewählten
       Bedrohlichkeit zu nehmen.
       
       Doch der Name des Übels, der im Falle von Christchurch ausgesprochen werden
       muss, ist nicht der Name des Täters. Das Übel trägt die Namen Rassismus,
       Muslimfeindlichkeit und Menschenhass. Diese Namen müssen ins Zentrum der
       Aufmerksamkeit gerückt werden, sie müssen immer wieder ausgesprochen und
       betrachtet werden und zwar auch losgelöst vom einzelnen Täter. Und nicht
       zuletzt sind es die Menschen, die bei dem Anschlag ihr Leben verloren
       haben, [4][deren Namen und Geschichten] wir kennen sollten.
       
       Daran appellierte am Dienstag auch Jacinda Ardern. Der Mann, der 50
       Menschen gewaltsam das Leben nahm, wird derweil andere Namen tragen. „Er
       ist ein Terrorist, er ist ein Krimineller, er ist ein Extremist“, sagte die
       Premierministerin vor ihrem Parlament. Über seine Tat wird gesprochen, er
       wird für sie vor Gericht gestellt und aus ihr zieht die neuseeländische
       Regierung erste Konsequenzen, wie die [5][Verschärfung des Waffenrechts].
       Das ist richtig und an Scheinwerferlicht genug.
       
       19 Mar 2019
       
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