URI: 
       # taz.de -- Kolumne Erste Frauen: Bloß nicht herumsitzen
       
       > Hélène de Pourtalès ist die erste Frau, die je als Seglerin bei den
       > Olympischen Spielen startete – und erste Goldmedaillengewinnerin der
       > Geschichte.
       
   IMG Bild: Von Segelpionierin Hélène de Pourtalès gibt es leider kein Bild, das sie auf dem Wasser zeigt
       
       Vielleicht dachte Pierre de Coubertin am 6. April 1896, dass es doch ganz
       gut war, nicht alles übernommen zu haben, was die Spiele der Antike
       ausmachten. Vor dem Gottesdienst, mit dem der Tag der ersten Olympischen
       Spiele der Neuzeit begann, hatten die Schaulustigen nämlich vor allem die
       griechische Prinzessin Marie bejubelt, die mitsamt ihrem Verlobten, dem
       russischen Großherzog Georgi Michailowitsch Romanow, zur Messe gekommen
       war.
       
       In der Antike hätte Marie keine Chancen gehabt, sich die Wettkämpfe
       anzusehen. Frauen war das Zuschauen verboten. Und natürlich auch das
       Teilnehmen, in diesem Punkt hatte sich Coubertin 1896 strikt an die
       Tradition gehalten.
       
       Erst vier Jahre später, bei den Spielen von Paris, durften auch
       Sportlerinnen um olympische Medaillen streiten. Allerdings nur in den
       Sportarten, die der Baron wohl für das Rahmenprogramm gehalten haben dürfte
       – im Golf, Lawn-Tennis und bei den Segel- und Reitwettbewerben. Während in
       der Leichtathletik also keine Frauen starten durften, gelang es Hélène de
       Pourtalès, nicht nur offiziell als Seglerin dabei zu sein, sondern auch
       gleich die erste Goldmedaillengewinnerin in der Olympiageschichte zu
       werden.
       
       Als Helen Barbey 1868 in New York geboren, dürfte das kleine Mädchen schon
       früh mit Sport in Berührung gekommen sein. Ihre Eltern waren Mitglieder im
       Tuxedo Club, einem exklusiven Areal am Lake Erie, auf dem es einen
       Golfplatz gab, Tennis gespielt, gerudert und im Winter Schlittschuh
       gelaufen wurde.
       
       ## Bloß nicht nur herumsitzen
       
       Gegründet hatte den Club Hélènes Großvater, der Tabakmagnat Pierre
       Lorillard, der begeisterter Segler war und mehrere Yachten besaß. 1887
       verfolgte Hélène begeistert die Rennen um den America’s Cup und schilderte
       ihre Eindrücke in Tagebucheintragungen. 1891 heiratete sie einen Segler,
       den verwitweten französischen Adligen Hermann Alexandre de Pourtalès.
       
       Ein deutliches Foto, das Hélène an Bord des Schiffes zeigt, gibt es nicht.
       Die einzige öffentlich zugängliche Aufnahme zeigt sie im Jahr 1900 in einem
       ausladenden Kleid mit vielen Rüschen und Gedöns. Was sie also trug, als sie
       gemeinsam mit ihrem Mann und ihrem Neffen Bernard am 22. und 25. Mai 1900
       im 40 Kilometer von Paris entfernten Meulan an Bord der „Lérina“ ging, ist
       nicht bekannt.
       
       Es dürfte allerdings etwas Praktisches gewesen sein, denn auf dem Schiff
       nur herumzusitzen kam nicht in Frage. Während des Rennens entstand
       jedenfalls ein Foto der „Lérina“, das, von Segeln verdeckt, drei Menschen
       zeigt, die an Bord eindeutig segeltypischen Tätigkeiten nachgehen. Gesegelt
       wurden eine lange und zwei kurze Runden, insgesamt betrug die Strecke 19
       Kilometer, Nach 2 Stunden, 15 Minuten und 2 Sekunden erreichte die „Lérina“
       als erstes Schiff das Ziel, gefolgt von sieben französischen Booten.
       
       ## Mit dem Mann auf Medaillenjagd
       
       Dass das französisch-amerikanische Paar für die Schweiz startete, hatte im
       Übrigen einen einfachen Grund: Gemischtnationale Mannschaften waren in
       Paris erlaubt, und außerdem lebten die de Pourtalès in Genf. Viele Chancen,
       mit ihrem Mann auf Medaillenjagd zu gehen, sollte Hélène nicht mehr haben.
       Herman starb 1904 im Alter von 57 Jahren, später heiratete sie Johannes
       Baptista of Löwenstein-Wertheim-Rosenberg. Viel mehr ist über ihr weiteres
       Leben nicht bekannt, 1945 starb sie in Genf.
       
       Prinzessin Marie wurde im Gegensatz zu ihrem Mann 1919 nicht von den
       Bolschewiki erschossen, weil sie aus Abneigung gegenüber ihrem Gemahl im
       Ausland weilte. Sie starb 1940 – in Athen.
       
       28 Mar 2019
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Elke Wittich
       
       ## TAGS
       
   DIR Goldmedaille
   DIR Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
   DIR Frauensport
   DIR Paris
   DIR Segeln
   DIR Kolumne Erste Frauen
   DIR Segeln
   DIR Kolumne Erste Frauen
   DIR Sportgeschichte
   DIR Kolumne Erste Frauen
   DIR Kolumne Erste Frauen
   DIR Niagara
   DIR Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
   DIR Golf
   DIR eSport
   DIR American Football
   DIR Frauensport
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Diskrimierung im Rudersport: Oben ohne in Yale
       
       Schlechte Boote und kalte Duschen: So sah das Rudern in Yale aus –
       zumindest für Frauen. Um das zu ändern, griff ein Achter zu einer
       ungewöhnlichen Maßnahme.
       
   DIR Segler starten Finale des America’s Cup: Krasse Krakenfoiler
       
       Duell der Trimmer und Kurbler: Neuseeland und Italien segeln beim Finale
       des America’s Cup mit futuristischen Yachten um die älteste Sporttrophäe.
       
   DIR Pionierin des Radsports in Italien: Verachtung und Verehrung
       
       Die italienische Radsportlerin Alfonsina Strada bewältigte 1924 den Giro
       d'Italia trotz Startverbots – allein unter Männern.
       
   DIR Geschichte des modernen Sports: Metzger gegen Hutmacher
       
       Mit der Französischen Revolution fing im Sport vieles an: Zeitmessung,
       breite Teilhabe und lustige Siegprämien. Das hatte demokratisches
       Potenzial.
       
   DIR Bedrohte Sportart: Sozialer Kastanienkampf
       
       Karen Holloway ist Weltmeisterin im Conkern. Sie kann besser
       Kastanienkaputtklackern als die Konkurrenz – besser auch als die männliche.
       
   DIR Profi-Surferin Bianca Valenti: Welliger Weg zur Gleichstellung
       
       Bianca Valenti hatte das Surfen schon aufgegeben. Als Frau sah sie keine
       Chance für sich. Über die Big Waves ist sie doch noch zum Star geworden.
       
   DIR Im Fass die Niagarafälle hinab: Risikosportlerin? Warum denn nicht!
       
       Im Holzfass die Niagarafälle hinab: Annie Edson Taylor gelang dies im Alter
       von 63 Jahren. Sie sagte anschließend, sie könne das niemandem empfehlen.
       
   DIR Kolumne Erste Frauen: Doping, die Erste
       
       Die russische Skilangläuferin Galina Kulakowa wurde als erste olympische
       Doperin überführt. Doch gilt sie als Ikone auf Skiern.
       
   DIR Frauengolfturnier in Augusta: Eroberung der Fairways
       
       Das Augusta National Golf Club führt nur zwei Frauen in seinen
       Mitgliederlisten. Auf seinem Platz findet tatsächlich ein
       Frauengolfturnier statt.
       
   DIR Kolumne Erste Frauen: Übermenschliche Präzision
       
       Kim Se-yeon ist E-Sportlerin und die erste Frau, die es in die
       „Overwatch“-Liga geschafft hat. Männliche Kollegen werfen ihr immer wieder
       Betrug vor.
       
   DIR Kolumne Erste Frauen: Sportjournalismus auf dem Parkplatz
       
       Lesley Visser ist die erste Frau, die jemals über Profi-Football schrieb.
       Sie sorgte für Frauenklos auf der Pressetribüne – aber nicht nur das.
       
   DIR Kolumne Erste Frauen: Von der Rebellin zum nationalen Star
       
       Maria Lenk war nicht gerade ein Favela-Kind. Doch für die Teilnahme an den
       Olympischen Spielen 1932 musste sie als Frau zuerst Kaffee verkaufen.