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       # taz.de -- Kommentar Deutsche Rüstungsexporte: Nicht gerade verantwortungsvoll
       
       > In der Debatte über Waffenlieferungen aus der EU knickt Deutschland ein.
       > Das zeugt weniger vom europäischen Geist als von der Nähe zur Industrie.
       
   IMG Bild: Wer keine Waffen verkauft ist uneuropäisch?
       
       Am Ende hat die Bundesregierung klein beigegeben: Die deutsche
       Rüstungsindustrie darf wieder mit europäischen Partnerunternehmen an
       Waffen arbeiten, die [1][für den Export nach Saudi-Arabien] bestimmt sind –
       trotz Menschenrechtsverletzungen und Jemenkrieg. Die Partner will man zwar
       höflich darum bitten, die Produkte vorerst nur zusammenzuschrauben und noch
       nicht auszuliefern. Schlussendlich kann die Regierung den Export aber auch
       nicht mehr verhindern.
       
       Diese Entscheidung hatte sich abgezeichnet. Die Regierungen in Paris und
       London, die bei Waffenlieferungen noch weniger Skrupel haben als die in
       Berlin, haben wochenlang Druck aufgebaut. Der Tenor: Deutschland verhalte
       sich unzuverlässig und uneuropäisch, wenn es einzelne Exporte gemeinsamer
       Rüstungsgüter verhindere. Koalitionspolitiker in Berlin übernahmen diese
       Deutung. Und am Ende musste sich nicht mehr rechtfertigen, wer noch mehr
       Hightechwaffen in eine Krisenregion liefern möchte, sondern wer dies im
       Sinne einer verantwortungsvollen Außenpolitik unterbinden will.
       
       Und das war nur ein Vorgeschmack. Die europäische Rüstungsindustrie steht
       vor einer Konsolidierung. Die EU-Länder wollen künftig stärker an
       gemeinsamen Rüstungsprojekten arbeiten, anstatt in Kleinstaaterei zig
       verschiedene Waffensysteme zu bauen. Deutschland will zum Beispiel mit
       Frankreich einen neuen Kampfpanzer und ein neues Kampfflugzeug entwickeln.
       Das ist grundsätzlich eine gute Idee, weil durch Skalengewinne die
       Effizienz steigt. Mit jedem neuen Gemeinschaftsprojekt wird sich die Frage
       nach der gemeinsamen Exportregulierung aber neu stellen.
       
       Und wie es aussieht, wird sich dabei das aktuelle Narrativ wiederholen: Wer
       kein Antieuropäer sein will, muss seine Exportschranken nach unten anpassen
       – und menschenrechtsbasierte Kriterien aufgeben.
       
       Dass die CDU auf diese Erzählung einsteigt, ist so erwartbar wie
       unglaubwürdig. Wer die europäische Integration wirklich vorantreiben
       möchte, hätte dazu abseits der Rüstungspolitik ausreichend Gelegenheit. Die
       Regierung Macron hat genug Vorschläge unterbreitet, von der Digitalsteuer
       bis zum europäischen Mindestlohn. Kanzlerin Merkel antwortete aber noch
       nicht mal öffentlich, sondern schickte die neue CDU-Chefin
       Kramp-Karrenbauer vor, die dann keinen der französischen Vorschläge
       ernsthaft aufgriff. Mit Verweis auf Europa jetzt Waffenexporten nach
       Saudi-Arabien zuzustimmen zeugt bei der Union weniger von europäischem
       Geist als eher von traditioneller Nähe zur Rüstungsindustrie und
       Geringschätzung moralischer Argumente in der Außenpolitik.
       
       ## Bestehende Abmachungen einhalten
       
       Anders liegen die Dinge bei der SPD, die die Forderung nach einem
       Rüstungsexportstopp in den Koalitionsvertrag verhandelt hatte und der man
       hier zumindest ein Mindestmaß an Überzeugung unterstellen darf. Trotzdem
       gab sie sich unter den Vorwürfen Frankreichs und Großbritanniens
       zerknirscht, statt dem Vorwurf der Unzuverlässigkeit und der mangelnden
       Integrationsbereitschaft zu widersprechen.
       
       Das ist unklug, den eine andere Erzählung wäre ja möglich: Deutschland war
       nicht der einzige EU-Staat mit einem Exportstopp für [2][Saudi-Arabien],
       auch andere setzten ihre Lieferungen aus. Das EU-Parlament fordert sogar
       mehrheitlich ein unionsweites Moratorium. Und der Gemeinsame Standpunkt des
       EU-Rats für Rüstungsexporte, dem Frankreich und Großbritannien einst
       zugestimmt haben, verbietet Exporte in Staaten, die das humanitäre
       Völkerrecht brechen.
       
       Die Debatte über europaweit verbindliche Exportrichtlinien wird noch
       schwierig genug. Wer sie im Sinne einer menschenrechtsorientierten Politik
       gewinnen möchte, sollte schon jetzt die Einhaltung bestehender Abmachungen
       einfordern und Partner in Europa an sich binden. Wer sich aber stattdessen
       für eine besonnene Exportpolitik entschuldigt, hat schon jetzt verloren.
       
       31 Mar 2019
       
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