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       # taz.de -- Kommunalwahl in der Türkei: Die Opposition meldet sich zurück
       
       > Es war nur eine Kommunalwahl, doch für Erdoğan ist ihr Ausgang fatal: Die
       > AKP verliert neben Ankara auch die Wirtschaftsmetropole Istanbul.
       
   IMG Bild: Können es kaum fassen: CHP-Anhängerinnen in der Nacht auf Montag in Ankara
       
       Istanbul taz | Die regierende AKP mit Präsident Recep Tayyip Erdoğan an der
       Spitze hat die Kommunalwahl in der Türkei in den wichtigsten Städten des
       Landes verloren. Nicht nur ging die zuvor von der AKP regierte Hauptstadt
       Ankara an die Opposition. Nach einer dramatischen Wahlnacht lag am
       Montagnachmittag auch der Oppositionskandidat in Istanbul, Ekrem İmamoğlu,
       hauchdünn in Führung.
       
       Nachdem 99,7 Prozent der rund 8,5 Millionen Istanbuler Stimmen ausgezählt
       waren, erklärte der Wahlleiter Sadi Güven, dass Erkrem İmamoğlu mit rund
       28.000 Stimmen (0,2 Prozent) vor seinem Gegenkandidaten von der AKP liege.
       In den großen Innenstadtbezirken von Istanbul hat die CHP ihren Vorsprung
       ausbauen können.
       
       Doch auch Bezirke auf der europäischen Seite am Marmarameer, deren
       BewohnerInnen lange AKP gewählt haben, sind jetzt an die CHP gegangen. In
       Kadıköy, dem Hauptort auf der asiatischen Seite – mit 3,5 Millionen
       Einwohnern eine Metropole für sich – hat die AKP gerade noch 20 Prozent
       geholt. In Beyoğlu dagegen, wo der linke Alper Taş für die CHP ins Rennen
       ging, hat die AKP knapp gewonnen.
       
       Der frühere Ministerpräsident Binali Yıldırım, der in Istanbul für die AKP
       angetreten war, hatte sich bereits in der Nacht auf Montag zum Sieger
       erklärt und die ganze Stadt mit vorbereiteten Plakaten „Danke Istanbul“
       zukleistern lassen – zu früh gefreut, wie sich später herausstellte.
       
       Allerdings wird die Wahlkommission noch mehrere Tage brauchen, bis sie die
       diversen Einsprüche unterschiedlicher Parteien geprüft hat. Erst dann kann
       sie für Istanbul ein endgültiges Ergebnis verkünden. Unter anderem Yıldırım
       kündigte am Montagnachmittag in einer Presseerklärung an, dass die AKP die
       Auszählung in Istanbul anfechten werde. Der Vorsprung der CHP sei so
       gering, dass selbst kleine Fehler einen entscheidenden Unterschied
       ausmachen würden.
       
       In Ankara dagegen musste Erdoğan die Niederlage bereits in der Wahlnacht
       anerkennen. Verliert sie nach der Hauptstadt nun auch noch endgültig
       Istanbul, wäre das ein Debakel für Erdoğan. Auch wenn die AKP landesweit
       mit 44 Prozent wieder stärkste Partei geworden ist, scheint es, als habe
       sich Erdoğan in den vergangenen 17 Jahren zu Tode gesiegt. Doch offenbar
       kämpft die AKP noch darum, den Sieg der CHP in Istanbul durch massiven
       Druck auf die Wahlkommission annullieren zu lassen.
       
       ## Kriegsrhetorik verfängt nicht mehr
       
       Der Wahlkrimi von Istanbul ist der Höhepunkt eines von der AKP überaus
       schmutzig geführten Wahlkampfes um die Städte und Gemeinden der Türkei.
       „Ich dachte, wir halten Kommunalwahlen ab“, sagte dazu der CHP-Vorsitzende
       Kemal Kılıçdaroğlu, „stattdessen tut Erdoğan, als zöge er in den Krieg“.
       Tatsächlich hatte Staatschef Erdoğan, der selbst nicht antrat, die Wahl zu
       einer Abstimmung über seine Person umfunktioniert. Es gehe um das
       „Überleben unserer Nation“, bläute er den WählerInnen ein. Die Türkei werde
       von außen- und innen bedroht.
       
       Doch Erdoğans Kriegs- und Diffamierungsrhetorik zieht offensichtlich nur
       noch bei seinen ohnehin schon überzeugten WählerInnen. In den großen
       Städten des Landes, vor allem entlang der Mittelmeer- und Ägäisküste,
       verbuchte Erdoğan eine Niederlage nach der anderen. Angefangen von Hatay im
       Südosten über Adana, Mersin und Antalya gingen alle Großstädte, die vormals
       die AKP regiert hatte, an die CHP. In Izmir, schon lange eine Hochburg der
       CHP, erlitt der AKP-Kandidat mit unter 40 Prozent der Stimmen eine
       vernichtende Niederlage.
       
       Bedeutender aber als die Entscheidungen in den weltoffenen Küstenstädte
       sind jene in Ankara und Istanbul, der Hauptstadt und der
       Wirtschaftsmetropole des Landes. In den neunziger Jahren hatte sich in den
       beiden Städten mit der Wahl religiöser Kandidaten – einer von ihnen war
       Recep Tayyip Erdoğan 1994 in Istanbul – der kommende Sieg der islamischen
       AKP im Jahr 2002 angekündigt. 25 Jahre später sind Ankara und Istanbul nun
       wieder an die schon tot geglaubte CHP gefallen.
       
       1 Apr 2019
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jürgen Gottschlich
       
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