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       # taz.de -- Neuer Kaiser in Japan: Die neue Ära „Reiwa“
       
       > Mit Kaiser Naruhito beginnt in Japan ab dem 1. Mai eine neue
       > Zeitrechnung: Vorbei mit Heisei (Frieden schaffen), Zeit für Reiwa
       > (Glückliche Harmonie).
       
   IMG Bild: Kabinettssprecher Yoshihide Suga präsentiert den Namen der neuen Ära: „Reiwa“
       
       Tokio taz | Gebannt saß halb Japan am Montagmittag vor dem Fernseher und
       wartete auf den Namen für die neue Zeitrechnung, die [1][am 1. Mai mit dem
       Amtsantritt des neuen Kaisers Naruhito] beginnt. Schließlich trat
       Kabinettssprecher Yoshihide Suga 15 Minuten verspätet vor die Kameras und
       enthüllte eine holzumrahmte Tafel mit zwei Schriftzeichen. „Der neue
       Ära-Name lautet Reiwa“, verkündete Suga. Alle TV-Sender übertrugen den Satz
       live und hielten minutenlang auf die Tafel. Was sollte die Wortschöpfung
       bedeuten? Das Zeichen für die Silbe „Rei“ steht für „gut“ oder „glücklich“,
       das Zeichen für „wa“ für „Harmonie“, „Ruhe“ oder „Frieden“. Zusammen
       gelesen könnte es „guter Frieden“ oder „glückliche Harmonie“ heißen.
       
       Die TV-Experten diskutierten eifrig, bis Regierungschef Shinzo Abe Licht
       ins Dunkel brachte. „Reiwa bedeutet, dass eine Kultur geboren wird und
       wächst, wenn die Menschen auf schöne Weise zusammenkommen und füreinander
       sorgen“, las der Premier vom Teleprompter ab. Wie die Blüte könne auch die
       Zukunftshoffnung aufgehen. „Das ist der beste Name, um unsere Hoffnung für
       die neue Ära zu zeigen“, meinte Abe.
       
       Dass der Name solche Poesie in sich birgt, könnte daran liegen, dass die
       beiden Schriftzeichen aus einem Gedicht über die Pflaumenblüte stammen, das
       in Japans erster Gedichtsammlung aus dem 8. Jahrhundert steht. Hinter der
       schönen Poesie steckte also eine unschöne nationalistische Botschaft. Alle
       vorigen 247 Epochen-Namen wurden nämlich in Literaturklassikern aus China
       gesucht. Auch die Tradition der Ära-Namen übernahm Japan aus China. Damit
       drückten die Himmelskaiser aus, dass sie auch die Zeit beherrschten. Den
       Bruch mit der Tradition begründete der rechtskonservative Abe damit,
       [2][dass auch Japan zeitlose Werte hätte.]
       
       In den vier Wochen bis [3][zur Abdankung von Kaiser Akihito am 30. April]
       und dem Ende seiner Amtszeit Heisei (Frieden schaffen) müssen Japans
       Behörden und Unternehmen nun ihre Software und Formulare auf Reiwa
       vorbereiten. Der große Aufwand ist ein Grund, warum manche die
       Namenstradition ablehnen. Andere Kritiker halten die Epochennamen
       prinzipiell für unzeitgemäß. Schließlich wurde der Kaiser durch die
       Nachkriegsverfassung vom imperialen Herrscher zum „Symbol von Staat und
       nationaler Einheit“ degradiert. Seitdem herrscht das Volk und die
       Zeitrechnung sollte sich nicht mehr nach dem Kaiser richten. Aber der
       Einwand wurde auch diesmal überhört.
       
       2 Apr 2019
       
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