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       # taz.de -- Kommentar Algeriens Präsident: Ein bisschen Licht
       
       > Die algerische Armee will Präsident Bouteflika absetzen. Für die
       > Demonstranten, die eine neue demokratische Ordnung wollen, ist sie kein
       > verlässlicher Partner.
       
   IMG Bild: Der endgültige Sieg wäre die Amtsenthebung Bouteflikas nicht – die Demonstranten wissen das
       
       „La grande muette“ – „die große Stumme“ – wie die Algerier ihre Armee
       nennen, hat gesprochen, und das zur besten Sendezeit im Staatsfernsehen.
       Armeechef General Ahmed Gaid Salah will, dass der 82-jährige, schwerkranke
       Präsident Abdelaziz Bouteflika [1][für amtsunfähig erklärt wird].
       
       Die algerische Verfassung sieht das vor, wenn der Staatschef „wegen
       schwerer und dauerhafter Krankheit“ sein Amt nicht mehr ausüben kann. Von
       einem Schlaganfall 2013 schwer gezeichnet, trifft dies auf Bouteflika schon
       lange zu. Von diesem Schritt erwartet sich der General „einen Ausweg aus
       der Krise“.
       
       Durch die Entscheidung der Armee wird Bouteflika von einer nützlichen
       Marionette, hinter der sich alle möglichen Clans der Macht – unter ihnen
       auch die Armee – versteckten, zum Bauernopfer. Denn seit nunmehr über einem
       Monat gehen die Algerier zu Hunderttausenden auf die Straße.
       
       Zuerst gegen eine fünfte Amtszeit des seit 20 Jahren amtierenden
       Bouteflikas, dann gegen die Pläne, dass er – ganz ohne Wahlen – so lange im
       Amt bleibt, bis eine neue Verfassung ausgearbeitet wird.
       
       ## Im Rahmen der aktuellen Verfassung
       
       Der endgültige Sieg wäre die Amtsenthebung Bouteflikas nicht. Die
       Demonstranten wissen das. Sie werden sicher weiter [2][auf die Straße
       gehen], um einen Übergang zu einer wirklich neuen, demokratischen Ordnung
       zu fordern.
       
       Doch General Salah will den Rahmen der aktuellen Verfassung nicht
       verlassen. Einmal für amtsunfähig erklärt, muss – so sieht es die
       Verfassung vor – in spätestens in 135 Tagen ein neuer Staatschef gewählt
       werden. Ob diese Wahlen sauber über die Bühne gehen, darf bezweifelt
       werden. Denn der Staatsapparat ist in den Händen derer, die von Bouteflika
       einst eingesetzt wurden – unter ihnen der obersten Verfassungsrichter oder
       auch Armeechef Salah selbst.
       
       Die Armee war seit der Unabhängigkeit immer der wichtigste Akteur im
       Hintergrund. Und wenn die Geschichte eines zeigt, dann, dass die Generäle
       vor nichts zurückschrecken, wenn es um das Überleben der Machtstrukturen
       als solche geht. Der blutige Bürgerkrieg der 1990er Jahre mit bis zu
       200.000 Toten und bis zu 20.000 Verschwundenen zeigt dies. Bei so manchem
       Massaker wurde nie geklärt, ob tatsächlich die Islamisten die Täter waren.
       
       Den Demonstranten ist es gelungen, ein bisschen Licht ins dunkle
       Machtgefüge zu bringen, in dem sie keinen geringeren als die Armee
       gezwungen haben, aus dem Schatten zu treten. Das Spiel ist damit klarer
       geworden, ungefährlicher ist es freilich nicht.
       
       27 Mar 2019
       
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