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       # taz.de -- Kommentar Repression gegen NGOs: Autoritäre Muster
       
       > Deutsche Umwelthilfe, Attac und das ZPS: In der Republik wird es
       > salonfähig, mit zivilgesellschaftlichen Aktivisten rigoros umzuspringen.
       
   IMG Bild: Attac-Protest gegen betrügerische Bankgeschäfte
       
       Ein Gericht gräbt einer linken NGO finanziell das Wasser ab, weil die zu
       politisch sei. Nein, das ist nicht in Polen passiert. Eine gut organisierte
       Ökogruppe pocht auf strikte Einhaltung geltender Normen – eine
       Regierungspartei will prompt die Gesetze ändern, um sie außer Gefecht zu
       setzen. Nein, das ist kein Fall aus Orbáns illiberaler Demokratie. Eine
       Gruppe politischer Aktionskünstler, die für medienwirksame Spektakel
       bekannt sind, wird von einer Staatsanwaltschaft als kriminelle Vereinigung
       verfolgt. Nein, es geht nicht um Pussy Riot.
       
       Diese drei Fälle sind in den letzten Wochen in der Bundesrepublik passiert.
       Eine Staatsanwaltschaft in [1][Thüringen ermittelt gegen das „Zentrum für
       politische Schönheit“] wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung. Das
       Zentrum hatte neben dem Haus des AfD-Politiker Höcke eine Miniaturversion
       des Berliner Holocaustmahnmals gebaut und behauptet, den AfD-Rechten
       ausspioniert zu haben, und dies sogleich widerrufen.
       
       Offenkundig war Letzteres einer jener mehr oder weniger geschmackssicheren
       Versuche der Gruppe, die Grenze zwischen Kunst und realer Aktion bis zur
       Unkenntlichkeit zu verwischen. CDU-Politiker hatten damals Ermittlungen
       gefordert, ein eifriger Staatsanwalt machte Ernst. Man muss die Aktionen
       des Zentrums, die die mediale Aufmerksamkeitsökonomie reibungslos bedienen,
       nicht mögen. Aber darum geht es nicht: Die Unterstellung, dass das Zentrum
       eine kriminelle Vereinigung ist, gegründet, um „Straftaten zu begehen“, ist
       nicht nur irgendwie überzogen.
       
       Darin offenbart sich eine Mischung aus politischer Willfährigkeit und
       Ignoranz gegenüber der Kunstfreiheit, die typisch für autoritäre Regime ist
       und wie ein Dementi jeder liberalen Demokratie wirkt. Die böse Pointe ist,
       dass bei Ermittlungen nach Paragraf 129 möglich ist, was der Gruppe
       unterstellt wurde: Überwachung.
       
       ## CSU gegen die Umwelthilfe
       
       Die beiden anderen Fälle sind weniger spektakulär, nähren aber auch gewisse
       Zweifel am rosaroten Selbstbild der liberalen Bundesrepublik. Die Deutsche
       Umwelthilfe hat juristisch Fahrverbote für Dieselautos durchgesetzt und
       Autokonzerne und die Union damit zur Weißglut gebracht. Die CDU will der
       Organisation die Gemeinnützigkeit aberkennen – damit sie nicht mehr klagen
       kann. Gemeinnützigkeit zu attestieren ist nicht Sache der Regierung,
       sondern der Finanzämter. [2][Die CSU plant nun neue Gesetze, um die nervige
       Umwelthilfe ruinieren zu können].
       
       Dies ist ein klassisches autoritäres Modell, um missliche politische
       Probleme zu lösen. Weil die Regierung unfähig ist, sich in der
       Dieselaffäre gegen Autokonzerne durchzusetzen, will man die Kritiker ins
       Aus drängen. Allerdings ist das erst mal nur ein Wunschtraum der Union. Die
       DUH hat bis 2023 die Bescheinigung, gemeinnützig zu sein, in der Tasche.
       
       Der dritte Fall: [3][Der Bundesfinanzhof hat Attac, den linken
       Globalisierungskritikern, die Gemeinnützigkeit entzogen]. Begründung: Wer
       eine Finanztransaktionssteuer fordere, verfolge nur tagespolitische Ziele.
       Und die dienen nicht dem Gemeinwohl, anders als Karnelvalsvereine. Das
       Urteil mag durch die Buchstaben der entsprechenden Abgabenverordnung
       notdürftig gedeckt sein. Aber den Versuch, die Gefahren der globalen
       Finanzindustrie zu entschärfen, zu Tagespolitik und einem nicht
       förderungswürdigen Privatvergnügen zu deklarieren, verrät schrillen
       Unverstand.
       
       Die drei Fälle sind je eigen, die Akteure verschieden. Aber sie haben etwas
       gemeinsam. Stets sollen als störend empfundene zivilgesellschaftliche
       Aktivitäten eingedämmt und verdrängt werden. Ja, der Vergleich mit
       autoritären Regimen, mit Putin und Orbán, ist überzogen. Denn es gibt hier
       eine von der Regierung unabhängige Justiz und eine kritische
       Öffentlichkeit. Eine Mehrheit für eine „Lex Umwelthilfe“ ist nicht in
       Sicht. Und Attac kann hoffen, vor dem Bundesverfassungsgericht recht zu
       bekommen. Das ist ein Unterschied ums Ganze. Mulmig wird einem trotzdem.
       
       5 Apr 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Zentrum-fuer-politische-Schoenheit/!5583407
   DIR [2] /Neue-EU-Richtlinie/!5579542
   DIR [3] /Aberkennung-der-Gemeinnuetzigkeit/!5575675
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Stefan Reinecke
       
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