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       # taz.de -- Die Wahrheit: Der E-Roller und die A-Polizei
       
       > Was passiert, wenn ein schwer hipper Elektrotretroller auf ganz analoge
       > Ordnungshüter trifft? Der Stuttgarter Kessel kocht!
       
       Ein Freund, der vor einigen Jahren den Schicksalsschlag erlitt, nach
       Stuttgart ziehen zu müssen, erlitt vor etwa sechs Monaten einen weiteren:
       Er begegnete mir. So musste mir der bemitleidenswerte Bursche auf offener
       Straße erklären, worauf er da angeritten gekommen war: auf einem E-Roller.
       
       Ein modernes Gefährt, wie es in Paris oder San Diego an jeder Ecke steht
       und sowohl die Bevölkerung mobil macht wie auch das Stadtbild versaut.
       Jedoch: In Deutschland, dem Schlaraffenland von Recht und Ordnung, sind
       diese durch einen Elektromotor unterstützten Tretfahrzeuge noch gar nicht
       zugelassen. Das Modell des Freundes erst recht nicht, denn es handelte sich
       um ein Premiumprodukt aus China oder der Schweiz und hatte eine
       Spitzenleistung von, weiß der Teufel: 290 Stukis.
       
       Jedenfalls hatte Justitia noch zu beraten, ob das Ding eine Gefahr für die
       Nation, will sagen: für die Autoindustrie darstellte. Deshalb, so mein
       Freund, der in der Ferne eine Fahrradstreife entdeckt hatte, müsse er jetzt
       auch schleunigst weiter. „Ach was“, sagte ich, „die Stadt wird doch froh
       sein über jeden Verkehrsteilnehmer, der keinen Feinstaub produziert.“
       Feinstaub bringt die Stuttgarter bekanntlich auf die Palme beziehungsweise
       auf die Antischadstoffmooswand.
       
       Also plauderten wir noch eine Weile, in der ich dem Freund versicherte, die
       Streife werde uns passieren und kein weiteres Interesse an uns und dem
       illegalen Fortbewegungsmittel zeigen.„Schönen guten Tag“, sagte der
       uniformierte Kopf der Patrouille: „Was haben wir denn da?“ Alles Flehen
       hatte keinen Zweck: Der Herr in Blau erklärte, er könne nicht einfach so
       ein Auge zudrücken, sondern müsse wenigstens mal bei der Zentrale anrufen
       und sich über dieses Modell informieren. Nachdem er angerufen hatte, hieß
       es, nun könne er weniger zudrücken, denn in Folge des Anrufs habe er jetzt
       einen Vollstreckungsauftrag. Ausdruck des Bedauerns dieser Machtlosigkeit
       war ein hämisches Grinsen.
       
       Nicht einmal Stuttgarts kommentarfreudig vorbeischlendernde Wutbürger
       konnten den Gesetzeshüter stoppen: „Isch ja wieder typisch! Der Kretschmann
       erzählt ons was vom Feinstaubalarm, und ihr müsst die junge Leut mim
       Elektroroller kontrolliera!“
       
       Um ein Haar wäre der E-Roller sogar vom A-Polizisten (das „A“ steht für
       „Analog“) konfisziert worden. Doch hier drückte er gern ein Auge zu, hatte
       er doch offenkundig keine Lust, den Roller auf seinem Fahrrad zu
       transportieren. Stattdessen eine Anzeige: Fahren ohne Fahrerlaubnis, womit
       vom Führerscheinentzug über hohe Geldstrafen bis zum Gefängnis wohl alles
       möglich ist.
       
       Keine Ahnung, wie die Sache ausging. Der Freund ist mir seither nicht mehr
       begegnet. Vermutlich sitzt er im Knast. Womöglich ist er aber auch sauer
       auf mich. Immerhin: Jüngst hat das Bundeskabinett ja die für die Zulassung
       der E-Roller nötige Verordnung beschlossen. Allerdings nur bis 20
       Stundenkilometer.
       
       9 Apr 2019
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Cornelius Oettle
       
       ## TAGS
       
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