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       # taz.de -- Neue Generation der City-Toilette: Neue Klos, alte Schwellen
       
       > Vollständig barrierefrei sollen die neuen Berliner Toilettenhäuschen
       > sein, trotzdem weist der Zugang Hindernisse auf.
       
   IMG Bild: Innenansicht der neuen Toiletten, Schnitt und Konzeption der Häuschen variiert
       
       Alles bereit fürs große Geschäft: Die neue City-Toilette am Humboldthain
       ziert eine Schleife, weiße Tischdecken dekorieren Stehtische und in einem
       Buffet-Zelt gibt es Quiche und Brezeln. Schließlich weiht man nicht jeden
       Tag feierlich ein Toilettenhäuschen ein. Gemeinsam mit Patrick Möller,
       Geschäftsführer des Stadtmöblierers Wall GmbH, schneidet Ingmar Streese,
       Staatssekretär für Verkehr (Grüne), am Dienstagvormittag das Schleifenband
       durch, woraufhin sich automatisch die elektronische Tür aufschiebt und die
       Sicht auf einen kargen Lokus aus Stahl und Emaille fällt.
       
       Ilja Seifert darf als Erster die neue Toilette besichtigen, als
       Ehrenvorsitzender des Behindertenverbands hat er Wall beraten, um das Klo
       barrierefrei zu gestalten. Dennoch führt der Eingang zur Toilette über eine
       kleine Schwelle. Als Seifert den Rollstuhl darüber manövriert, kommt er ins
       Schwanken und kippt fast hintenüber. Diese Barriere sei absolut unnötig,
       sagt er danach. Aber diese ließen sich ja noch entfernen: „Unser Ziel ist
       immer eine Null-Schwelle“, um absolute Barrierefreiheit zu erreichen.
       
       Karl von Freyhold, selbst Rollstuhlfahrer und Mitglied im Seniorenverband,
       findet zudem, „der Toilettensitz müsste wesentlich höher sein“. Besonders
       für Menschen mit Muskelschwäche sei eine Nutzung unmöglich.
       
       Wenigstens dürfen Menschen mit körperlichen Einschränkungen die Häuschen
       mit Hilfe eines Euroschlüssel-Systems umsonst nutzen. Für alle anderen
       kostet der Toilettengang 50 Cent für die Dauer von 20 Minuten, eine weitere
       Verlängerung um 20 Minuten ist möglich, danach öffnet sich die Tür
       automatisch. Wer gerade kein Münzgeld dabei hat, kann über eine neue App
       zahlen.
       
       ## Frauen zahlen, Männer pinkeln umsonst
       
       Bis Ende 2020 planen Wall und Senat insgesamt neue 190 Toilettenstandorte
       für etwa 250 Millionen Euro inklusive Instandhaltungen. Entweder werden
       alte Anlagen ersetzt oder neue Standorte eröffnet. Bislang stehen sieben
       neue Klos.
       
       Die öffentlichen Toiletten sind dabei nicht überall gleich: An einigen
       Standorten werden Wickeltische integriert, an anderen sind kostenlose
       Pissoirs auf der Rückseite der Häuschen aufgestellt. Um das „Wildpinkeln“
       einzudämmen, erklärt Dorothee Winden, Pressesprecherin der Senatsverwaltung
       für Umwelt und Verkehr.
       
       Männer dürfen also umsonst pinkeln und Frauen zahlen 50 Cent? Und das,
       obwohl das öffentliche Urinieren für Frauen eher tabuisiert ist, während
       ein pinkelnder Mann am Baum ein gewohntes Bild abgibt. Wäre es da nicht
       fair, wenn Frauen für die Nutzung weniger zahlen müssten? Winden lacht. Sie
       sagt, das widerspreche der Gleichbehandlung.
       
       9 Apr 2019
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Joana Nietfeld
       
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