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       # taz.de -- Rüstungslieferungen an Saudi-Arabien: Güter für die Jemen-Kriegsallianz
       
       > Die SPD wollte Rüstungsexporte an Länder, die im Jemen Krieg führen,
       > eigentlich stoppen. Jetzt zeigt sich: Der Koalitionsvertrag ließ
       > Hintertüren offen.
       
   IMG Bild: Bundespolizei, Zoll und Marine wollen sieben eigentlich für Saudi-Arabien gebaute Schiffe übernehmen
       
       Berlin/Hannover dpa | Die Bundesregierung hat in ihrem ersten Amtsjahr
       Rüstungslieferungen im Wert von rund 400 Millionen Euro an die von
       Saudi-Arabien geführte Jemen-Kriegsallianz genehmigt. Trotz eines von Union
       und SPD im Koalitionsvertrag vereinbarten teilweisen Exportstopps wurden in
       den ersten zwölf Monaten nach der Vereidigung des Kabinetts 208
       Einzelgenehmigungen für die acht beteiligten Länder erteilt. Das geht aus
       einer Antwort auf eine Anfrage des Grünen-Bundestagsabgeordneten Omid
       Nouripour hervor, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.
       
       Saudi-Arabien hatte die Allianz 2015 geformt, um die jemenitische Regierung
       in ihrem Kampf gegen die [1][vom Iran geförderten schiitischen
       Huthi-Rebellen] zu unterstützen. Der Krieg hat in dem Land auf der
       arabischen Halbinsel [2][eine riesige humanitäre Krise ausgelöst].
       
       Die SPD drang vor diesem Hintergrund in den Koalitionsverhandlungen auf
       einen Exportstopp für die an dem Krieg beteiligten Länder. Die Union
       willigte nur in eine deutlich abgeschwächte Formulierung ein.
       Rüstungslieferungen in „unmittelbar“ beteiligte Länder wurden untersagt und
       bereits vorgenehmigte Geschäfte ausgenommen.
       
       Als am stärksten beteiligt gelten Saudi-Arabien und die Vereinigten
       Arabischen Emirate (VAE). Das Königreich Saudi-Arabien setzt nach Angaben
       des saudi-nahen TV-Senders „Al-Arabiya“ etwa 100 Kampfjets ein. Die VAE
       haben vor allem im Süden des Jemens um die Hafenstadt Aden Soldaten
       stationiert.
       
       Die für diese beiden Länder erteilten Genehmigungen im ersten
       Regierungsjahr machen zusammen drei Viertel des Gesamtvolumens von 398
       Millionen Euro für die Kriegsallianz aus. Alleine für Saudi-Arabien wurden
       zehn Genehmigungen mit einem Wert von 255 Millionen Euro erteilt –
       allerdings alle vor November 2018. Seitdem gilt der komplette Ausfuhrstopp
       wegen der Tötung des saudischen Regierungskritikers [3][Jamal Khashoggi],
       über den die Koalition aktuell streitet. Für die VAE wurden 68
       Genehmigungen im Wert von 57 Millionen Euro erteilt.
       
       Auch für andere Mitglieder der Kriegsallianz wurden Lieferungen in
       Millionenhöhe genehmigt: Kuwait (65 Genehmigungen mit dem Gesamtwert 47,7
       Millionen Euro), Bahrain (9/16,2 Millionen Euro), Ägypten (35/11,8
       Millionen Euro), Jordanien (19/11,3 Millionen Euro). Selbst für den Senegal
       wurden zwei Exporte mit einem Wert von rund 55.000 Euro genehmigt, nur für
       den Jemen selbst gab es keine Exportgenehmigungen. Marokko verließ die
       Kriegskoalition im Februar.
       
       Die Grünen-Rüstungsexpertin Katja Keul kritisierte die Fortsetzung der
       Rüstungsexporte an die Länder der Jemen-Allianz scharf und forderte einen
       „endgültigen Exportstopp“ für die gesamte Kriegskoalition. „Die
       Bundesregierung muss endlich zu ihrer Verantwortung stehen und
       Rüstungsexporten in Krisengebiete einen Riegel vorschieben“, sagte sie.
       
       ## Koalitionsstreit über Exportstopp
       
       Derweil warnt auch der SPD-Vizevorsitzende Ralf Stegner im Koalitionsstreit
       über eine Verlängerung des Rüstungsexportstopps vor jeglicher Aufweichung.
       Erwägungen, europäischen Rüstungspartnern zumindest teilweise
       entgegenzukommen und zumindest Exporte gemeinsam produzierter Rüstungsgüter
       mit geringer deutscher Beteiligung zu ermöglichen, lehnt er ab. „Wenn Sie
       sagen „Keine Waffenexporte in Krisengebiete und Diktaturen“, dann heißt das
       keine. Und nicht: ein bisschen“, sagte Stegner am Donnerstag im
       ZDF-„Morgenmagazin“.
       
       „Exporte nach Saudi-Arabien sind nicht im europäischen Interesse. Das sind
       keine europäischen Verteidigungsbelange, die dort berührt sind. Dass man
       zusammenarbeiten muss bei Beschaffungen und solchen Dingen in Europa, das
       ist schon in Ordnung.“
       
       Der Streit zwischen Union und SPD über eine Verlängerung des
       Rüstungsexportstopps für Saudi-Arabien zieht sich in die Länge. Nur wenige
       Tage vor der selbstgesetzten Frist am Monatsende für einen Kompromiss war
       am Mittwoch im Kanzleramt ein Einigungsversuch des geheim tagenden
       Bundessicherheitsrats gescheitert. Das Gremium mit Kanzlerin Angela Merkel
       (CDU) an der Spitze vertagte seine Beratungen auf einen unbestimmten
       Zeitpunkt. Die Suche nach einer Lösung soll zunächst auf Parteiebene
       fortgesetzt werden.
       
       ## Bund übernimmt Boote
       
       Mehrere Rüstungsunternehmen behalten sich bei einer weiteren Verlängerung
       rechtliche Schritte gegen die Bundesregierung vor. Betroffen von dem
       Exportstopp sind unter anderem 300 Arbeitsplätze bei der Lürssen-Werft in
       Wolgast (Mecklenburg-Vorpommern).
       
       Dafür scheint es jetzt aber eine Lösung zu geben. Bundespolizei, Zoll und
       Marine wollen sieben eigentlich für Saudi-Arabien gebaute Schiffe
       übernehmen, falls der Rüstungsexportstopp in das Land um weitere sechs
       Monate verlängert wird. Das meldet das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND)
       unter Berufung auf Kreise der Bundesregierung. Die sechs Patrouillenboote
       und ein Ausbildungsschiff sind bereits von der Bremer Lürssen-Gruppe fertig
       gebaut worden und sollten eigentlich an Saudi-Arabien geliefert werden. Die
       Patrouillenboote würden insgesamt 120 Millionen Euro kosten, das
       Ausbildungsschiff 45 Millionen.
       
       Laut RND haben Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU),
       Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und Bundesfinanzminister
       Olaf Scholz (SPD) dem Deal zugestimmt. Wie viele Schiffe jeweils von
       welchem Ministerium übernommen würden, sei noch unklar.
       
       28 Mar 2019
       
       ## LINKS
       
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