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       # taz.de -- Abschiebung nach Vietnam: One-Way nach Hanoi
       
       > Die bayerischen Behörden schieben einen Schriftsteller und seine Frau
       > nach Vietnam ab – obwohl der Mann dort als „Volksfeind“ geführt wird.
       
   IMG Bild: Die Klavierspielerin Hong An mit ihren inzwischen abgeschobenen Eltern
       
       Berlin taz | Bayern hat am Dienstag einen vietnamesischen Schriftsteller
       und Menschenrechtler abgeschoben, der 2017 und 2019 für den
       Literaturnobelpreis nominiert war. Aktuell ist er zudem für den
       Robert-Kennedy-Preis of Human Rights sowie für den
       Václav-Havel-Menschenrechtspreis vorgeschlagen. In Vietnam ist der bekannte
       Autor massiv bedroht. Ein Sprecher der Stadt Nürnberg bestätigt der taz die
       Abschiebung. Grund war ihm zufolge der abgelehnte Asylantrag.
       
       Nguyen Quang Hong Nhan ist einer der wichtigsten vietnamesischen Autoren
       und auch politisch als Menschenrechtsverteidiger aktiv. Wegen „Propaganda
       gegen den sozialistischen Staat“ wurde er 1979 zu einer zwanzigjährigen
       Haftstrafe verurteilt, die er fast vollständig absitzen musste.
       
       Nach seiner Freilassung gründete er eine Hochschule, die die Regierung
       wieder schloss. Er schrieb mehr als zwanzig Bücher und gründete ein
       Menschenrechtsinstitut, das der Hanoier Regierung ein Dorn im Auge war.
       
       Ehemaligen politischen Gefangen wird in Vietnam oft der Reisepass entzogen.
       2015 konnten der Autor und seine Frau das Land trotzdem verlassen – als
       Begleitpersonen für ihre damals noch minderjährige Tochter. Die heute
       19-jährige Hong An gilt als musikalisches Wunderkind. Sie durfte zu
       Klavierwettbewerben nach Europa reisen. Die Familie nutzte die Gelegenheit,
       um in Deutschland Asyl zu beantragen.
       
       Der Tochter zufolge, die in Nürnberg Klavier studiert und ebenfalls von
       Abschiebung bedroht ist, wurden ihre Eltern am Dienstagmorgen von der
       Polizei zur Abschiebung abgeholt. Anwalt Manfred Hörner sagt der taz: „Der
       Asylantrag sowie ein Asylfolgeantrag wurden in Bayern abgelehnt, weil sich
       die vietnamesische Regierung angeblich nicht für die publizistische
       Tätigkeit meines Mandanten interessieren würde.“
       
       Eine grobe Fehleinschätzung, denn Nguyen Quang Hong Nhan sowie Frau und
       Tochter werden auf einer Website der Hanoier Regierung als „Volksfeinde“
       und „antivietnamesische Kräfte“ denunziert. Das sieht auch Hong An Duong
       vom Forum Vietnam 21 in Stuttgart kritisch: „Der Autor hat sich doch ganz
       klar in seinen Publikationen gegen die Hanoier Regierung gestellt. Die
       nimmt das sehr wohl wahr. Außerdem hätte er schon allein wegen eines
       erlittenen Schlaganfalls nicht abgeschoben werden dürfen. Hier muss sich
       Bayern vielen offenen Fragen stellen.“
       
       Normalerweise werden Asylanträge von vietnamesischen Staatsangehörigen gar
       nicht in Bayern bearbeitet. Zuständig sind Berlin, Brandenburg,
       Nordrhein-Westfalen und Sachsen. Dort sind die Asylanhörer und
       Verwaltungsgerichte qualifiziert, über Verfolgungsgründe in Vietnam zu
       entscheiden. Warum der Asylantrag dieser Familie ausnahmsweise in Bayern
       bearbeitet wurde, beantwortete das Bayerische Landesamt für Asyl und
       Rückführungen nicht.
       
       Die Tochter des Schriftstellers sagte der taz, ihre Eltern seien nach der
       Ankunft in Hanoi vierzehn Stunden lang von der Polizei verhört und dann
       zunächst freigelassen worden. Wo sie sich jetzt befinden, wisse sie nicht.
       
       In Deutschland lief noch eine Klage des Ehepaars gegen die Ablehnung ihres
       Asylfolgeantrags. Zudem hatte die Familie eine Weiterwanderung nach Kanada
       beantragt. Die kanadische Regierung hatte sich offen gezeigt, den Antrag zu
       prüfen. Dazu hätte die Familie in die kanadische Botschaft nach Wien fahren
       müssen. Wegen der Residenzpflicht durften sie allerdings Nürnberg nicht
       verlassen.
       
       Die Tochter kritisiert gegenüber der taz auch die Art der Abschiebung. Ihr
       Vater sei nach seinem Schlaganfall dauerhaft auf Medikamente angewiesen.
       Die konnte er allerdings nicht mitnehmen. Auch ein Arzt hätte die
       Abschiebung nicht begleitet. Bayerische Behörden haben sich dazu bis
       Redaktionsschluss nicht geäußert.
       
       Die Tochter selbst konnte nicht abgeschoben werden, weil sie keinen
       gültigen Reisepass hat. Sie fürchtet aber, dass das nächste Woche
       nachgeholt wird. Auch die 19-Jährige ist publizistisch tätig.
       
       1 Apr 2019
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Marina Mai
       
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