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       # taz.de -- Wohnungen in Bremen: Kein Friede den Palästen
       
       > Die Linkspartei will den Wohnungsbau-Konzern Vonovia großflächig
       > enteignen. Für SPD und Grüne ist Verstaatlichung aber nur ein letztes
       > Mittel.
       
   IMG Bild: Über 100 Menschen gingen am Mittwoch in Gröpelingen gegen die Vonovia auf die Straße
       
       Bremen taz | In der Debatte um die Enteignung privater Wohnungsbau-Konzerne
       ist ein Streit zwischen dem rot-grünen Senat und der Linkspartei entbrannt.
       Das dürfte auch in möglichen Koalitionsverhandlungen nach der
       Bürgerschaftswahl eine wichtige Rolle spielen.
       
       [1][Während die Linkspartei am Wochenende einstimmig beschlossen hat], dass
       die mehr als 11.000 Wohnungen der Wohnungsgesellschaft Vonovia in Bremen
       alle enteignet und verstaatlicht werden sollen, lehnen sowohl SPD als auch
       Grüne das klar ab. „Im Moment denken wir über Enteignungen nicht nach“,
       sagt Jens Tittmann, der Sprecher des grünen Bausenators. „Wir wollen das
       Geld lieber nutzen, um selbst Wohnungen zu bauen.“ Dafür habe das Ressort
       freie Flächen für 20.000 Wohnungen identifiziert, so Tittmann.
       
       SPD-Fraktionschef Björn Tschöpe kann sich Enteignungen zwar „im Grundsatz
       vorstellen“ – er hält sie jedoch weder für wirtschaftlich noch für
       effizient. Denn die Vonovia müsste für Enteignungen entschädigt werden,
       „und bei 11.600 Wohnungen kommen über 520 Millionen Euro zusammen, wenn
       Bremen im Schnitt 45.000 Euro pro Wohnung zahlt“, rechnet Tschöpe vor. „Wir
       haben da andere Prioritäten“, sagt er. Vonovia selbst äußert sich nicht zu
       den Rechenspielen.
       
       Bei der Linkspartei hingegen werden schon konkrete Schritte geplant. Der
       Beirat Hemelingen debattiert gerade einen Antrag, den die Linke gemeinsam
       mit den Piraten eingebracht hat. Sie will die Vonovia am Sacksdamm
       „enteignen“ – und das Baugrundstück der jetzt städtischen Brebau
       zuschlagen, die dann dort „dauerhaft günstigen Wohnraum“ schaffen soll.
       
       Die Vonovia plant auf dem dortigen Gebiet der bereits abgerissenen
       Schlichtwohnungs-Siedlung 88 Wohnungen – 66 davon werden eine Kaltmiete von
       durchschnittlich 9,50 Euro pro Quadratmeter haben, 22 Wohnungen werden dank
       der Sozialwohnungsquote für maximal 6,50 Euro pro Quadratmeter angeboten.
       Im Jahr 2020 wollen sie bezogen werden.
       
       Die Sozialwohnungsquote „löst die Wohnungsprobleme nicht für alle
       Bevölkerungsteile und vor allem nicht dauerhaft“, sagt Ingo Tebje von der
       Linkspartei – nach Auslaufen der Mietpreisbindung werde mit diesen
       Wohnungen „nochmal ordentlich Profit gemacht“. Er hält eine Enteignung „zum
       Wohle unseres Stadtteils“ rechtlich für „durchführbar“. Auch der Hemelinger
       Ortsamtsleiter Jörn Hermening glaubt, eine Enteignung sei „natürlich
       rechtlich zulässig“ – Ressortsprecher Tittmann indes hat da „Zweifel“. An
       eine Enteignung denkt man in der Behörde ohnehin nicht: „Wir werden das
       nicht machen.“
       
       Bei der Vonovia will man sich nicht „in die Debatte der Politik
       einschalten“, sagt Konzernsprecherin Panagiota-Johanna Alexiou der taz. Die
       Befürchtung, in der Stadt keine bezahlbare Wohnung zu finden, sei aber
       durchaus real. Und darauf müsse das Unternehmen eine Antwort finden. „Wir
       können uns selbstkritisch fragen, warum wir nicht früher und aktiver in den
       Neubau eingestiegen sind“, so Alexiou.
       
       Die Vonovia baut aber nicht nur, sie verkauft auch: Derzeit will der
       Konzern 400 Wohnungen in der Lüssumer Heide an die Gewoba verkaufen,
       nachdem es dort wiederholt medienwirksamen Streit um extrem hohe
       Betriebskostenabrechnungen gab, die zum Teil der Staat zahlen muss. Weitere
       Verkäufe seien aber nicht geplant, so die Vonovia.
       
       ## Vonovia-MieterInnen auf Zinne
       
       Aus Sicht des Bausenators Joachim Lohse sind Enteignungen eine „Ultima
       Ratio“, wenn sich Konzerne „in rücksichtloser Weise bereichern“. Und genau
       das könnte in den Hochhäusern Neuwiederstraße 1 und 3 in Tenever der Fall
       sein – die allerdings nicht der Vonovia gehören. Dort kann sich die SPD
       eine Enteignung „vorstellen“, sagt Tschöpe – und hat auch schon eine
       entsprechende [2][Anfrage an den Senat] gestellt. „Das ist ein langer und
       beschwerlicher Weg“, heißt es aus dem Bauressort, wo man zunächst auf
       Reklamationen und Gespräche setzt.
       
       Unterdessen gehen auch die MieterInnen der Vonovia auf die Barrikaden. In
       Gröpelingen demonstrierten am gestrigen Mittwoch über 100Menschen unter dem
       Motto „Vonovia stoppen“. Sie fordern überprüfbare Belege für Betriebskosten
       und wehren sich gegen Mieterhöhungen und „Modernisierungen auf unsere
       Kosten“.
       
       Die Vonovia reagiert auf die Proteste mit einer Mietersprechstunde. Zudem
       seien zusätzliche Mitarbeiter eingestellt worden, um den Service wie
       gefordert zu verbessern, so Alexiou. „Wir wollen, dass unsere Mieter bei
       uns wohnen bleiben und deswegen nehmen wir ihre Sorgen sehr ernst“, sagt
       die Konzernsprecherin. Wenn BewohnerInnen nach einer Modernisierung die
       Miete nicht aufbringen könnten, setze die Vonovia „alles daran, gemeinsam
       eine Lösung zu finden“ und begleite Härteanträge „persönlich, individuell
       und konstruktiv“.
       
       11 Apr 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.dielinke-bremen.de/nc/politik/aktuell/detail/zurueck/bremennews/artikel/landesparteitag-fordert-die-enteignung-von-vonovia/
   DIR [2] https://www.bremische-buergerschaft.de/drs_abo/2019-03-27_Frage%201%20Stadtb%C3%BCrgerschaft_56160.pdf
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jan Zier
       
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