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       # taz.de -- Die Wahrheit: Being Greta Thunberg
       
       > Im Supermarkt trifft man auf die einfachen Leute, die mit ihrem sehr
       > eigenen Sinn für Ästhetik das nötige Pensum an Saufstoff erwerben.
       
   IMG Bild: Der Befehl zum digitalen Angriff auf Rezo und seine Spießgesellen kam von ganz oben
       
       Ich musste schnell noch was einkaufen, bevor die Kinder nach Hause kommen.
       Nun liegt das Nutella-Glas im Einkaufswagen, ohne das die Kinder nicht nur
       am Freitag, sondern jeden Tag streiken würden, aber weil sie gerade wegen
       der Fridays for Future ihr ökologisches Gewissen entdecken, musste ich
       ihnen versprechen, zum Ablass für ihre Sünde noch ein Päckchen
       Fairtrade-Bio-Kaffee zu kaufen.
       
       Ich bin spät dran. Leider steht vor der einzigen geöffneten Kasse ein
       mittelaltes Paar, das den Weg mit sich und seinem Einkaufswagen versperrt.
       „Sach mal, du Spacken, du solltest doch den Wodka holen, und wo isser
       nun?“, ruft die leicht lallende Frau dem stark schwankenden Mann zu, der
       sich erst mal konzentriert über den Wagen beugt. Hatte er wirklich
       vergessen, den Wodka reinzupacken? Jetzt fällt es ihm wieder ein: „Ich hab
       den Wodka doch geholt!“ Ein Glück, denke ich, dann kann es ja weitergehen.
       
       Aber nicht ganz unberechtigterweise fragt sie: „Aber wo isser dann?“ Der
       Typ antwortet genervt: „Weiß ich doch nicht!“, und schon starren beide
       wieder abwechselnd ratlos aufeinander und in den Einkaufswagen.
       
       Das kann offenbar noch dauern, also sage ich: „Entschuldigung, würden Sie
       mich bitte vorlassen?“ Die Frau antwortet angriffslustig: „Vordrängeln ist
       ja wohl das Letzte!“ – „Ich will mich doch gar nicht vordrängeln“, versuche
       ich, die Lage zu deeskalieren. Mit Erfolg, denn jetzt wendet sie sich
       wieder dem Typen zu: „Du hast den Wodka vergessen, du Pfeife!“ – „Ey, ich
       kann mich doch nicht um alles kümmern!“ – „Wir hatten gesagt: du den Wodka,
       ich den Feigling, aber du hältst dich ja nie an Verabredungen!“ Oha,
       Probleme, denke ich. Worauf der Typ sich zu mir umdreht und sagt: „Hastun
       Problem, odawas?“
       
       Da nimmt das Gespräch eine überraschende Wendung, denn jetzt sagt sie:
       „Lass mal, der hat so schöne Augen.“ Der Typ und ich, wir gucken sie beide
       verblüfft an, aber sie hat ihr Urteil gefällt: „Wirklich. Schau in seine
       Augen! Und schau in seinen Wagen! Leute mit solchen Augen können die Welt
       retten. Und er kauft Bio-Kaffee.“ – „Der will doch nur vordrängeln!“, wehrt
       der Typ sich empört, und da mir das Ganze allmählich unangenehm wird, gehe
       ich rasch ein paar Schritte den Gang zurück, schnappe mir eine Flasche
       Wodka aus dem Regal, lege sie dem Paar in den Einkaufswagen und sage: „So.
       Und jetzt können Sie doch einfach bezahlen, nicht wahr?“ Die beiden schauen
       kurz überrascht, dann sagt er: „Nee, Meister, kein Problem, kannst gerne
       auch vor. So eilig ham wir’s gar nicht, wa?“
       
       Ich bedanke mich, zahle und höre im Rausgehen, wie sie mir nachruft: „Und
       jetzt geh mal schön die Welt retten, Schatzi! Ist schließlich Freitag!“
       Während er sich offenbar wieder an sie richtet: „Sag mal, wolltest du nicht
       noch den Jägermeister holen?“ Fast tut es mir leid, dass ich jetzt schon
       draußen bin. Ich fürchte, ganz alleine kann ich die Welt leider auch nicht
       retten. Nicht einmal, wenn ich zu jedem Nutella-Glas eine Packung
       Bio-Fairtrade-Kaffee kaufe.
       
       12 Apr 2019
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Heiko Werning
       
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