# taz.de -- Protest gegen Kühne + Nagel-Neubau: „Peinlich und respektlos“
> Die Logistikfirma Kühne + Nagel feiert Richtfest am Neubau des Bremer
> Stammsitzes an der Domsheide. AktivistInnen protestierten mit einem
> 30-Meter-Transparent.
IMG Bild: Vorwurf der Mittäterschaft an NS-Verbrechen: Transparent am Neubau von Kühne + Nagel
taz: Frau Schmidt, was erwarten Sie von [1][Kühne + Nagel]?
Melanie Schmidt*: Das Unternehmen erkennt bis heute nicht seine
Verantwortung an: Kühne + Nagel war während der NS-Zeit Hauptakteur und
Hauptprofiteur der sogenannten „Arisierung“ jüdischen Eigentums. Es geht
darum, dass das Unternehmen diese Rolle nicht mehr leugnet und seine
Firmenarchive öffnet – auch damit die Gesellschaft analysieren kann, was
stattgefunden hat, und damit verhindert werden kann, dass so etwas jemals
wieder passiert.
Sie habe am Sonntag mit anderen Aktivist*innen ein Banner am Neubau der
Firma an der Domsheide angebracht, [2][mit den Worten: „Auf Raub gebaut“].
Wie meinen Sie das?
Anlass ist das heutige Richtfest des Neubaus. Wir wollten das nicht
unkommentiert lassen. Kühne + Nagel ist der drittgrößte Logistikkonzern der
Welt, macht Umsatz in Milliardenhöhe und Gewinnen im dreistelligen
Millionenbereich. All das basiert auf der Mittäterschaft an NS-Verbrechen.
Die Firma hat maßgeblich zur „M-Aktion“ beigetragen, bei der jüdisches
Eigentum abtransportiert und verwertet wurde. Sie wurde mehrfach als
NS-Musterbetrieb ausgezeichnet.
Der Konzern hat lange Zeit erklärt, es sei „unklar“, ob die Durchführung
von Möbeltransporten wissentlich und willentlich geschah.
Eine Ausrede! Im April 1933 wurde Adolf Maass als jüdischer Miteigentümer
aus dem Unternehmen gedrängt, wenige Tage später trat Alfred Kühne, der
Vater von [3][Klaus-Michael Kühne], in die NSDAP ein. Das war auch schon
früher klar. Aber diese Aufarbeitung ist zivilgesellschaftlichen Akteuren,
unermüdlich recherchierenden Wissenschaftler*innen und Journalist*innen zu
verdanken. Das Unternehmen hat das kein bisschen unterstützt.
Wie viele Leute stehen hinter Ihrer Aktion?
Zumindest so viel ist klar: Mit einer Person kann man kein 30 Meter großes
Transparent aufhängen.
Zuletzt wurden im alten [4][Kühne + Nagel-Gebäude die Fenster mit Zahlen
von „Arisierungs“-Transporten bemalt]. Stecken Sie auch da dahinter?
Das ist nicht relevant. Wichtig ist, dass wir nicht die einzigen sind und
es weder die erste noch die letzte Aktion ist, die das Unternehmen an seine
Verantwortung erinnert. Das Engagement der Zivilgesellschaft ist in Bremen
groß.
Zwar nicht direkt bei Kühne + Nagel, aber doch in der Nähe des Neubaus an
der Schlachte soll [5][nun das Mahnmal entstehen, das an die
„Arisierungs“-Gewinne erinnert]. Was halten Sie von diesem Kompromiss?
Der richtige Standort wäre direkt bei Kühne + Nagel.
Der Platz ist jetzt zugebaut.
Dort wäre immer noch Platz. Das Problem ist: Man will es nicht.
Sie meinen, es ist politisch nicht durchzusetzen, Kühne + Nagel ein Mahnmal
vors Haus zu setzten?
Es ist ganz klar, dass es nur auf Druck von Kühne + Nagel nicht direkt am
Neubau entstehen soll. Und das ist ein Unding.
Unter anderem der Verband der Bremer Spediteure – in dem auch Kühne + Nagel
ist – will sich ja nun an den Kosten des Mahnmals beteiligen.
Das behaupten sie. Aber es braucht eine feste Zusage – auch von Kühne +
Nagel. Es ist peinlich und respektlos, dass das bis heute noch nicht
passiert ist. Aber es darf auch kein Rauskaufen sein, sondern ist nur ein
Bestandteil der Verantwortungsübernahme.
Meinen Sie, Ihre Transpi-Aktion hilft da weiter?
Ja. Ich glaube, es ist wichtig, immer wieder daran zu erinnern. Was ist die
Alternative? Dass sie sich mit ihrem Neubau ablichten lassen können, ohne
Erinnerung daran, auf was der Erfolg basiert? Das kann es nicht sein. Wenn
es nicht vom Unternehmen kommt, muss die Zivilgesellschaft die
Verantwortung übernehmen.
16 Apr 2019
## LINKS
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## AUTOREN
DIR Jean-Philipp Baeck
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