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       # taz.de -- Seehofers umstrittenes Abschiebegesetz: Widerstand gegen die Verschärfungen
       
       > Seehofers Gesetzentwurf landet im Kabinett: Geflüchtete sollen schneller
       > in Haft und einen neuen Duldungsstatus erhalten. Die Länder protestieren.
       
   IMG Bild: Seehofer will mehr solcher Bilder: Abgelehnte Asylbewerber betreten einen Abschiebeflieger
       
       BERLIN taz | An diesem Mittwoch will Horst Seehofer seinen umstrittenen
       Gesetzentwurf durchs Bundeskabinett bringen: das
       „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“. Abschiebungen sollen damit effizienter, ihre
       Zahl erhöht werden, so will es der CSU-Bundesinnenminister. Doch die neue
       Härte bleibt umstritten. Noch bis zuletzt kam Kritik aus den Ländern – auch
       aus den eigenen Reihen.
       
       Er habe „erhebliche rechtliche und tatsächliche Bedenken“, heißt es etwa in
       einem Schreiben von NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU) an Seehofers
       Ministerium, das der taz vorliegt. So soll es mit dem neuen Gesetz möglich
       sein, Abzuschiebende auch in normalen Haftanstalten festzusetzen, nicht nur
       im speziellen Abschiebegewahrsam.
       
       Dies berge „massive Sicherheitsprobleme“, warnt Biesenbach. Und es verstoße
       gegen das europäische Trennungsgebot: Abschiebehaft sei keine Strafe, auch
       müssten ja die Familien und Kinder der Geflüchteten mit inhaftiert werden.
       So oder so: Die Haftanstalten in NRW seien „praktisch voll belegt“. Es
       fehle „für Jahre an jeglichen Kapazitäten“.
       
       Auch Hamburgs Justizminister Till Steffen (Grüne) nennt die neue
       Haftregelung „nicht akzeptabel“ und „systemwidrig“. Auch sonst sei der
       Gesetzentwurf „in deutlichem Maße problematisch, undifferenziert und in
       weiten Teilen verfassungsrechtlich bedenklich“.
       
       ## Reihenweise Verschärfungen
       
       Tatsächlich plant Seehofer gleich eine Reihe an Verschärfungen. So sollen
       Geflüchtete, die zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten
       verurteilt wurden, künftig schneller abgeschoben werden: Gegen sie bestehe
       ein „besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse“. Abzuschiebende sollen
       Bußgelder zahlen, wenn sie sich nicht genügend um fehlende Papiere kümmern
       – im härtesten Fall droht „Mitwirkungshaft“. Generell soll Abschiebehaft
       häufiger verhängt werden. Und es würde ein neuer Status für Geflüchtete
       eingeführt, eine „Duldung für Personen mit ungeklärter Identität“, die etwa
       eine Arbeitsaufnahme verbietet. Kritiker sehen dies als „Duldung zweiter
       Klasse“.
       
       Seehofer bezeichnet den Gesetzentwurf dagegen als „bitter notwendig“ und
       verweist auf die zuletzt hohe Zahl gescheiterter Abschiebungen im Land. Es
       brauche eine stärkere Durchsetzung des Rechts, so das Credo des CSU-Mannes.
       
       Die kritisierte Inhaftierung von Abzuschiebenden in normalen Haftanstalten
       gelte nur für eine Übergangszeit, verteidigte sich Seehofer. Dies sei in
       Krisenzeiten auch vom EU-Recht gedeckt. NRW-Justizminister Biesenbach
       widerspricht: „Eine solche Krisensituation liegt in Deutschland aktuell
       nicht vor.“
       
       Und Seehofer hatte eigentlich noch mehr vor. [1][So sollten auch
       Flüchtlingshelfer mit bis zu drei Jahren Haft bestraft werden], wenn sie
       eine Abschiebung be- oder verhindern. Dies wurde auf Druck der SPD
       gestrichen. Auch wurde die „Mitwirkungshaft“ auf 14 Tage beschränkt.
       
       Die SPD stimmt dem Gesetzentwurf nun zu – auch weil die Union diesen mit
       einem anderen Gesetz verknüpfte, das seitdem blockiert ist: dem
       Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Das soll Nicht-EU-Bürgern den Zugang zum
       deutschen Arbeitsmarkt erleichtern. Nun hoffen die Sozialdemokraten, dass
       auch hier eine Zustimmung erfolgt.
       
       Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) erklärte am Dienstag die
       Kritikpunkte des Abschiebegesetzes für „deutlich entschärft“. Der
       Gesetzentwurf sei nun ein „vernünftiger Kompromiss“ zwischen dem Interesse
       des Staates an der Identitätsklärung von Geflüchteten einerseits und deren
       Rechten anderseits.
       
       ## „Eine Farce“
       
       Die Justizminister der Länder geben dagegen weiter Kontra. Der Hamburger
       Till Steffen nennt Seehofers Vorgehen „eine Farce“. Erst Ende vergangener
       Woche hatte er die Justizminister um Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf
       gebeten. Eine Prüfung in „ausreichender Tiefe“ sei so unmöglich, kritisiert
       Steffen. Das ganze Verfahren sei „ein großes Ärgernis“. Er forderte, das
       Gesetz am Mittwoch nicht ins Kabinett zu bringen.
       
       Seehofer indes ließ sich nicht beirren. Der Gesetzentwurf werde wie geplant
       ins Kabinett gehen, versicherte sein Sprecher am Dienstag. Das Ministerium
       mahnt zudem eine besondere Eilbedürftigkeit an: Noch vor der Sommerpause
       soll das Gesetz durch das Parlament verabschiedet werden.
       
       16 Apr 2019
       
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