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       # taz.de -- Thüringer NSU-Ausschuss: Was wusste Ringo M.?
       
       > Der Gründer des umstrittenen Uniter-Vereins war ein Kollege des
       > NSU-Opfers Michèle Kiesewetter und VS-Mitarbeiter. Nun musste er
       > aussagen.
       
   IMG Bild: Die Spurensicherung im Mordfall an der Polizistin Michèle Kiesewetter am 25.04.2007
       
       Erfurt taz | Eine Sache betont Ringo M. gleich zu Beginn und wiederholt sie
       später mehrfach, teils frei, teils abgelesen. „Ich habe mein ganzes Leben
       mit Rechtsextremismus nichts zu tun gehabt, ich lehne das grundsätzlich
       ab.“
       
       Die Befragung von Ringo M. – im dunkelgrauen Anzug und glänzenden
       Lederschuhen – beginnt schleppend. Zunächst will er im Sitzungssaal 101 des
       Thüringer Landtags nicht einmal seinen beruflichen Werdegang schildern und
       schweigt lieber lange. „Ich habe um eine nicht-öffentliche Vernehmung
       gebeten“, sagt er dann. Er sei derzeit „wegen absoluter Arbeitsbelastung“
       krank geschrieben.
       
       Ringo M. war ein Kollege der Polizistin Michèle Kiesewetter, die 2007
       [1][vom NSU ermordet wurde]. Deshalb ist er heute als Zeuge vor den
       Thüringer NSU-Ausschuss geladen. Später war er aber auch beim
       Verfassungsschutz und in dieser Zeit Gründungsvorsitzender des [2][Vereins
       Uniter e. V., der als Teil des „Hannibal“-Netzwerks Schlagzeilen machte].
       Da sind viele Fragen ungeklärt.
       
       Zum Mordfall Kiesewetter trägt Ringo M. wenig Neues bei. Er habe aus der
       Presse erfahren, dass sich Kiesewetter mehrfach über ihn beschwert haben
       soll. „Das weise ich zurück und kann es mir auch nicht vorstellen.“ Erst
       habe er nicht viel mit ihr zu tun und dann ein gutes Verhältnis gehabt. Bei
       einer Sache wird er sehr entschieden: Von rechten Tendenzen in der Einheit
       habe er nichts mitbekommen. Dass einer seiner Kollegen früher bei einem
       deutschen Ku-Klux-Klan Mitglied war, habe er erst 2012 aus der Presse
       erfahren. „Dem habe ich das absolut nicht zugetraut.“
       
       ## Ralf Wohlleben? Wer das sei, wisse er nicht
       
       Dann wird Ringo M. nach Ralf Wohlleben gefragt. Der Name komme ihm bekannt
       vor, sagt er, es sei möglich, dass er dienstlich mit ihm zu tun gehabt
       habe. „Sie wissen, wer Ralf Wohlleben ist?“ – „Nein, ich arbeite nicht im
       Bereich Rechtsextremismus.“ Offenbar muss ein Verfassungsschutzmitarbeiter
       nicht wissen, [3][dass Wohlleben als Unterstützer des NSU verurteilt
       wurde].
       
       Im Herbst 2015 war Ringo M. zum Landesverfassungsschutz Baden-Württemberg
       in die Abteilung „Internationaler Extremismus und Terrorismus“ gewechselt.
       Mitte 2016 gründete er den Verein Uniter, ein Netzwerk ehemaliger und
       aktiver Spezialkräfte, das auch militärtaktische Trainings anbietet. Schon
       ein gutes halbes Jahr später trat er „aus dringenden privaten Gründen“ aus
       dem Vorstand zurück. Anders als er es nun darstellt, war das kein völlig
       freiwilliger Rückzug. Es hatte nach taz-Informationen um die Jahreswende
       2016/2017 mehrere Gespräche mit Vorgesetzten gegeben, bei denen die
       Vereinstätigkeit problematisiert wurde.
       
       Vor dem Ausschuss behauptet Ringo M., er habe von den so genannten
       Prepperchats damals nichts mitbekommen, er habe auch nicht gewusst, dass
       der [4][mutmaßliche Rechtsterrorist Franco A.] im Süd-Chat Mitglied gewesen
       ist. „Kennen Sie Franco A. persönlich?“ Seine Antwort kommt sehr schnell:
       „Nein, nie getroffen, nie gesehen.“ [5][André S., der unter dem Namen
       Hannibal die Chats administrierte] und bis heute Kopf von Uniter ist,
       beschreibt er als „komplett integer“.
       
       ## Konsequenzen erst nach taz-Recherchen
       
       [6][Nachdem die taz Ende 2018 über fragwürdige Aktivitäten von Uniter e. V.
       berichtet hatte,] wurde Ringo M. erneut mehrfach von seinen Vorgesetzten
       befragt. Seine Aussagen wurden aber nach taz-Informationen als
       unglaubwürdig eingestuft. [7][Konsequenzen wurden aber erst gezogen, als
       die taz Mitte März die Verbindung öffentlich machte.] Kurz danach wurde
       Ringo M. aus dem Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) abgezogen und dann
       endgültig wegversetzt, das hatte Innenminister Thomas Strobl (CDU)
       veranlasst.
       
       Strobl sprach von einem „Störgefühl“, das er bei dem Verein habe. Es lasse
       sich „nicht mit Sicherheit ausschließen, dass die Mitgliedschaft von
       Beamten (…) in diesem Verein die Integrität der Sicherheitsbehörden von
       Bund und Land tangieren kann“. Er bat Bundesinnenminister Horst Seehofer
       (CSU), mit den „Mitteln des Bundes“ eine Überprüfung des Vereins
       vorzunehmen. Seehofer hat auf den Brief des Landesinnenministers bislang
       nicht reagiert. Eine Antwort werde wohl im Laufe des April verschickt,
       sagte ein Ministeriumssprecher. Das LfV selbst hat aber nach
       taz-Informationen auch mindestens einen Hinweisgeber, der aus dem Innern
       des Vereins berichtet.
       
       4 Apr 2019
       
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