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       # taz.de -- AfD-Programm zur Wahl in Bremen: Wahnhafte Fantasien
       
       > Das AfD-Programm zur Bremer Bürgerschaftswahl zeichnet ein sehr düsteres
       > Bild der Gegenwart und dreht sich dabei meist um MigrantInnen.
       
   IMG Bild: Hat sein Wahlkreisbüro ausgerechnet in Walle: Bremens AfD-Spitzenkandidat Frank Magnitz
       
       Bremen taz | Bremen ist nahezu unbewohnbar, das Bildungssystem zu Grunde
       gerichtet, die Polizei hat aufgegeben, weil die Justiz längst eingeknickt
       ist vor den Clans und Drogendealern und dem links-grünen Kuschelkurs, die
       Mieten sind unbezahlbar, städtisches Wohneigentum wird massenhaft
       verscherbelt und was übrig bleibt, wird von illegal eingewanderten
       MigrantInnen besetzt, die gemeinsam mit anderen Nicht-Biodeutschen eine
       Straftat nach der anderen begehen. Aber dann, ganz kurz bevor die Stadt und
       das gesamte Bundesland in Flammen aufgeht, naht die Rettung – in Form der
       AfD.
       
       Nein, das ist keine Zusammenfassung eines schlechten Low-Budget-Thrillers
       von Filmemachern mit Reichsbürger-Hintergrund, sondern das aufs Wesentliche
       eingedampfte, teilweise wörtlich zitierte [1][Bürgerschafts-Wahlprogramm
       der AfD]. Und das könnte sogar alles recht lustig sein, läge sie in den
       aktuellen Umfragen nicht noch immer bei sieben Prozent.
       
       Dreh- und Angelpunkte des 27-seitigen Programms sind MigrantInnen – wobei
       die AfD damit auch Deutsche mit Migrationshintergrund meint – sowie die
       unerträgliche Gegenwart. Denn, was früher war, das ist für die AfD wahr und
       richtig: Atomkraftwerke, Verbrennungsmotoren, das dreigliedrige
       Schulsystem, Leistungsbereitschaft und Disziplin, Diplom- und
       Magisterstudiengänge, Führungspositionen für Männer und freie Fahrt für
       freie Bürger – früher war einfach alles besser.
       
       Bremen, so schreibt es die AfD in ihrem Programm, sei „auf allen
       Politikfeldern von jeder positiven Entwicklung abgehängt“, im Gegenzug aber
       „Spitzenreiter bei sozialistischen Experimenten“ und geprägt durch
       „ideologiebetriebene Gleichmacherei“. Auf welchen ideologiefreien
       Erkenntnissen hingegen die AfD-Aussage, „positive Entwicklungen der Kinder“
       würden durch Inklusion „deutlich erschwert“, beruht, verrät das
       Wahlprogramm nicht. Auch den Satz „Die Gendertheorien haben sich als
       unwissenschaftlich erwiesen“ erklärt die AfD nicht, lehnt aber „eine
       weitere staatliche Finanzierung“ selbiger ab – auch wenn unklar bleibt, was
       das überhaupt sein soll, so eine staatliche Finanzierung von Theorien.
       
       „Die AfD ist gegen jede Form von Extremismus“, behauptet die Partei, und
       deswegen, so steht es auf Seite zehn des Programms, sei es „unverzichtbar,
       jegliche Form von Extremismus zu ächten“ – wobei es für die AfD offenbar
       nur eine Form des politischen Extremismus gibt, der anscheinend sogar
       bezahlt wird. Anders lässt sich der folgende Satz jedenfalls nicht
       erklären: „Jede Finanzierung von linksextremistischen Aktivitäten ist zu
       unterbinden.“
       
       Gefordert wird „Mut zur Wahrheit“ in der Kriminalstatistik. Dazu gehört für
       die AfD, Menschen in rassistische Sippenhaft zu nehmen: Denn es genügt ihr
       nicht, dass die Kriminalstatistik AusländerInnen erfasst, sie fordert, auch
       einen „Migrationshintergrund zu erfassen und entsprechend auszuweisen“. Von
       der Polizei fordert sie „verdachtsunabhängige Kontrollen zur Bekämpfung von
       Ausländerkriminalität“, von der Justiz ein Ende der vermeintlichen „Urteile
       mit Herkunfts- oder Religionsrabatt“.
       
       Sie fordert ein Ende der doppelten Staatsbürgerschaft und eine Rückkehr zum
       „Abstammungsprinzip“, und was sie von Muslimen hält, steht dick und
       deutlich auf Seite 14 ihres Wahlprogramms: „Der Islam gehört nicht zu
       Bremen!“
       
       Die AfD beklagt die ihrer Wahrnehmung nach „völlig fehlende Sicherung der
       EU-Außengrenzen“, schiebt die Wohnungsnot in Bremen auf „ungezügelte
       Masseneinwanderung“ und betrachtet die ansteigende Mieten als „Folge einer
       verfehlten Finanzpolitik und des Zuzugs tausender illegaler Migranten“.
       
       ## In Walle wehrt sich das Bündnis „Walle bleibt bunt“
       
       Dass Bremens AfD-Spitzenkandidat Frank Magnitz ausgerechnet im Stadtteil
       Walle ein Wahlkreisbüro eingerichtet hat, ist möglicherweise diesen
       wahnhaften Fantasien geschuldet – schließlich leben in Walle viele
       „Ausländer“ und „Menschen mit Migrationshintergrund“. Bloß nehmen die
       niemandem die Wohnungen weg und sie treiben auch die Mieten nicht in Höhe:
       Noch ist der Wohnungsmarkt in Walle nicht leergefegt, und dass auch dort
       die Mieten steigen, liegt eher an der ungezügelten Einwanderung von
       StudentInnen, denen das Viertel und die Neustadt zu teuer geworden sind.
       Und auf die Rettung durch die AfD hat dort niemand gewartet.
       
       Im Gegenteil: Gegen den Zuzug von Frank Magnitz formierte sich das Bündnis
       „Kein AfD-Büro nirgendwo – Walle bleibt bunt“ und stemmte sich mit
       Kundgebungen und Unterschriftenaktionen und breiter Unterstützung im
       Stadtteil gegen die Ansiedlung des AfD-Büros in Walle – und nun hat es sich
       das Wahlprogramm vorgenommen: mit einem plattdeutschen Remake des
       bayrischen Anti-AfD-Songs „Mia ned“.
       
       „Wi nich!“, singt Lars Köster, Sänger der Band Knipp Gumbo, gemeinsam mit
       AktivistInnen des Bündnisses „Walle bleibt bunt“ und fasst schmissig,
       humorvoll und aufs Wesentliche reduziert die Aussagen des AfD-Programms zur
       Bürgerschaftswahl zusammen. Singend und tanzend appellieren die
       Mitwirkenden im [2][Youtube-Video zum Song] an alle Unentschlossenen, nicht
       die AfD zu wählen: „AfD in der Bürgerschaft, das ist nicht mehr normal!“
       Und damit’s auch von jenen verstanden wird, die des Plattdeutschen nicht
       mächtig sind, ist das Aufklärungsvideo hochdeutsch untertitelt.
       
       23 Apr 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.afd-bremen.de/wp-content/uploads/2019/03/wahlprogramm-2019-a4.pdf
   DIR [2] https://www.youtube.com/watch?v=AeASfNhttF8
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Simone Schnase
       
       ## TAGS
       
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