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       # taz.de -- Umbruch im Sudan: Revolutionäre gehen nicht nach Hause
       
       > Die Verhandlungen zwischen dem Militärrat und der Opposition über eine
       > zivile Regierung sind geplatzt. Die Demonstrationen gehen weiter.
       
   IMG Bild: „Die Unterdrückung hat uns nicht dumm gemacht“, sagt ein Demonstrant
       
       Khartum taz | „Ich habe jetzt gemischte Gefühle bezüglich unserer
       Revolution. Ich kann nicht mehr als warten.“ Die 23-jährige
       Zahnmedizinstudentin Ammani Razik ist verwirrt, nachdem die Anführer der
       [1][Volksproteste gegen die Militärführung] im Sudan am Sonntagabend die
       Konsultationen mit der Armee über eine neue Übergangsregierung ausgesetzt
       haben. „Sind wir gespalten oder versuchen die Militärs, die Luft aus
       unserer Revolte herauszuholen? Die Jahre unter der Herrschaft des
       vertriebenen Präsidenten Omar al-Bashir haben mich zu allem und jedem
       misstrauisch gemacht.“
       
       Auf dem Weg zur Universität schaut sie noch mal vorbei am Platz vor dem
       Militärhauptquartier in der Hauptstadt Khartum, auf dem sich die
       Dauerdemonstranten gegen das Militärregime aufhalten. Seit dem 6. April
       sind sie Tag und Nacht geblieben, erst um den Rücktritt Bashirs zu
       erzwingen, dann um den an [2][Bashirs Stelle getretenen Militärrat] mit
       ihrer massiven Präsenz unter Druck zu setzen.
       
       „Ich war am Sonntagabend mit so vielen anderen hier, um zu hören, wer in
       der zukünftigen Zivilregierung Platz nehmen würde. Ich habe jetzt einen
       Kater, nachdem diese Ankündigung abgesagt wurde und das Treffen verschoben
       ist“, sagt Razik an der Brücke, auf der Dutzende von Jugendlichen mit
       Metallgegenständen auf das Stahlgeländer trommeln.
       
       Die Organisatoren der Proteste, die Sudanese Professionals Association
       (SPA), sagt, das der Militärrat ihre Forderung nicht erfüllt habe, die
       Macht direkt an eine zivile Regierung zu übergeben. Der Militärrat sagt, er
       habe verschiedene Vorschläge für die Zusammensetzung einer Zivilregierung
       erhalten und brauche eine Woche, um sie zu studieren. Die Stimmung auf der
       Straße ist jetzt wieder feindseliger.
       
       ## Anführer des Militärrats ausgebuht
       
       „Was auch immer ist, wir müssen weiter protestieren und dürfen den Druck
       auf den Militärrat nicht entspannen“, sagt Razik. Am Sonntagabend hatten
       sich die Demonstranten gegen den Anführer des Militärrats gewandt, General
       Abdel Fattah Burhan, der regelmäßig auf die Straße ging, um mit
       Demonstranten zu sprechen. Die Demonstranten sammelten sich in dicken
       Reihen vor dem Militärhauptquartier und sangen Parolen gegen Burhan.
       
       Im Machtkampf erhielt der Militärrat Unterstützung von Saudi-Arabien und
       den Vereinigten Arabischen Emiraten, die 3 Milliarden US-Dollar
       versprechen, als Spritze für Sudans kaputte Wirtschaft. Der Aufstand, der
       im Dezember begann, war zunächst ein Protest gegen hohe Preise für Brot und
       Benzin.
       
       Studentin Razik muss nicht für bessere Lebensbedingungen demonstrieren.
       „Meiner Familie geht es wirtschaftlich gut, aber ich möchte später meinen
       potenziellen Kindern sagen können, dass ich mitgeholfen habe, das
       [3][scheußliche Regime von Bashir] zu beenden. Obwohl es mich nicht direkt
       getroffen hat, kann ich meine Augen nicht verschließen vor den Bedürfnissen
       meiner Leute.“ Als sie weggeht, hebt sie ihre Hand und streckt
       unbewaffneten Soldaten, die zwischen den Demonstranten laufen, zwei Finger
       mit dem V-Zeichen entgegen. Die Männer in Uniform lächeln.
       
       ## Gut informierte Demonstrant*innen
       
       Der Protest ist ein ständiges Happening. Musik wird gemacht, Fußball
       gespielt. Kliniken in Zelten bieten medizinische Versorgung. Ein Arzt, der
       die ganze Nacht beschäftigt war, schläft auf einem Bett. Straßenkinder
       erhalten eine Mahlzeit als Gegenleistung für die Reinigung des Platzes und
       für das Sammeln von Plastikflaschen. Das Plastik transportieren
       Recyclingunternehmen kostenlos ab.
       
       Die Demonstranten sind jung und alt, in Jeans oder mit Turbanen auf dem
       Kopf. Es gibt Studenten und Arbeiter, Eltern mit ihren Kindern und
       Geschäftsleute, Menschen aus dem ganzen Land, die auf ihre regionalen
       Probleme aufmerksam machen. Ein Lehrer an einer Koranschule will Gleichheit
       für alle: „Welche Farbe, Religion oder Herkunft wir auch immer haben, wir
       müssen alle gleich behandelt werden und die gleichen Möglichkeiten haben.“
       Frauen bilden einen großen Teil der Demonstranten. „Wir wollen die gleiche
       Bezahlung wie Männer, wenn wir dieselbe Arbeit leisten. Wir wollen
       respektiert und gehört werden“, schreien ein paar junge Frauen in engen
       Jeans, weiten Blusen und Turnschuhen.
       
       So unterschiedlich sie sein mögen, sie sind alle über die Politik der
       Vergangenheit und auch über das derzeitige politische Spiel gut informiert.
       „Wir durften unter Bashir nicht den Mund aufmachen“, sagt der junge Lehrer
       Mohamed al-Bakr. „Aber wir wissen sehr gut, was los ist. Die Unterdrückung
       hat uns nicht dumm gemacht.“
       
       22 Apr 2019
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Ilona Eveleens
       
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