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       # taz.de -- Marathon ums eigene Haus
       
       > Zum Gallery Weekend eröffnet der Sammler Markus Hannebauer seinen neuen
       > Fluentum Ausstellungsraum in Dahlem. In einer Einzelpräsentation werden
       > Videos der Extrem-Performances von Guido van der Werve gezeigt
       
   IMG Bild: Szene aus Guido van de Werves „Nummer vertiien, home“
       
       Von Lorina Speder
       
       Zügig schreitet Guido van der Werve über die Eisfläche im finnischen Meer.
       Hinter dem Künstler brummt ein riesiger Eisbrecher und zerstört den Boden,
       auf dem der Holländer kurz zuvor lang marschierte. Die Videoarbeit fängt
       ihn und das riesige Schiff hinter ihm über zehn Minuten frontal ein und ist
       überwältigend. „Number Eight. Everything Is Going To Be Alright“ spielt mit
       dem Reiz der Natur, dem Eingriff der Technik und beider Verbindung zum
       Menschen.
       
       Die eindrucksvolle Arbeit bekommt man gleich im marmornen Eingangsbereich
       des neuen Ausstellungsortes von Fluentum zu sehen. Die Plattform für
       zeitgenössische Videokunst eröffnet zum Gallery Weekend ihren neuen
       Standort im ehemaligen Hauptquartier der U.S. Army in Berlin-Dahlem. Über
       drei Jahre ließ der Sammler und Fluentum-Gründer Markus Hannebauer das
       historische Gebäude aus den 30er Jahren nach Denkmalschutzvorschriften für
       Ausstellungen umbauen. Nun sind die repräsentativen Räume mit
       Schalldämmung, Kühldecke, Heizungen und einem Fahrstuhl ausgestattet.
       
       Obwohl Fluentum und die dazugehörigen Aufgaben für den Software-Unternehmer
       Hannebauer ein Hobby sind, nimmt er sich viel Zeit dafür. Mit der Plattform
       ist er schon fast eine Dekade im Kunstbetrieb unterwegs. Hannebauer
       unterstützt regelmäßig Videokunstproduktionen und ist Sponsor des
       zweijährigen Awards der Videonale in Bonn. Sein Ziel mit Fluentum ist es,
       ein Konzept zu kreieren, das Bestand hat. „Ich hatte nie die Ambition, mit
       der Sammlung etwas zu erschaffen, das primär mit meiner Person zu tun hat“,
       sagt er im Gespräch.
       
       So erklärt sich auch der Fokus auf einzelne künstlerische Positionen, den
       Hannebauer in den neuen Räumen verfolgt. Obwohl seine Sammlung knapp 50
       verschiedene KünstlerInnen wie Hito Steyerl oder Douglas Gordon umfasst,
       entschied er sich gegen eine Schau mit bekannten Namen zur Eröffnung.
       Stattdessen lädt er durch die Einzelausstellung von van der Werve zu einem
       fokussierten Einblick in das Werk des holländischen Künstlers ein.
       
       Die sechs gezeigten Videos sind oft mit körperlichen Herausforderungen für
       den Künstler als Protagonisten verbunden. Sei es, 24 Stunden am Nordpol zu
       stehen, oder das Imitieren eines Aufstiegs des Mount Everests durch Van der
       Werves stundenlanges Springen auf ein zwei Meter hohes Bett. Manchmal
       kombiniert der Künstler seine Videos mit selbst komponierter Musik, die –
       der romantischen Epoche verwandt und einen Fokus auf das Schöne setzend –
       zu einem krassen Gegensatz der physischen Extreme wird.
       
       Van der Werve ist dem Sammler 2012 zum ersten Mal in seiner
       Gruppenausstellung im Künstlerhaus Bethanien aufgefallen. Dort sah er die
       Arbeit „Number Thirteen. Effugio C, You’re Always Only Half a Day Away“,
       die nun in Dahlen ausgestellt ist. Darin läuft Van der Werve über zwölf
       Stunden um sein Haus in Finnland. Obwohl er durch die Nacht joggt, geht die
       Sonne nie ganz unter. Die 2,5 Marathons wirken sich auf seine Haltung aus –
       nach zehn Stunden bewegt er sich gekrümmt und schleppend fort.
       
       Der ewige Kreis, den er in dem Video abläuft, bekommt so einen natürlichen
       Makel. Durch die intime Präsentation der Videoarbeit in einer abgedunkelten
       Ecke der Haupthalle baut man zusätzlich eine emotionale Verbindung zum
       körperlichen Leiden des Protagonisten auf. Hier ist kein Publikum, das ihn
       wie bei einer Sportveranstaltung anfeuert oder mental unterstützt. Als
       anonyme Betrachtende berührt van der Werves Einsamkeit in den meisten
       Videos der Ausstellung. Sie zeigt außerdem, dass der Künstler seine
       Performances nur für das Medium Video konzipiert und nach dem Akt damit
       abschließen kann.
       
       Für den Ausstellungsaufbau der Arbeiten und deren Geltung ist Hannebauer
       verantwortlich. Die „große Bastelei“, mit der er zu Anfangszeiten seiner
       Sammlung die angekauften Videoarbeiten aufbaute und Freunden zeigte, führt
       er auch in Dahlem fort. Hier kontrolliert er selbst den technischen Aspekt
       der Videos, wie das Back-End hinter den Kulissen.
       
       Im Vordergrund seines Sammelns stand immer, die Werke auch zu zeigen:
       „Videokunst sollte nicht im Regal verschwinden“, sagt er, „es wäre schade,
       wenn die Werke nur bibliothekarisch abgelegt werden. Van der Werves
       Arbeiten verdienen eine passende Präsentation.“ Der Künstler und Musiker
       ist in den USA und anderen Ländern längst ein bekannter Name, der schon mit
       Tehching Hsieh ausstellte, dem taiwanesischen Urvater der Performance Art.
       Trotzdem ist die Ausstellung bei Fluentum seine erste Einzelausstellung in
       Deutschland.
       
       Die dazugehörige Veröffentlichung wird ihm hoffentlich den Weg in der
       Kunstlandschaft hier ebnen. In seinem Fall wird deutlich, wie wichtig
       private Unterstützer mit einer Vision für Videokunst sind. Dass Hannebauer
       in seiner Auswahl auf zeitgenössische KünstlerInnen setzt und auf die
       Aktualität der Videoarbeiten achtet, wird weitere künstlerische Positionen
       in seine imposanten Räume bringen, die es zu entdecken gilt.
       
       Fluentum, Clayallee 174, 25. – 28. April, 11–8 Uhr geöffnet, danach mit
       Anmeldung
       
       26 Apr 2019
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Lorina Speder
       
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