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       # taz.de -- Wahlen in Finnland: Knapper Sieg für Sozialdemokraten
       
       > Finnland erlebt eine „Klimawahl“. Die Grünen erringen ihr bislang bestes
       > Resultat. Die Sozialdemokraten siegen nur knapp vor den Rechtspopulisten.
       
   IMG Bild: Sozialdemokratin Maria Guzenina beim Wahlkampf – 92 der 200 Mandate gehen an Frauen
       
       Ein ziemlich [1][langweiliger Wahlkampf], der erst in den letzten Wochen
       etwas Fahrt aufgenommen hatte, endete am Sonntag in Finnland dann doch noch
       mit einem richtig spannenden Wahlabend. Der bequeme Vorsprung, den erste
       Hochrechnungen den Sozial-demokraten zugetraut hatten, schrumpfte immer
       mehr zusammen, die „Wahren Finnen“ holten auf. Als kurz nach Mitternacht
       das Endergebnis feststand, trennten beide Parteien nur zwei Zehntel und ein
       einziges Mandat.
       
       Mit 17,7 Prozent (plus 1,2 Prozent) landeten die Sozialdemokraten vor den
       „Wahren Finnen“ mit 17,5, der konservativen Sammlungspartei mit 17 Prozent
       und der rechtsliberalen Zentrumspartei mit 13,8 Prozent. Die Grünen machten
       mit einem Plus von 3 auf 11,5 Prozent den grössten Sprung nach vorne und
       werden mit 20 Mandaten fünf mehr als 2015 bekommen. Es ist ihr erstes
       zweistelliges Ergebnis bei einer Parlamentswahl. In der Haupstadt Helsinki
       wurden sie mit 23,5 Prozent sogar stärkste Partei. Auch die Linkspartei
       konnte sich um 1 Prozent auf 8,2 Prozent verbessern.
       
       Nachdem die Sozialdemokraten vor vier Jahren mit 16,5 Prozent und gerade
       einmal 34 Mandaten das schlechteste Ergebnis ihrer mehr als 100-jährigen
       Geschichte erzielt hatten, war es diesmal mit 17,7 Prozent und 40 Mandaten
       auch nur das zweitschlechteste. Und trotzdem reichte es ihnen zum Wahlsieg.
       Weil die Konkurrenz noch schlechter war.
       
       So war die seit den Wahlen von 2015 amtierende Dreier-Koalition aus
       Zentrumspartei, Konservativen und Rechtspopulisten nach einer gescheiterten
       Gesundheitsreform schon Anfang März zurückgetreten und seither nur noch
       geschäftsführend im Amt. Das Urteil der WählerInnen zu dieser Regierung
       fiel deutlich aus. Hatte sie vor vier Jahren mit einer klaren Mehrheit von
       124 Mandaten antreten können, sind bei der jetzigen Wahl davon gerade noch
       69 übrig geblieben.
       
       ## Spaltung hat den Rechtspopulisten nicht geschadet
       
       Wobei man allerdings berücksichtigen muss, dass die rechtspopulistischen
       „Wahren Finnen“ sich zur Mitte der Legislaturperiode gespalten hatten. Als
       Nachfolger des Parteigründers und bisherigen Aussenministers Timo Soini,
       der nach 20 Jahren den Parteivorsitz abgab, war 2017 mit [2][Jussi
       Halla-aho], ein Vertreter des extrem rechten Flügels dieser
       Rechtsaussenpartei zum Vorsitzenden gewählt worden. Die
       Regierungszusammenarbeit war nach dem [3][Rechtsschwenk dieser Partei] von
       Ministerpräsident Sipilä und seinem Vize Soini mit einer trickreichen
       Lösung gerettet worden.
       
       Die Koalition wurde mit dem Soini-treuen Teil der ursprünglichen
       Reichstagsfraktion der „Wahren Finnen“ und allen KabinettsmitgliederInnen
       fortgesetzt, die sich erst in der Gruppierung „Neue Alternative“, dann in
       der Partei „Blaue Zukunft“ neu organisierten. Eine wenig erfolgreiche
       „Zukunft“, die jetzt gerade noch 1 Prozent der Stimmen erhielt.
       
       Zunächst hatte es den Anschein, als ob diese Spaltung und der weitere Ruck
       nach rechts die „Wahren Finnen“ auf Dauer kräftig zurückstutzen würde. Die
       Mitte der 1990er Jahre gegründete Partei hatte lange ein Schattendasein
       geführt, bevor sie 2011 im Gefolge der Euro-Krise mit der Forderung die
       Gemeinschaftswährung zu verlassen und gegenüber Flüchtlingen die Grenzen zu
       schliessen mit fast 20 Prozent auf ihr bislang bestes Wahlresultat
       hochgeschnellt war. 2015 war sie vor dem Hintergrund der
       Flüchtlings-“Krise“ mit 17,6 Prozent zweitgrösste Partei geworden. Danach
       war sie schnell auf rund acht Prozent abgesackt und spielte in der
       öffentlichen Debatte nur noch eine untergeordnete Rolle.
       
       ## Klimadebatte hat den Wahlkampf bestimmt
       
       Seit Ende letzten Jahres konnte sie ihre Popularität aber wieder
       verdoppeln. Den „Wahren Finnen“ gelang es nicht nur ihre „ewigen“ Themen
       wie Flüchtlinge und Kriminalität neu aufzuwärmen, sie profitierten auch von
       der tatsächlichen Erderwärmung. Klimapolitik stand laut Umfragen neben der
       Sozialpolitik bei den finnischen WählerInnen diesmal ganz oben auf der
       Agenda und spielte deshalb auch im programmatischen Angebot aller Parteien
       eine zentrale Rolle.
       
       Die Wahl galt als „Klimawahl“ und die Medien veröffentlichten detaillierte
       Listen, welche Positionen zu möglichen klimapolitischen Massnahmen die
       Parteien und ihre einzelnen KandidatInnen vertreten. Eine „hysterische
       Klimadebatte“ sei dies, der die „Wahren Finnen“ „Realitätssinn“
       entgegen-setzen wollten, konterte deren Vorsitzender Halla-Aho. Dass sich
       beispielsweise eine parlamentarische Mehrheit dafür abzeichnet, den
       Fleischkonsum über eine spezielle Steuer oder eine Änderung bei der
       Mehrwertsteuer teurer zu machen, war für ihn ein gefundenes Fressen.
       
       So ähnlich wie eine „Elite“ den FinnInen Zehntausende Flüchtlinge habe
       aufdrängen wollen, versuche sie ihnen nun „vorzuschreiben, wieviel Fleisch
       sie essen und wann sie Auto fahren dürfen“: „Wir haben uns stattdessen für
       einen von allen anderen Parteien abweichenden, einen vernünftigen Kurs
       entschieden.“ Und was ist für die „Wahren Finnen“ vernünftig? Nichtstun.
       Finnland könne das [4][Klima nicht alleine retten], habe „sowieso schon
       mehr als genug getan“, jetzt müssten „blinde Passagiere wie China ran“.
       Eine Botschaft, die offenbar fast ein Fünftel der Wählerschaft überzeugte.
       
       ## Historische Ergebnisse
       
       „Eine historische Fragmentierung“ kommentierte der Politikwissenschaftler
       Göran Djupsund die neue finnische Parteienlandschaft: „Aber damit stehen
       wir in Europa ja nicht allein.“ Ein knapper, aber eben ein Wahlsieg der
       Sozialdemokraten wird bedeuten, dass Antti Rinne als Parteivorsitzender von
       Staatspräsident Sauli Niinistö nun den Auftrag zur Regierungsbildung
       erhalten wird.
       
       Zusammen mit Grünen und Linken kämen die Sozialdemokraten auf 76 der 200
       Reichstagsmandate. Für eine Mehrheit bräuchte man entweder die Zentrums-
       oder die Sammlungspartei. Und im neuen Reichstag gibt es einen Rekord: 92
       der 200 Mandate gehen an Frauen – soviel waren es noch nie.
       
       15 Apr 2019
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Reinhard Wolff
       
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