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       # taz.de -- Besuch auf dem Demeter-Hof Dannwisch: Von einem Extrem ins nächste
       
       > Der Rekordsommer 2018 hat den Landwirten im Norden schwer zu schaffen
       > gemacht. Mit den Folgen haben sie auch dieses Frühjahr noch zu kämpfen.
       
   IMG Bild: Hätten ein Problem, wenn der Sommer wieder so heiß wird: Rinder auf dem Hof Dannwisch
       
       Horst taz | Während in der feuchten Hitze in den Gewächshäusern schon
       Spinat und Rucola wachsen, liegt an der Außenwand noch etwas Schnee. Ein
       Überbleibsel des Sturmtiefs, das in dieser Märzwoche über Norddeutschland
       gewütet hat. Franz Scholz steht mit Fleecepulli und Wollmütze neben den
       Gewächshäusern, der feine Nieselregen scheint ihn nicht zu stören. Im
       Gegenteil: Nach dem letzten, trockenen Sommer müsste der Landwirt sich
       darüber freuen.
       
       Der Rekordsommer, im Norden und Osten des Landes der wärmste seit Beginn
       der Wetteraufzeichnungen 1881, hat den Bäuer*innen im Norden schwer zu
       schaffen gemacht. Wegen der Dürre gingen Felder ein, Rinder bekamen nicht
       genug Futter und gaben dadurch weniger Milch.
       
       Bund und Länder hatten bereits im Oktober 340 Millionen Euro zur Verfügung
       gestellt, um betroffene Bäuer*innen zu schützen. Berechtigt sind Betriebe,
       die mindestens 30 Prozent Einkommenseinbußen hatten und damit in ihrer
       Existenz bedroht sind. Bundesweit gingen über 8.000 Anträge ein, 4.600
       davon in Niedersachsen, in Schleswig-Holstein waren es 1.075.
       
       Den Demeter-Hof Dannwisch, ein paar Kilometer nördlich von Elmshorn,
       bewirtschaften drei Familien zusammen. „Weil die Felder so trocken waren,
       mussten wir vor und nach der Saat Wasser fahren“, sagt Scholz. Mit einer
       Sondergenehmigung konnten sie – wo es ging – Hydranten benutzen, um die
       Felder zu beregnen. Für alle 180 Hektar Land hat das nicht gereicht.
       
       ## Trockene Felder
       
       Schon der erste Futterschnitt im Mai habe nur halb so viel ergeben wie
       sonst zu dieser Jahreszeit, sagt Scholz. Die Kühe grasen im Sommer, und die
       Bäuer*innen trocknen Heu für den Winter. „Eine trockene Phase gibt es immer
       mal“, sagt Scholz. Der zweite Schnitt sei dann aber auch zu klein gewesen,
       um den Mangel wieder gutzumachen. „Der dritte ist quasi ausgefallen“, sagt
       Scholz.
       
       Die Kühe, die im Frühjahr noch viel Milch gegeben hatten, fanden auf den
       trockenen Feldern kaum noch Futter. Heu, von dem ohnehin wenig da war,
       mussten die Bäuer*innen frühzeitig zufüttern. „Dadurch war die Heuscheune
       nach dem Sommer nur zu einem Drittel gefüllt“, sagt Scholz.
       
       „Ich musste neun Kühe und zehn Ochsen frühzeitig schlachten“, sagt Georg
       Scharmer, der für die rund 120 Rinder auf dem Hof zuständig ist. Den Winter
       über habe er sie nicht durchfüttern können. „Eigentlich hätte ich sie schon
       früher abstoßen müssen.“ So musste er Futter ankaufen, um die restlichen
       Tiere durch den Winter zu bekommen.
       
       ## Heu aus Oberbayern
       
       „Im Norden hatte kaum jemand etwas“, sagt Scharmer. Aufgrund der
       Notsituation hätte er beim Demeter-Verband eine Ausnahmegenehmigung
       bekommen können und konventionelles Futter zufüttern dürfen. „Wir wollten
       aber weiter Bio-Heu verfüttern“, sagt Scharmer.
       
       Letztendlich fand er eine Genossenschaft in Oberbayern, die noch Heu zu
       verkaufen hatte. „Das war ein Glücksfall“, sagt Scharmer. Auch
       Fleischrinder musste Hof Dannwisch ankaufen: „Unsere Kund*innen sollen ja
       trotzdem ihr Fleisch bekommen“, sagt Scholz. Zwar sei das Gemüse im
       Gewächshaus gewachsen „wie noch nie“. Das habe aber nicht gereicht, um die
       fehlenden Erträge auszugleichen. Dafür hat die Hofgemeinschaft bereits im
       Sommer einen Kredit aufgenommen.
       
       ## Hoher bürokratischer Aufwand
       
       Rund 70.000 Euro habe der heiße Sommer sie gekostet, sagt Frank Scholz. Die
       Dürrehilfe haben die Bäuer*innen auf Hof Dannwisch nicht beantragt: „Wir
       sind nicht auf ein oder zwei Betriebsbereiche spezialisiert“, sagt Frank
       Scholz. Mit der Tierhaltung, dem Getreide- und Gemüseanbau sowie der
       Milchverarbeitung und der Handelsgesellschaft seien sie ein sehr komplexer
       Betrieb. „All das hätten wir bis in jede einzelne Kultur, über einen
       Zeitraum von drei Jahren berechnen und belegen müssen“, sagt Scholz.
       
       Auch Rücklagen für die Alterssicherung seien miteinbezogen worden. Wegen
       des hohen bürokratischen Aufwands und der Unsicherheit, ob überhaupt etwas
       kommen würde, hätten sie sich aber entschieden, den Antrag nicht zu
       stellen. „Die Dürrehilfe war medienwirksam von der Politik inszeniert, aber
       aus unserer Sicht nicht praxisgerecht“, sagt Scholz.
       
       ## Massives Niederschlagsdefizit
       
       Von den 1.075 Betrieben, die in Schleswig-Holstein einen Antrag gestellt
       haben, erfüllen laut Landwirtschaftsministerium 1.000 die Voraussetzungen.
       Besonders betroffene Betriebe hätten schon im November erste Zahlungen
       erhalten, sagt Ministeriumssprecherin Jana Ohlhoff. Bei solch hohen Summen
       sei es notwendig, dass etwa Rechnungshöfe diese nachvollziehen könnten. Es
       sei „absolut richtig“, dass das Ministerium die Dürrehilfe bereits im
       Herbst auf den Weg gebracht hatte.
       
       Auf dem Hof Dannwisch schmiegen sich die Kühe in ihrem Unterstand, vorm
       kalten Märzwind geschützt, eng aneinander. Seit Mitte April sind sie wieder
       auf der Weide. Nachdem es im Sommer 2017 nur geregnet hatte, seien vor den
       trockenen Monaten immerhin noch Wasserreserven im Boden gewesen, sagt
       Scholz. „Das ging von einem Extrem ins andere“.
       
       Laut NDR beträgt das Niederschlagsdefizit aus dem vergangenen Sommer etwa
       200 Liter pro Quadratmeter, und damit ein Drittel der Jahresmenge. Erst
       jetzt, im Frühjahr, kommt der Regen. „Momentan sieht es gut aus“, sagt
       Frank Scholz. „Aber wenn dieser Sommer ähnlich verläuft, haben wir sehr
       viel schneller ein Problem.“
       
       24 Apr 2019
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Carlotta Hartmann
       
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