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       # taz.de -- Dokumentarfilm „FC Roma“: Größter Gegner: Rassismus
       
       > Der Dokumentarfilm „FC Roma“ porträtiert eine Fußballmannschaft, für die
       > es schon ein Erfolg ist, wenn überhaupt jemand gegen sie antritt.
       
   IMG Bild: Angst vor dem Ball hat Torwart Patrik Herak nicht. Aber davor, dass alles aus dem Ruder läuft
       
       Bremen taz | Sonntagmorgen, der Platz ist gekalkt, das eigene Team komplett
       – fehlt nur noch der Gegner. Langes Warten bis zur enttäuschenden
       Gewissheit: Es wird kein Spiel geben. Die Erfahrung, die die Spieler des FC
       Roma aus der 50.000 Einwohner-Stadt Decin an der Elbe in der zweiten Szene
       des gleichnamigen Dokumentarfilms machen, kennt fast jeder, der in einer
       unterklassigen Liga Fußball gespielt hat.
       
       Doch in diesem Fall fällt das Spiel nicht aus, weil der Gegner den Termin
       verbaselt hat. „Sie zahlen lieber Strafe, als uns die Hand zu geben“, fasst
       Torwart Patrik Herak die Erfahrung zusammen, die sich durch die Saison
       zieht. Man erfährt nicht genau, was in der Vergangenheit passiert ist, aber
       für Trainer Pavel Horvath, den zweiten Protagonisten des Films, ist klar:
       „Sie spielen nicht gegen uns, weil wir Zigeuner sind.“
       
       Vieles in diesem langsam und genau erzählten Film könnte in einem
       x-beliebigen Fußballclub in einem der ärmeren Stadtteile dieser Welt
       spielen: Das Zusammenkratzen der letzten Kohle für die neuesten
       Messi-Schuhe der Kleinen, die schief gekalkten Linien, das Schöntrinken der
       Niederlagen.
       
       Doch hier bedeutet es schon einen Erfolg, wenn das Spiel überhaupt
       stattfindet. Fast devot versuchen Trainer und Torwart am Telefon und in
       Versammlungen Spieler und Funktionäre zu überreden, doch bitte das zu tun,
       was die Spielordnung vorsieht: zu spielen. Dass das gegen sie nicht so
       einfach sei, hören sie, habe natürlich nichts mit Rassismus zu tun. „Da
       sind wir uns doch einig, oder?“ Sondern mit „lokalen Angelegenheiten“.
       
       Wenn dann doch einmal gespielt wird, zeigt die Kamera konsequent nur drei
       Perspektiven: Trainerbank, Torwart, Tribüne. Der Original-Ton läuft mit und
       die Kommentare der Protagonisten machen deutlich, wie sie gegen die Angst
       ankämpfen, die auf dem Spiel lastet: die Angst, dass irgendein dummer
       Spruch fällt; dass sich jemand provoziert fühlt; dass das Ganze aus dem
       Ruder läuft.
       
       Die Spieler des FC Roma sind so daran gewohnt, beleidigt zu werden, dass
       sie schon auf Selbstbehauptung schalten, bevor etwas passiert ist. Und die
       gegnerische Mannschaft wird von ihrem Trainer in der Kabine darauf
       eingestimmt, dass es immer Ärger gibt, wenn man gegen „Zigeuner“ spielt,
       „also lasst euch auf nichts ein, auch du nicht, Spaca, du bist doch genauso
       schwarz wie sie“.
       
       Trotzdem schaffen es die Spieler beider Teams, sich im ersten Spiel, das
       der Film zeigt, im Zaum zu halten – im Gegensatz zu einigen Zuschauern, die
       den Spielern des FC Roma einen „Hitler“ wünschen und sie als „schwarze
       Schweine“ beschimpfen. Als ein Gegentor fällt, ist Pavel Horvath sicher:
       „Die Sprüche haben uns aus dem Konzept gebracht.“ Ob der Gegner Bukonovia
       oder Breziny heißt – für sie geht es immer um den Kampf „Zigeuner“ gegen
       „Gadjos“, wie die Roma die Angehörigen der Mehrheitsgesellschaft nennen.
       
       Beim Verliererbier lachen sie ihren Status in Gesellschaft und Liga dann
       wieder weg. Wenn Trainer und Torwart sich darüber mokieren, dass sie in der
       Liste der beliebtesten Tschechen auf dem letzten Platz stehen, „noch hinter
       Hunden und Katzen“, zeigt das den Grad der Resignation, der in ihrem Humor
       steckt.
       
       Genauso wie die eindringlichste Szene des Films, der liebevolle Einblicke
       ins Alltagsleben der Community enthält: Als Torwart Herak seinen Kollegen
       bei der Müllabfuhr beim Leeren der Tonnen fragt, was er eigentlich gegen
       „Zigeuner“ habe, antwortet der: „Ganz einfach: Ich zahle Steuern – sie
       stehlen und kriegen Stütze.“ Erst versucht Herak noch, seinen Kollegen zu
       widerlegen, aber schließlich sagt er nur noch: „Da kann man wohl nichts
       machen“ – und leert eine weitere Tonne aus.
       
       2 May 2019
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ralf Lorenzen
       
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