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       # taz.de -- Kommentar Maas' Umgang mit Venezuela: Gründlich daneben
       
       > In der Venezuela-Krise betreibt der Außenminister ein gefährliches Spiel.
       > Deutschland agiert nicht auf Augenhöhe mit den USA und Russland.
       
   IMG Bild: Der Neuling mit dem großen Ego will sich im geopolitischen Spiel der Großmächte positionieren
       
       Es war wohl nur ein dummer Zufall, dass Außenminister Heiko Mass
       ausgerechnet in dem Moment durch Südamerika tourte, in dem sich der
       Machtkampf in Venezuela bedrohlich zuspitzte. Doch wie der SPD-Politiker
       auf die Eskalation reagiert hat, sagt viel über die deutsche und die
       europäische Außenpolitik aus. Der Befund fällt nicht gut aus – weder für
       Maas noch für die EU-Diplomatie.
       
       Maas hat sich als „Türöffner“ für den umstrittenen brasilianischen
       Staatschef Jair Bolsonaro betätigt. Er war der erste EU-Diplomat, der
       [1][dem rechtsextremen Politiker] seine Aufwartung machte. Damit hat Maas
       der gemeinsamen Außenpolitik einen Bärendienst erwiesen – und sich über
       Bedenken der EU-Partner hinweggesetzt.
       
       Noch bedenklicher war der Auftritt in Kolumbien. Dort ging es vor allem um
       die Krise in Venezuela. Doch statt sich an die Linie der EU zu halten,
       preschte Maas vor. Er stellte sich nicht nur vorbehaltlos hinter den selbst
       ernannten Interimspräsidenten Juan Guaidó. Maas sprach sich auch für
       Sanktionen gegen Präsident Nicolás Maduro aus.
       
       Damit steht Maas auf der europäischen Bühne ziemlich allein da. In einer
       Stellungnahme der EU-Chefdiplomatin Federica Mogherini ist von Sanktionen
       keine Rede. Die Italienerin betont vielmehr, dass sie sich in der
       Internationalen Kontaktgruppe um Vermittlung bemühen wolle. Luxemburgs
       Außenminister Jean Asselborn – ein Sozialdemokrat wie Maas – warnt vor
       voreiligen Schritten.
       
       ## Chaos in der EU-Außenpolitik
       
       Es ist nicht das erste Mal, dass Maas in der Venezuelakrise vorprescht.
       Schon sehr frühzeitig stellte sich der deutsche Chefdiplomat hinter Guaidó
       und formulierte ein Ultimatum an Maduro. Binnen acht Tagen sollten freie
       Wahlen stattfinden, forderte der deutsche Außenminister im Januar.
       
       Doch die Deadline ist ergebnislos überschritten, zu einer Lösung der Krise
       hat sie nicht beigetragen. Im Gegenteil: [2][Das Ultimatum zeigt], wie
       chaotisch es in der EU-Außenpolitik zugeht. Offiziell hat Spanien „den Hut
       auf“, wie es in Brüssel heißt. Das Land mit den engsten Bindungen an
       Venezuela soll die Richtung vorgeben. Doch bei dem Ultimatum haben
       Deutschland, Frankreich und Großbritannien den Ton angegeben. Spanien
       verlor schnell die Kontrolle über den EU-Kurs.
       
       Eine gemeinsame Erklärung der EU-28 zur Venezuelakrise scheiterte kurz
       danach an einem Veto Italiens. Um die Verwirrung komplett zu machen,
       engagierte sich Mogherini dann auch noch in der Internationalen
       Kontaktgruppe. Die setzte auf Vermittlung und sollte die Krise binnen 90
       Tagen lösen – was sie auch nicht geschafft hat. Die EU ist an der
       Venezuelakrise auf ganzer Linie gescheitert.
       
       Natürlich kann man aus humanitären Gründen für Guaidó eintreten. Doch dann
       darf man keine Sanktionen fordern, wie Maas es tut – denn die gehen fast
       immer zulasten der Bevölkerung. Zudem darf bezweifelt werden, dass es Maas
       um humanitäre Motive geht. Der außenpolitische Novize mit dem großen Ego
       will sich und sein Land im geopolitischen Spiel der Großmächte
       positionieren.
       
       ## Humanitäres Motiv nur vorgeschoben
       
       Doch das geht gründlich schief. Deutschland spielt eben noch nicht in einer
       Liga mit den Vetomächten Frankreich und Großbritannien – und schon gar
       nicht auf Augenhöhe mit den USA und Russland.
       
       Dass das humanitäre Motiv nur vorgeschoben ist, zeigt auch eine andere
       Krise, die frappierende Ähnlichkeiten mit der in Venezuela aufweist: der
       Aufstand in Algerien. Auch dort gehen die Menschen auf die Straße, auch
       dort klammert sich ein autoritäres Regime an die Macht. Doch dazu fällt
       Maas & Co. nichts ein. Über die Gründe für das Schweigen der Europäer kann
       man nur spekulieren.
       
       Vielleicht möchte Frankreich seiner ehemaligen Kolonie nichts vorschreiben,
       vielleicht will Deutschland seine lukrativen Waffengeschäfte absichern. Ein
       Ruf nach Wahlen, noch dazu verbunden mit einer Sanktionsdrohung, könnte
       dabei nur stören. In Algerien gelten offenbar andere Gesetze als in
       Venezuela – nicht wahr, Herr Maas?
       
       3 May 2019
       
       ## LINKS
       
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   DIR Eric Bonse
       
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